Hintergrund

80 Prozent der Männer und Frauen infiziert: Warum HPV kein Frauenproblem ist

Humane Papillomviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Erregern weltweit. Aber: es gibt dagegen eine Impfung. Doch die wenigsten wissen: Diese ist für junge Männer und Frauen gleich wichtig.

In einigen Ländern steht das Humane Papillomvirus (HPV) auf der Blacklist der Staatsfeinde. Der Grund: HPV ist Hauptauslöser für Gebärmutterhalskrebs und kann weitere Krebsarten (auch bei Männern) begünstigen.

Der Blick nach Österreich zeigt da ein Umdenken: Hier wird die HPV-Impfung ab sofort für beide Geschlechter bis zum 21. Lebensjahr kostenfrei ermöglicht. Denn: Junge Männer wissen selten, welche Rolle sie beim Verbreiten der sexuell übertragbaren Infektion spielen – und warum HPV auch ihre Gesundheit gefährdet.

Und in der Schweiz? Ich rufe bei der gynäkologischen Fachärztin Dr. Rebecca Zachariah vom Kantonsspital Winterthur an, um von ihr alles über HPV und die Impfung für Männer und Frauen zu erfahren.

HPV: Was ist das?

Die Humanen Papillomviren sind tückisch. Mit den 200 bisher bekannten Virus-Typen zählen HPV zu den häufigsten Erregern sexuell übertragbarer Krankheiten weltweit. Die meisten HPV-Infektionen verlaufen asymptomatisch (man bemerkt die Infektion also gar nicht), sind ungefährlich und verschwinden wieder von selbst. Andere Typen können hingegen zu starken Zellveränderungen führen, in weiterer Folge zu Krebsvorstufen und unbehandelt zu Krebs. Zu diesen Hochrisikotypen mit krebserregendem Potenzial zählen die HP-Viren 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58 und 59.

Und tatsächlich sind global 99 Prozent aller Gebärmutterhalskrebs-Diagnosen mit HPV assoziiert. Das berichtet das Deutsche Krebsforschungszentrum. Aber auch andere Krebsarten können aus einer HPV-Infektion entstehen, die Männer wie Frauen treffen können.

HPV: Verbreitung und Diagnose

Zwei Drittel aller HPV-Infektionen verlaufen ohne Symptome und werden daher unentdeckt über sexuelle Kontakte weitergegeben. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) infizieren sich 70 bis 80 Prozent aller sexuell aktiven Frauen und Männer im Laufe ihres Lebens mit HPV, wobei das Infektionsrisiko zu Beginn der sexuellen Aktivität am höchsten ist.

Schätzungen des BAGs zufolge verschwinden HPV in 70 Prozent der Fälle innerhalb eines Jahres nach der Infektion von selbst und in 90 Prozent der Fälle nach zwei Jahren.

Um eine HPV-Infektion am Gebärmutterhals festzustellen, braucht es einen Krebsabstrich des Gynäkologen oder der Gynäkologin oder eine HPV-Testung. «Das Screening für Gebärmutterhalskrebs wird ab 21 Jahren im Drei-Jahres-Takt als zytologisches Screening empfohlen und von der Krankenkasse bezahlt. Ein primäres HPV-Screening wird erst ab 30 Jahren empfohlen, die Kosten werden aber vorerst nicht von der Krankenkasse gedeckt», führt die Expertin weiter aus.

HP-Viren (be)treffen auch Männer

HPV galten lange Zeit – und in vielen Kreisen bis heute – als reines Frauenproblem. Das liegt an dem mehr als deutlichen Zusammenhang mit der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs: In der Schweiz werden jährlich rund 250 neue Fälle von Gebärmutterhalskrebs und etwa 5000 Krebsvorstufen diagnostiziert. Aber: Auch Männer können sich mit dem Virus infizieren, es unbemerkt weitergeben – und damit ihre Partnerin (oder ihren Partner) gefährden – oder selbst in der Folge daraus an Krebs erkranken.

«Analkarzinome sind ebenfalls mit HPV assoziiert», bestätigt Dr. Zachariah. «Weil sie seltener vorkommen als Gebärmutterhalskrebs, werden sie nur seltener zum Thema gemacht.»

Australische Forscherinnen und Forscher konnten zudem in einer Studie im Fachblatt Infectious Agents and Cancer einen Zusammenhang zwischen bestimmten HP-Viren und Prostatakrebs feststellen. Die Autorinnen und Autoren schreiben: «Ein kausaler Zusammenhang zwischen HPV und Prostatakrebs ist sehr wahrscheinlich.»

