Asier Romero, Shutterstock
Ratgeber

«Am Ende haben Sie mehr Zähne im Mund!»

Schlägt eine elektrische immer die Handzahnbürste? Worauf solltest du bei der Auswahl einer Zahnbürste achten und was ist von Apps und Wunderpasten zu halten? Um genau diese Fragen dreht sich das Interview, das ich mit Prof. Dr. Michael Noack geführt habe.

Zähneputzen müssen wir alle und sollten es auch regelmäßig tun. Die Quittung für mangelnde Zahnhygiene kommt nicht sofort. Aber ist sie erst einmal da, wird es in der Regel schmerzhaft und teuer. Die Werbung präsentiert uns regelmäßig Produkte, die unsere Zähne sauber und gesund erhalten sollen. Jedes Mittel ist natürlich viiiel besser als das andere. Was liegt also näher, als einmal einen Experten zu befragen?

Mein Gesprächspartner Prof (i.R.) Dr. Michael Noack war bis 2021 Lehrstuhlinhaber und Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität zu Köln. Zudem von 1993 bis 2010 Chefredakteur einer zahnmedizinischen Fachzeitschrift.

Bei mir im Freundeskreis gibt es einige Menschen, die auf ihre Handzahnbürste schwören. Das sei alles viel schonender, sagen sie. Wie steht die Wissenschaft zu der Frage: elektrische Zahnbürste oder Handzahnbürste?

Das ist tatsächlich eine spannende Frage. Als ich Zahnmedizin studiert habe, waren elektrische Zahnbürsten nicht empfehlenswert. Inzwischen ist die Datenlage aber eindeutig. Meine Kolleginnen und Kollegen an der Uni Greifswald haben vor fast 20 Jahren ein interessantes Projekt gestartet: Sie untersuchten Patienten grundlegend und fragten zur Ausgangslage, welche Zahnbürste sie regelmäßig benutzen. Nach fünf und nach elf Jahren fragten sie erneut nach.

Und das Ergebnis?

Eindeutig: Diejenigen, die eine elektrische Zahnbürste benutzten, hatten generell weniger Biofilm und Plaque in der Mundhöhle sowie weniger Zahnfleischentzündungen. Aber noch spektakulärer: Sie hatten weniger Karies, weniger Füllungen und mussten seltener zum Zahnarzt.

Das härteste Kriterium: Nach elf Jahren hatten diejenigen mit elektrischer Zahnbürste mehr Zähne im Mund.

Besser die Fachleute entscheiden lassen

Die Überlegenheit von elektrischen Zahnbürsten ist wissenschaftlich also erwiesen. Muss ich also auf eine solche Bürste wechseln?

Ein «Muss» zum Wechsel gibt es nicht. Menschen, die ihre Zähne sorgfältig putzen und regelmäßig zur Kontrolluntersuchung gehen, können bei der Handzahnbürste bleiben. Sofern der Zahnarzt keine Blutungen und Plaque diagnostiziert.

Meine Erfahrungen zeigen aber, dass 80 bis 90 Prozent der Ratsuchenden in meinem Wartezimmer unter Restzahnbelag an kritischen Stellen, Blutungen oder kariösen Veränderungen leiden. Wer also partout lieber eine Handzahnbürste benutzen will, fragt am besten in der Praxis nach seiner aktuellen Zahnsituation.

Rotierende Bürste oder lieber Schall?

Unser gemeinsames Gespräch führt uns dann tiefer in die Welt der elektrischen Zahnbürsten. Auf dem Markt gibt es lediglich zwei Konzepte, deren Wirksamkeit wissenschaftlich umfangreich belegt ist.

  • Die erste Kategorie bilden die Schallzahnbürsten. «Schall» bedeutet nicht, dass diese Bürsten laut sind. Vielmehr überträgt ein Wandler Schwingungen auf den Bürstenkopf, der sich seitlich bewegt. Zudem wird ein dynamischer Flüssigkeitsstrom erzeugt, der Plaque löst.
  • Schon deutlich länger auf dem Markt sind Modelle mit einem rotierend-oszillierenden Bürstenkopf. Die erinnern von der Optik ein bisschen an Instrumente aus der Zahnarztpraxis. Die Bewegung der Bürste entfernt die Beläge auf den Zähnen.

Aber wenn beide Systeme ihre Wirkung bewiesen haben, für welche sollte ich mich dann entscheiden?

