Avengers: Infinity War – Der wichtigste Comicfilm aller Zeiten

«Avengers: Infinity War» ist der Kampf zwischen den mächtigsten Superhelden des Marvel-Universums und einem irren Titanen. Der Film ist gleichzeitig auch Abschluss einer Ära, die bis dato 19 Spielfilme umfasst. Damit schreibt Marvel Studios Kinogeschichte. Und – verdammt nochmal – das darfst du auf keinen Fall verpassen.
Die letzte Szene läuft, dann wird’s langsam dunkel, und der Abspann beginnt. «Avengers: Infinity War» ist soeben zu Ende. Ich bin überwältigt. Leer. Dann versuche ich, meine Gedanken wiederzufinden. Sie scheinen wie weggefegt. Vom Erdboden verschluckt. Und plötzlich – wie in einer Sturzflut – kommt alles zurück. Freude, Wut, Überraschung, Entsetzen… die Gedanken überschlagen sich. Mein Hirn beginnt zu rattern.
Mir wird bewusst, dass die Welt noch gar nichts von ihrem Glück weiss. «Avengers: Infinity War» ist da. Wirklich... Ich kann es selber noch gar nicht so recht fassen, nach sechs Jahren Wartezeit. Aber eines weiss ich: Ein Narr wärst du, wenn du dir dieses Spektakel entgehen lassen würdest.
Kleine Warnung: Hast du die Trailer gesehen und die Berichterstattung rund um «Avengers: Infinity War» einigermassen mitverfolgt, wirst du hier keine Spoiler finden, die du nicht eh schon kennst. Möchtest du den Film aber komplett unvoreingenommen geniessen, dann guck ihn dir zuerst an, ehe du zurückkehrst, und mir dann deine Meinung in den Kommentaren mitteilst.
Sechs Infinity-Steine, sie zu knechten

Quelle: Marvel Studios
Thanos (Josh Brolin), der mächtige Titan bisher unbekannter Herkunft, hat es auf die Infinity-Steine abgesehen. Es gibt sechs davon, und wer sie in seinen Besitz bringt, avanciert zum mächtigsten Wesen im Universum, gebietet über alles Leben und vielleicht sogar über den Tod selbst.
Aber Thanos möchte nicht Macht um der Macht Willen. Er möchte das Gleichgewicht im Universum wiederherstellen. Der Titan kommt zum Schluss, dass diese Balance nur dann hergestellt ist, wenn die Hälfte allen Lebens im Universum ausgelöscht wird. Hätte er die Infinity-Steine, würde ein einziges Fingerschnippen ausreichen, um genau das Wirklichkeit werden zu lassen.
Das finden die Avengers rund um Iron Man (Robert Downey Jr.) und Captain America (Chris Evans) weniger gut. Immer noch gezeichnet von ihren eigenen Zwistigkeiten, die in «Captain America: Civil War» zur Auflösung der Superhelden-Truppe geführt haben, sagen sie Thanos den Kampf an.
Der Höhepunkt eines Zyklus

Quelle: Marvel Studios
«Avengers: Infinity War» ist atemberaubend pompös. Aber auch tragisch, schmerzhaft und erbarmungslos. Er ist der Höhepunkt einer wahnwitzigen Reise, die vor zehn Jahren in «Iron Man» mit Nick Fury, gespielt von Samuel L. Jackson, und dessen Worte begonnen hat:
«Mr. Stark, you've become part of a bigger universe. You just don't know it yet.»
Wie gross dieses filmische Universum tatsächlich werden würde, ahnte damals noch niemand. Nicht einmal die Marvel-Verantwortlichen rund um Produzent Kevin Feige selbst. Unterdessen umfasst das Marvel Cinematic Universe über 60 benannte Charaktere. Und fast alle davon haben ihren Weg in den Film gefunden.
Kurz: «Avengers: Infinity War» feuert aus allen Rohren.
Dabei spielen die Regie-Brüder Anthony und Joe Russo bewusst mit den geschürten Erwartungen des Publikums. Lässt es im Glauben, zu wissen, was als nächstes passiert, nur, um es dann doch anders zu machen. Konstant. Okay, nicht gerade im selben Ausmass wie Regisseur Rian Johnson in «Star Wars: The Last Jedi». Aber das ist vielleicht auch besser so. Die zwei Brüder haben dafür ein ganz grosses Versprechen eingelöst, das sie in zahlreichen Promo-Touren zuvor abgegeben haben: Nichts mehr wird nach «Infinity War» so sein, wie es war.
Ja, es gibt Veränderungen. Grosse Veränderungen. Ja, manche tun weh. Aber dramaturgisch gesehen ergeben sie Sinn. Denn wo bliebe die Spannung, wenn am Schluss alles so bliebe, wie es war, und das Gute alles schadlos überstünde? Eben. Abgesehen davon möchte Feige nicht, dass sein Film-Universum stagniert oder sich gar festfährt. Veränderungen, so schmerzlich sie auch sein mögen, gehören dazu.
Der Bösewicht – Thanos

