Stranger-Fotografie: 8 Tipps + Tricks fürs Fotografieren von wildfremden Menschen
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Stranger-Fotografie: 8 Tipps + Tricks fürs Fotografieren von wildfremden Menschen

Denny Phan
2.6.2016

Hast du genug davon, deine Familie und Freunde zu fotografieren? Oder haben vor allem deine Bekannten genug von dir und deiner Kamera? Was für ein Glück, dass es noch ein, zwei weitere Menschen auf unserem Planeten gibt! Faszinierende Exemplare trifft man immer und überall. Juckt es dich auch im rechten Zeigefinger? Wäre da nur nicht diese aufreibende Angst vor einer Abfuhr!

Ich selbst habe vor rund vier Jahren angefangen, vermehrt «Stranger» zu fotografieren – also fremde Menschen. Zu Beginn ist es mir keineswegs leichtgefallen. Heute ist die «Stranger-Fotografie» mit Abstand meine Lieblings-Disziplin. Kein anderes Motiv kann meine grauen Hirnzellen mit mehr Farbe füllen als ein lächelndes, von mir noch nicht fotografiertes Gesicht!

Momentan befinde ich mich auf einem mehrmonatigen Reise-Abenteuer ohne festen Plan quer durch Australien und Südostasien. Das Porträtieren von Unbekannten ist für mich mit einer der Hauptgründe für diese lange Reise und hat mir schon so manche interessante Bekanntschaft und sogar Freundschaften eingebracht. In diesem Blogeintrag möchte ich einige meiner Erfahrungen mit dir teilen und dir meine besten Tipps mit auf den Weg geben.

Bevor du an dieser Stelle weiterliest, möchte ich dich auf die Risiken aufmerksam machen. Fremde Personen zu fotografieren (mit Einwilligung natürlich), kann absolut süchtig machen! Sobald du das erste starke Porträt eines Strangers im Kasten hast, siehst du, was ich meine!

1,2,3,4,5 und los!

Der erste Tipp und meiner Meinung nach der wichtigste ist die 5-Sekunden-Regel! Fünf Sekunden nachdem man sein unbekanntes Model ins Auge gefasst hat, sollte man vor ihr oder ihm stehen, einmal durchatmen und mit einem Lächeln ein selbstsicheres «Hallo, mein Name ist ..., ich bin Fotograf und ich möchte dich gerne fotografieren» aussprechen.

Lässt man die fünf Sekunden verstreichen und steht noch immer wie angewurzelt an Ort und Stelle, ist es oftmals zu spät. Die unbekannte Person ist entweder ausser Reichweite oder fragt sich, warum sie gerade von dir angestarrt wird. Durch das Einhalten dieser Regel wirkt das Ansprechen für das potentielle Model einiges spontaner und ungezwungener. Zudem lässt man sich selbst keinen Raum für das Ausdenken möglicher Horror-Szenarien, in denen man entweder vor Scham im Boden versinkt oder sich eine wilde Schlägerei liefert, bei der die Kamera schlussendlich in Stücken am Boden verteilt liegt!

Als ich vor ein paar Tagen Lily traf und Augenkontakt herstellte, stand ich eine Sekunde später bereits vor ihr und stellte mich vor. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Haare umwerfend finde und sie deshalb gerne fotografieren möchte. Lily fühlte sich sehr geschmeichelt und willigte verlegen ein. Sie kam direkt vom Coiffeur und war selbst noch etwas unsicher, ob ihr die auffällige Frisur tatsächlich steht. Diese Zweifel konnte ich beseitigen und ein neues Facebook-Profilbild wurde geboren!

Lily mit ihrer neuen Frisur

Einfach und direkt - Realness

Den zweiten Tipp, den ich euch ans Fotografenherz legen möchte: Alles so einfach wie möglich halten. Dies gilt sowohl für das Ansprechen als auch für die Bildgestaltung. Die meisten Passanten (vor allem in der Schweiz) laufen nicht einfach planlos durch die Gegend und warten darauf, von dir fotografiert zu werden. Halte deinen Fotoantrag so kurz wie möglich und erwähne, dass es lediglich wenige Minuten dauern wird. Falls dein Model neugierig ist, sich Zeit nehmen möchte und dir Fragen stellt, kannst du natürlich gerne weiterlabern ;).