Wenn eine Person vor dem Spiegel Zahn für Zahn durchgeht und sehr sorgfältig arbeitet, bietet eine rotierende Zahnbürste Vorteile. Man muss aber aufpassen, dass man nicht über das Zahnfleisch schrubbt. Wer sich nicht auf das Zähneputzen konzentrieren will, tut sich mit dem Wechsel zu einer Schallzahnbürste leichter. Sie hat einen länglichen Bürstenkopf und einen schonenden Antrieb. Der Schall kann Zähne nicht beschädigen, entfernt aber den Biofilm.

Jede Person hat zwischen 28 und 30 Zähne. Bei zwei Minuten Putzzeit müssen also bis zu 60 Zahnflächen (außen und innen) gereinigt werden. Das sind also gerade mal zwei Sekunden pro Zahnfläche. Hier bewirkt ein länglicher Bürstenkopf der Schallzahnbürste mehr, da er mehr als einen Zahn berührt.

Was ist mit Hightech wie Bürsten mit Kamera und KI?

Der Markt für elektrische Zahnbürsten entwickelt sich ständig weiter. Inzwischen tauchen Modelle mit im Bürstenkopf integrierter Kamera auf, deren Bilder eine KI analysiert. Ist das die Zukunft der Zahnpflege?

Rein technisch ist das beeindruckend. Die Frage ist nur: Wird das gebraucht? Wir haben zurzeit acht Milliarden Menschen auf der Erde, die sich zweimal täglich die Zähne putzen müssten. Das sind also 16 Milliarden Vorgänge pro Tag. KI scheint mir darauf weniger die Lösung zu sein, wenn es darum geht, eine sozialverträgliche Lösung für viele zu schaffen. Solche Zahnbürsten sind Vorzeige-Modelle wie Lamborghini-Autos. Schön anzuschauen, aber wer will damit zur Arbeit fahren?

Zahnpasta-Mythen: Welche Zahnpasta sollte ich verwenden?

Bei der Auswahl einer Zahnpasta spricht die Wissenschaft laut Professor Noack ebenfalls eine eindeutige Sprache. An Fluorid führt kein Weg vorbei. Zumindest kennt mein Gesprächspartner keine wissenschaftliche Studie, die belegt, dass jemand langfristig ohne Fluorid-Zahnpasta gesund geblieben ist.

Als Beispiel nennt er China: Dort hätten fluoridfreie Zahnpasten einen Marktanteil von 30 Prozent. Große Studien zeigen, dass die Chinesen, die solche Zahnpasta benutzen, auch fast 30 Prozent mehr Karies haben. Dabei seien Süßigkeiten in der chinesischen Ernährung nicht so stark verankert.

Wie sieht es mit besonderen Pasten aus, die Bleaching versprechen oder gar die Zähne reparieren sollen? Ist das überhaupt möglich? Lässt sich Zahnschmelz nachträglich beim Putzen auftragen?

In dem Sinne, wie es jeder Mensch verstehen würde, ist das nicht möglich. Es kann sein, dass im Labor einige kleine Kristalle am Zahn nachweisbar sind. Aber das dürfte kaum mit Aufbauen zu verstehen sein. Schleifkörper in der Zahnpasta sollten unter medizinischen Gesichtspunkten ebenfalls besser nicht verwendet werden. Die sollen zwar das Entfernen des Biofilms erleichtern, führen aber zur Abnutzung der Zähne.

Und was ist mit anderen «Wunderpasten»?

Es gibt noch Zahnpasten, die Wellness-Komponenten enthalten oder eine besondere Farbe besitzen. Wer Lust hat, statt drei lieber neun Euro für eine Tube auszugeben, kann das tun. An Fluorid führt trotzdem kein Weg vorbei.

Eindeutiges Ergebnis

Das Fazit meines Gesprächspartners fällt eindeutig aus: Mit einer elektrischen Zahnbürste besteht die beste Chance, im Mund gesund zu bleiben. Schon der Einstieg in die Mittelklasse lohnt sich. Und Anschaffungs- und Unterhaltungskosten seien allemal günstiger als Zuzahlungen bei zahnärztlichen Behandlungen.

Titelbild: Asier Romero, Shutterstock

19 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Hamburger, Leseratte, Eishockey-Fan. Papa und Grosspapa. Bastelt ständig an seinem Smarthome herum. Interessiert an DIY, Outdoor, Mode und Kosmetik.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Ratgeber

    So findest du die elektrische Zahnbürste, die zu dir passt

    von Stefanie Lechthaler

  • Ratgeber

    Auf den Milchzahn gefühlt: Zahnärztin beantwortet die wichtigsten Fragen

    von Katja Fischer

  • Ratgeber

    Mit diesen Putz-Hacks wird das Saubermachen zum Kinderspiel

    von Raphael Knecht

3 Kommentare

Avatar
later