Quelle: Marvel Studios
In einem Cast, bei dem es mittlerweile zum guten Ton gehört, dass es mindestens ein paar Oscar-Gewinner und -Nominierte zählt, sticht einer heraus: Josh Brolin. Er spielt Thanos, der verrückte Titan – wie er in den Comics genannt wird – und Bösewicht des Films.
Und Thanos schiesst den Vogel sowas von ab.
Zum ersten mal kam er vor sechs Jahren in «Avengers» vor, wo er sich als der eigentliche Strippenzieher hinter den Ereignissen rund um die Schlacht von New York entpuppte. Dann trat er immer wieder mal am Rande auf, bedrohlich und die Geschehnisse aus der Ferne beobachtend. In «Avengers: Infinity War» scheint endlich die Zeit gekommen zu sein, höchstpersönlich die Dinge in die Hand zu nehmen.
Und wie.
Glücklicherweise hat Marvel erkannt, dass die besten Bösewichte jene sind, bei denen die Methoden, und nicht unbedingt die Motive, falsch sind. So konnte man Helas (Cate Blanchett) Hass auf ihren Vater in «Thor: Ragnarok» durchaus verstehen. Oder in «Black Panther» Erik Killmongers (Michael B. Jordan) Empörung darüber, wie sich ein so fortschrittliches Volk wie jenes von Wakanda jahrzehntelang versteckt halten konnte, statt sein Wissen mit der Welt zu teilen um den Leidenden zu helfen.

Quelle: Marvel Studios
Thanos folgt diesem Muster. Er ist grausam und konsequent. Aber seine Motive bleiben nachvollziehbar und einer gewissen Logik folgend, die nicht dem üblichen «Ich bin böse weil Gründe»-Cliché entspricht. Denn eigentlich möchte er bloss das Universum vor jenem Schicksal bewahren, das einst sein eigenes Volk ereilte.
Josh Brolin hat die perfekte Balance zwischen eiskaltem Kalkül und erschreckendem Wahnsinn gefunden. Seine Performance ist mittels Motion-Capture-Technologie auf ein Computermodell übertragen worden – ähnlich wie bei Gollum in «Herr der Ringe». Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Keine Sekunde käme beim Zuschauen der Gedanke, dass Thanos eine komplett aus dem Computer stammende Figur sei. Und Josh Brolins Spiel, seine tiefe, grollende Stimme, die sämtliche Härchen auf der Haut aufstellen lässt, seine Körpersprache, die ihm eine Aura des Unüberwindbaren verleiht – das alles trägt dazu bei, dass ein Comic-Schurke selten so bedrohlich gewirkt hat, wie hier.