Bleib authentisch. Nicht nur du selbst, sondern auch in Bezug auf dein Motiv. Versuche nicht, dein Modell um jeden Preis in ein besseres Licht oder vor einen coolen Hintergrund zu rücken. Für mich geht es bei der bei der Stranger-Fotografie auch darum, die Person dort zu fotografieren, wo man sie angetroffen hat. Lerne mit dieser Limitierung umzugehen und das Beste aus dem verfügbaren Licht und Hintergrund zu machen. Ich bin der Überzeugung, dass man so zusätzlich seine Fähigkeiten innert kürzester Zeit stark verbessern kann.

Mach ein Projekt daraus

Früher oder später wirst du folgende Fragen hören: «Wieso möchtest du mich fotografieren?», «Was passiert mit den Fotos und wo werden diese veröffentlicht?». Es hilft definitiv auf diese Fragen eine überzeugende Antwort zu haben. Und was hört sich besser an als ein ernst gemeintes Kompliment und folgende Aussage: «Ich arbeite an einem Projekt, bei dem ich ausgewählte interessante Personen in den Strassen von ... porträtiere.»

Mit einem Projektgedanken kann man der Stranger-Fotografie einen roten Faden und Tiefe geben. Etwa, indem man die Personen immer in einem ähnlichen Stil fotografiert. Wie im Beispiel von Miffi könnte man eine Aufnahme des Gesichts und ein Detailbild des Merkmals oder Kleidungsstücks machen. Das war schliesslich ausschlaggebend dafür, dass ich sie einfach ansprechen musste und unbedingt ein Porträt von ihr in meiner Sammlung haben wollte.

Eine weitere sehr beliebte Projektidee ist eine Bilderserie von Personen aus einem bestimmten Ort (z.B. Humans of New York). Du könntest dir zudem einige extrem tiefgründige Fragen ausdenken, die du jedem deiner Models stellen möchtest.

Portrait von Miffi in Fitzroy (Melbourne) und Details ihres Handschmucks

Geteilte Nervosität ist halbe Nervosität

Lange Zeit habe ich gedacht, dass man Fremde am besten im Alleingang anspricht und fotografiert. Erst vor kurzem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zu zweit ebenso gut, wenn nicht sogar noch besser funktioniert. Ich war gemeinsam mit einem Fotografen aus Melbourne auf Fotopirsch und unsere Ausbeute war extrem hoch. Beinahe jede angesprochene Person liess sich von uns fotografieren.

Wie in so vielen Lebenssituationen kann einem das Gefühl, jemanden als Unterstützung dabei zu haben, einen Selbstvertrauensschub geben. Ausserdem machte es für viele Personen die wir angetroffen haben einen offizielleren Eindruck. Sie nahmen an, dass wir an einem Projekt arbeiten, ohne dass wir uns gross erklären mussten.

Ist man zu zweit unterwegs, kann man zudem viel leichter auch grössere Gruppen ansprechen. Während du eine oder mehrere Personen aus der Gruppe porträtierst, kann dein Foto-Buddy die Gruppe über das Projekt aufklären oder helfen, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.

Während ich das Foto schoss, hat meine Begleitung das Pärchen zum Lächeln gebracht

Sei bereit

Damit meine ich nicht nur Akku, Speicherkarte und Kameraeinstellungen, sondern vor allem die nicht Kamera abhängigen Faktoren. Wenn du weisst, dass du auf der Suche nach unbekannten Porträtopfern bist, halte bereits Ausschau nach möglichen Hintergründen, beobachte das Sonnenlicht und halte deine Kamera in deinen Händen.

Eine Visitenkarte in der Tasche zu haben und im Vorfeld eine Social-Media-Präsenz aufzubauen ist ebenfalls eine gute Idee. Es nimmt den angesprochenen Personen oftmals die Ungewissheit, was mit ihren Bildern passieren wird.

Birhane zum Beispiel habe ich in einem Melbourner Vorort namens Footscray angetroffen. Als ich ihn um sein Portrait gebeten habe, war er vorerst sehr skeptisch. Erst als ich ihm meine Visitenkarte in die Hand gedrückt habe und er meinen Instagram Account begutachtete, willigte er ein, sich von mir fotografieren zu lassen.

