«No Man’s Sky»-Review: Weltraumpiraten, Dromedar-Schmetterlinge und ein Planet namens Gorgonzola
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«No Man’s Sky»-Review: Weltraumpiraten, Dromedar-Schmetterlinge und ein Planet namens Gorgonzola

Es ist das wohl meistgehypteste Game seit Jahren: «No Man’s Sky». Nun ist das epische Weltraum-Abenteuer mit seinen 18’000’000’000’000’000’000 erkundbaren Planeten endlich erschienen. Ob der Hype gerechtfertigt ist und was man den lieben langen Tag überhaupt macht, erklär ich euch mit einer kleinen Anekdote.

Am Himmel funkelt ein Sternenmeer. Dank dem kürzlich zusammengebastelten Hyperdrive könnte ich jeden von ihnen in wenigen Minuten erreichen. Heute steht mir der Sinn aber nach unmittelbareren Abenteuern. Also parke ich mein schmuckes Raumschiff neben einem kleinen Krater, nachdem mich ein Scan der Landschaft auf einen noch unentdeckten Ort aufmerksam gemacht hat. Gelandet, werfe ich erneut den Scanner an, um mir vorhandene Ressourcen und sonstige interessante Punkte in der näheren Umgebung anzeigen zu lassen.

Der Laser, um Ressourcen abzubauen, dient gleichzeitig als Waffe.

Wie die meisten Planeten ist auch Gorgonzola – so habe ich den bläulich schimmernden Brocken in einem Moment geistiger Erleuchtung getauft – übersäht mit Heridium, Thamium, Solarium oder wie zum Teufel die verschiedenen Ressourcen alle heissen. Ausgerüstet mit meinem brandneuen Laser-Abbauwerkzeug/Alienvernichter mache ich aus den bunt leuchtenden Kristallen Kleinholz. Mein überfülltes Inventar beame ich ganz ohne Scottys Hilfe auf mein Schiff. Da mein kleiner Flitzer nicht den grössten Laderaum besitzt, ist es wohl Zeit, sich nach einer neuen fliegenden Untertasse umzuschauen. Vorher will ich aber noch wissen, was sich hinter dem grünen Fragezeichen verbirgt, das mir mein Radar anzeigt. Ein heranhüpfendes Etwas, das aussieht wie ein übergewichtiges Dromedar mit Schmetterlingsflügeln analysiere ich im Vorbeilaufen mit meinem Allzweck-Scanner und taufe es Maximilian.

Fliegende Mülleimer und Verständnisprobleme

Die Sentinels werden aggressiv, wenn man sich zu fest auf den Planeten austobt.

Den Felsen, der zwischen mir und potentiellen Schätzen liegt, überwinde ich elegant mit meinem Düsenantrieb. Auf der anderen Seite entdecke ich eine verlassene Forschungsstation. Bin wohl doch nicht der erste Gorgonzolese. Meinen Frust darüber lasse ich an einer verschlossenen Stahltür aus, in dem ich sie mit Plasma-Granaten bespicke. Daran haben die Sentinels keine Freude – kleine fliegende Roboter, die sich als Weltraumpolizisten aufspielen. Gorgonzolesen lassen sich nicht vorschreiben, welche Türe sie öffnen dürfen und welche nicht, also führe ich meine Zielübungen an den surrenden Mülleimern fort. Sobald wieder Ruhe eingekehrt ist, betrete ich das Gebäude und finde nebst Bauplänen, um meinen Raumanzug zu verbessern, ein Terminal. Leider hatte ich in der Schule in Vy'keen – so heissen die Aliens, die sich hier installiert haben – einen Fensterplatz. Lediglich das Wort «Alarm» kann ich auf der Anzeige entziffern. Das hilft mir allerdings nicht viel weiter und prompt wähle ich aus drei Auswahlmöglichkeiten die Falsche aus und das Terminal verweigert mir jeglichen weiteren Zugriff. Ich zieh dem Gerät eins mit meinem Laser über, um meine Kundenzufriedenheit auszudrücken und mach mich vom Acker.

Sparring mit Weltraumpiraten

Wer mit wertvoller Ladung unterwegs ist, muss sich vor Überfällen in Acht nehmen.

Zurück bei meinem Raumschiff geht erstmal die Hälfte der gesammelten Ressourcen wieder drauf, den Tank zu füllen und die Systeme meines Exo-Anzugs aufzuladen. Mit dem Rest mach ich mich auf zur nächsten Raumstation, die im Orbit vor Gorgonzola ihre Runden dreht. Kurz den Impulsantrieb anwerfen, dann dauert der Flug keine Minute. Obwohl Zeit nun wirklich meine letzte Sorge ist, denn gerade als die imposante Raumstation in Sichtweite kommt, warnt mich mein Scanner vor angreifenden Weltraumpiraten. Arrrr, die haben mir gerade noch gefehlt. Zum Glück hab ich ein paar neue Bordkanonen eingebaut. Perfekter Zeitpunkt, die teuren Dinger zu testen, sind schliesslich nicht nur zur Dekoration da. Pewpewpew, die Piraten treffen ähnlich gut wie die Truppe von Don Kanaille aus «Käpt’n Balu». Da ihnen kein Eisengeier den Rücken frei hält, verwandle ich ihre Fluggefährte flugs in Weltraumschrott. Wenn das Greenpeace wüsste.