Quelle: Marvel Studios
Thanos beherrscht jede Sekunde, in die er vorkommt. Zunächst kriegst du kaum genug von ihm, weil das wohlige Schaudern bei Thanos Anblick eine willkommene Abwechslung zu den eher blassen Marvel-Schurken darstellt. Dann aber beginnst du, dich vor den kommenden Szenen zu fürchten. Denn dir wird klar, dass Marvel sich nicht davor scheut, Vorgänge in Gang zu setzen, die so konsequent und erschütternd sind wie nie zuvor im Marvel-Universum.
Das grosse Klassentreffen

Quelle: Marvel Studios
Fans können beruhigt sein: Das Regie-Duo hat die scheinbar unmögliche Aufgabe, die (nach offiziellen Angaben) 67 benannten Charaktere in einen einzigen Film unterzubringen, mit Bestnoten gemeistert. Praktisch jeder Charakter bekommt die ihm gebührende Leinwandzeit, kaum einer wurde vernachlässigt.
Das klappt, weil die Russos das Geschehen auf verschiedene Erzählstränge, die stets eine überschaubar grosse Gruppe an Charakteren umfassen, verteilt haben. Die ersten Filmminuten dienen auch vornehmlich dazu, sämtliche Figuren in entsprechender Position zu bringen: Der da ins All, dieser hier bleibt auf der Erde, derjenige muss gehen, und fertig sind die Stellungen bezogen. Es ist wirklich verblüffend, wie einfach und elegant den Russos gelungen ist, die Handlung gleich von Beginn weg in die richtige Bahnen zu lenken: Sie wirkt zu keinem Zeitpunkt forciert oder gar gehetzt. Hut ab.

Quelle: Marvel Studios
Stichwort Handlung: Davon gibt es eigentlich nicht viel. Aber anders hätten so viele Charaktere wohl kaum ihren Platz innerhalb der 149 Minuten Laufzeit gefunden. Thanos will die Steine. Damit könnte er ganz viel Böses tun. Die Avengers wollen’s verhindern. Mit allen Mitteln. Mehr passiert da eigentlich nicht. «Avengers: Infinity War» wird nie von seiner Story getragen, dafür aber umso mehr von den Charakteren, die das Marvel Cinematic Universe bevölkern. Ein Luxus, der sich Marvel locker leisten kann – und will.
Denn: Kaum ein anderes Film-Franchise kann auf mittlerweile 19 erfolgreiche und von Kritikern gefeierte Filme zurückblicken. Figuren wie Tony Stark oder Steve Rogers wirken deshalb so lebendig, weil wir sie als Zuschauer jahrelang auf ihren Abenteuern begleitet haben. Wir wissen, woher sie kommen, wer sie waren, zu was sie geworden sind, und wieso. Wir haben sie ins Herz geschlossen. Oder auch nicht. Aber wenn ein wahnsinniger Titan auf den Plan tritt, und ihre Existenz ernsthaft bedroht, dann lässt uns das nicht kalt. Lässt uns um sie fürchten. Mitfühlen. Trauern...
Fazit – Du wärst verrückt, den Film nicht im Kino zu sehen

Quelle: Marvel Studios
Mit «Avengers: Infinity War» schreibt Marvel ein weiteres Stück Kino-Geschichte. Zehn Jahre nach dem ersten «Iron Man»-Film kann der Comic-Gigant auf ein Universum zurückblicken, das seinesgleichen sucht. Oft kopiert, aber nie erreicht. Und dann hat Produzent Kevin Feige es irgendwie geschafft, in einer Art «theory of everything» all das, was bisher geschaffen wurde, in einen einzigen Film zu packen.
Dass das geklappt hat, liegt nicht nur an der hervorragenden Regie der Gebrüder Anthony und Joe Russo. Immerhin waren sie es, die eine Filmstruktur gefunden haben, in der praktisch alle Marvel-Charaktere würdig vertreten sind. Nein – es liegt vorallem an Josh Brolins Thanos. Er ist der Motor, der das irrwitzig grosse Vehikel namens «Avengers: Infinity War» in Gang hält. Jede einzelne, unerbittliche Sekunde lang. Denn er ist grausam, nicht verzeihend und allmächtig. Wo Thanos war, da wächst nichts mehr nach.
Ausser im Kino. Denn da wächst die schier unaushaltbare Neugierde auf das nächste Avengers-Abenteuer, das uns voraussichtlich im Mai 2019 von den Kinositzen reissen wird.
Daher: Go, see it!


Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»