Schließlich können auch Karzinome in Mund- und Rachenbereich in Verbindung mit einer HPV-Infektion stehen und können Männer und Frauen gleichermaßen treffen. Auch 90 Prozent aller Genitalwarzen sind auf die Niedrigrisiko-HPV-Typen 6 und 11 zurückzuführen, wie das Swiss Medical Forum berichtet.

Die unerfreulichen – aber ungefährlichen – Genitalwarzen erleben seit den 1990er Jahren in der Schweiz eine neue Renaissance: 25 000 neue Fälle werden hier pro Jahr verzeichnet. Eine HPV-Impfung kann auch davor schützen.

HPV: Die Impfung

HPV betrifft also Frauen wie Männer. Darum wird die Impfung mittlerweile vom Robert-Koch-Institut für beide Geschlechter empfohlen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum berichtet: Die Impfung schützt 9 von 10 Frauen vor Gebärmutterhalskrebs, 9 von 10 Männern und Frauen vor Analkrebs, 6 von 10 Männern und Frauen vor Mund- und Rachenkrebs, 8 von 10 Frauen vor Vaginalkrebs, 7 von 10 Frauen vor Vulvakrebs und 6 von 10 Männer vor Peniskrebs.

Auch die Weltgesundheitsorganisation zieht eine beeindruckende Bilanz über das Potenzial der HPV-Impfung: In einem Positionspapier heißt es, in den nächsten 100 Jahren könne die Impfung 60 Millionen Gebärmutterhalskrebsfälle und 45 Millionen frühzeitige Tode verhindern.

Auch Dr. Zachariah unterstreicht die Impfempfehlung für beide Geschlechter: «Mit der Impfung bewahren auch Männer die allgemeine Gesundheit im Sinne des Herdenschutzes, sie schützen die Gesundheit der Frauen, aber sie schützen letztendlich auch sich selbst.»

Wann wird die Impfung empfohlen?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfiehlt die Impfung noch vor dem ersten Sexualkontakt, also zwischen 9 und 14 Jahren. Im Faktenblatt des RKI heißt es: «Ein Impfschutz kann nur erreicht werden, wenn es vor der Impfung zu keiner anhaltenden Infektion mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen gekommen ist.»

Aber: Die Impfung ist zu einem späteren Zeitpunkt und selbst nach einer ersten Infektion immer noch nützlich, denn sie schützt gleich vor mehreren potenziell krebserregenden HPV-Typen. Die Impfung reduziert übrigens auch das Genitalwarzen-Risiko um 90 Prozent.

In der Schweiz empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit die Impfung für alle Jugendlichen zwischen 11 und 14 Jahren. Für Mädchen wird die Impfung aber nach wie vor als Basisimpfung empfohlen, während sie für Jungen als Zusatzimpfung gilt. Aber: «Dass HPV in die Basisimpfung von Jungen aufgenommen würde, wäre sinnvoll», sagt Dr. Zachariah.

So kannst du dich vor HPV schützen

HPV kommt und geht oft ohne Anzeichen, in vielen Fällen bringt die Infektion aber dramatische gesundheitliche Folgen mit sich. Um dich und deine Sexualpartnerinnen und -partner zu schützen, gibt es außer der Impfung noch weitere präventive Maßnahmen, auf die du zurückgreifen kannst.

Für Frauen empfiehlt Dr. Zachariah den PAP-Abstrich alle drei Jahre ab dem 21. Lebensjahr. Kondome schützen leider nur unzureichend vor einer HPV-Infektion. Das Robert Koch Institut schreibt: «Bestimmte HPV-Typen kommen außer auf den Schleimhäuten auch auf der Haut im Genital- und Analbereich vor. Daher kann es auch zu einer Übertragung durch sehr engen Körperkontakt (trotz Kondomnutzung beim Geschlechtsverkehr) kommen.» Jungen und Männer gehen am verantwortungsvollsten mit dem Virus um, indem sie sich und andere frühzeitig mit einer Impfung schützen.

64 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Ab 45 droht Männern eine verhängnisvolle Negativspirale

    von Martin Jungfer

  • Hintergrund

    Bluthochdruck: Eine unsichtbare Gefahr (vor allem für Frauen)

    von Moritz Weinstock

  • Hintergrund

    Polyzystisches Ovarialsyndrom: die häufigste Hormonstörung von Frauen

    von Olivia Leimpeters-Leth

58 Kommentare

Avatar
later