Na Baby, willst du mal meinen neuen Flitzer sehen?

Unzählige Schiffe stehen zur Auswahl. Manche kauft, andere findet und repariert man.

Genug der Ablenkung. Auf dem Rest der Strecke stellen sich mir bloss ein paar suizidäre Meteoriten in den Weg. Sie trifft das gleiche Schicksal wie die Piraten und ich krieg sogar noch etwas Titanium. Endlich angekommen, empfängt mich ein gähnend leerer Hangar. Alle in den Ferien oder was? Wenigstens der Hauswart ist zuhause. Als Kopf hat er einen Fernseher. Ich bin aber nicht zur Unterhaltung hier, also verscherble ich allen unnötigen Krimskrams, den ich auf Gorgonzola zusammengeklaubt habe. Mit ordentlich Zaster in den Taschen marschier ich zurück zu meinem Parkplatz, wo sich ein imposantes Raumschiff neben meine Sardinendose gesellt hat. Ein Forschungsschiff mit allerlei Schnickschnack und einem doppelt so grossen Lagerraum. Der Besitzer, der ebenfalls der Fernseh-Kopf-Nation angehört, ist bereit, sich für zwei Millionen Einheiten davon zu trennen. Ich beschimpfe ihn innerlich als Halsabschneider, wünsche ihm schlechten Empfang auf Lebzeiten und drücke ihm zähneknirschend das Geld in die Hand. Viel Spass, hier ein Taxi zu finden.

Die Korvax sind die erste Alien-Rasse, auf die man trifft.

Egal, der Kauf hat sich gelohnt. So viel freier Platz für neue Ressourcen und obendrauf der Neuraumschiff-Duft. Ich schaue ein letztes Mal auf Gorgonzola hinab, bevor ich den Hyperantrieb zünde und ins nächste Sonnensystem reise. Immer näher ins Zentrum des Universums, wo die endgültige Überraschung aufwartet.

Fazit: Eine Reise wert

Ich sollte nicht so viele Pilze einwerfen.

Allem Hype zum Trotz muss man sich bewusst sein, dass dieses Spiel vom tatsächlichen Umfang (ich zähle hier nicht die Planeten) nicht mit Mass Effect oder Destiny zu vergleichen ist. Das liegt daran, dass «No Man’s Sky» ein Indie-Titel bleibt, der durch Sonys aggressive Marketing-Kampagne zum vermeintlichen AAA-Game hochstilisiert wurde. Die Japaner haben aber lediglich die Distribution und Werbung übernommen. Das Spiel entwickelte Hello Games, eine Truppe aus gerade mal 20 Jungs und Mädels. Was sie mit «No Man’s Sky» auf die Beine gestellt haben, ist zweifellos beeindruckend.

Die Tierwelt nimmt manchmal abstruse Ausmasse an.

Das Spiel bleibt aber nicht ohne Schattenseiten. (Haha, wie bei einem Planet, versteht ihr?). So beschränken sich die Spielaktivitäten im Grunde auf erkunden, sammeln und crafting. Das Kartensystem ist chaotisch und wenn man den Scanner anwirft, wird man erschlagen von farbigen Markierungen. Auch erweckt es den Eindruck, dass es zwar 18 Trillionen Planeten gibt, die sich im Grunde aber sehr ähnlich sind. Hinzu kommt, dass jeder Planet bereits von Tieren und Sentinels bevölkert ist und man auf die immer gleichen Installationen trifft. Ich dachte, ich wär der Christoph Kolumbus des Weltraums? Auch streift mich regelmässig ein Gefühl der Langeweile – und doch hat «No Man’s Sky» auf mich eine Anziehungskraft wie der Traktorstrahl des Todessterns. Die unendlichen Weiten, die kuriosen Lebewesen, der stimmige Soundtrack und das Gefühl, ständig Neues entdecken zu können, machen «No Man’s Sky» zu einem faszinierenden Game, in dem man sich verlieren möchte.

No Man's Sky ist verfügbar für PC und PS4. Getestet wurde die PS4-Version, die mir Sony zur Verfügung gestellt hat.

Hello Games No Man's Sky (PS4)
Game

Hello Games No Man's Sky

PS4

Sony Playstation 4 500GB + No Man's Sky, C-Chassis
Spielkonsole

Sony Playstation 4 500GB + No Man's Sky, C-Chassis

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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