Birhane stand vor einem Coiffeursalon in Footscray

Der einfachere Start

Falls du es dir noch nicht richtig zutraust, fremde Personen auf offener Strasse anzusprechen, habe ich einen Mittelweg für dich. Starte damit, Service-Personal in Cafes, Läden und Restaurants um Porträts zu bitten. Da man sich mit diesen Personen oftmals bereits in einem Gespräch befindet, erübrigt sich das unangenehme Ansprechen.

Ich persönlich habe auf diese Art schon einige Porträts erstellt und spreche auch heute noch oft Personen auf diese Weise an. Aber auch hier gilt: Nicht zu lange mit der Frage nach einem Porträt zu warten. Mit Abwarten wird es nur selten einfacher.

Portrait einer Verkäuferin in New York

Ein «Nein» gehört dazu

Abschliessend müssen wir uns der Tatsache stellen, dass nicht jeder «Ja» sagen wird. Dies sollte aber auf keinen Fall demotivieren, auf sich bezogen oder als Niederlage angesehen werden. Es gehört dazu und ist nachvollziehbar. Manche Leute haben schlicht und einfach einen anstrengenden Tag hinter sich oder lassen sich aus Prinzip nicht gerne fotografieren. Folglich kannst du deine Chancen erhöhen, indem du vorzugsweise Personen mit einem Selfie-Stick in der Hand ansprichst.

And the best for last

Vor ein paar Wochen habe ich in Melbourne Fred getroffen. Er kommt aus Deutschland und ist mit seinem Schnauz und sehr interessanten Kleidungsstil definitiv ein Hingucker. Als ich ihn um ein Bild gebeten habe, hat er mich als erstes darauf hingewiesen, dass er bereits Leuten die Kamera aus der Hand geschlagen hat, die heimlich ein Foto von ihm machen wollten. Es machte stark den Eindruck, als hätte ich keine Chance, an ein Foto von ihm ran zu kommen. Ich habe seine Entscheidung respektiert, meine Kamera weggelegt und wir haben uns darüber unterhalten, wie er in Melbourne gelandet ist. Als wir uns verabschiedeten, lächelte er mich an und erlaubte mir ausnahmsweise ein einziges Foto von ihm zu schiessen. Manchmal muss zuerst eine Vertrauensbasis aufgebaut werden, bevor man die Kamera ins Spiel bringen kann.

Fred im Stadtzentrum von Melbourne

Ich könnte zu diesem Thema noch etliche Zeilen schreiben, dies würde aber definitiv die SD-Karte sprengen. Am besten du schnappst dir jetzt deine Kamera, machst dir bewusst, wie einfach es eigentlich ist und gehst auf die Suche nach deinem noch unbekannten Modell. Und nicht vergessen zu lächeln! Es kann oftmals den entscheidenden Unterschied machen, ob du dein gewünschtes Portrait machen darfst oder nicht!

Was sind deine Erfahrungen mit diesem Thema? Welchen zusätzlichen Tipp kannst unserer Community mit auf den Weg geben?

Mehr zu mir gibts unter www.35waves.com/

Update: Mein Gear für die Stranger-Fotografie

Aufgrund der Nachfragen möchte ich euch mein Gear nicht vorenthalten! Die meisten Fotos sind mit meiner X-Pro 2 und dem 35mm f/2 entstanden. Wer mehr Details und alle meine Objektive sehen möchte: hier klicken

Fujifilm X-Pro2 Body (24.30 Mpx, APS-C / DX)

Fujifilm X-Pro2 Body

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Fujifilm Fujinon XF 35mm f/2 R WR (Fujinon XF, APS-C / DX)
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Fujifilm Fujinon XF 56mm f/1.2 R

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Fujifilm X100T

16.30 Mpx, APS-C / DX

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Denny Phan
Senior Category Buying Manager & AS
denny.phan@digitecgalaxus.ch

In der einen Hand meine Kamera und in der anderen ein Flugticket. So sieht mein persönlicher Idealzustand aus.

Mehr zu mir und meiner Fotografie findest du auf <a href="https://www.instagram.com/35waves/" target="_blank">Instagram</a> oder meiner <a
href="https://www.35waves.com/" target="_blank">Website</a> 


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