Produkttest

Besser dank SteamOS: das Lenovo Legion Go S im Test

Das Lenovo Legion Go S ist der erste Handheld, der offiziell das gleiche Betriebssystem erhält wie das Steam Deck. Damit lässt er Windows-Alternativen alt aussehen.

Windows 11 und Handhelds passen nicht zusammen. Das hat auch Microsoft eingesehen und mit zwei Asus-Geräten ein abgespecktes Windows vorgestellt. Ob das etwas wird, sehen wir allerdings erst in ein paar Monaten. Bereits seit drei Jahren marktreif ist dagegen SteamOS von Valve. Das Betriebssystem des Steam Decks läuft mit Linux und wurde im Vergleich zu Windows speziell für Handhelds entwickelt.

Nun erscheint mit Lenovos Legion Go S der erste portable Mini-PC, der offiziell mit SteamOS ausgestattet ist. Ursprünglich sollte diese Version günstiger ausfallen als die mit Windows, weil dort höhere Lizenzgebühren anfallen. Weil die Windows-Variante aber bereits seit ein paar Monaten erhältlich und der Preis gesunken ist, kosten nun beide Modelle praktisch gleich viel.

Beim Asus ROG Ally X (oben) habe ich SteamOS via Bazzite manuell installiert. Das Legion Go S (unten) ist wie das Steam Deck (mitte) von Werk aus damit ausgestattet.
Beim Asus ROG Ally X (oben) habe ich SteamOS via Bazzite manuell installiert. Das Legion Go S (unten) ist wie das Steam Deck (mitte) von Werk aus damit ausgestattet.

Anders als wenn du dir SteamOS manuell über die Linux-Distribution Bazzite auf deinen Handheld holst, musst du dir beim Legion Go S nicht die Finger schmutzig machen. Die Einrichtung könnte nicht einfacher sein. Wenn du bereits einen Steam-Account hast, musst du dich nach dem Aufstarten lediglich einloggen und das Gerät ist in wenigen Minuten einsatzbereit.

Solide Ausstattung

Mir ist noch kein Handheld untergekommen, den ich als schön bezeichnen würde – die Switch 2 eingeschlossen. Es ist wie bei Smartphones: Wenn der Bildschirm 90 Prozent der Fläche ausmacht, bleibt optisch nicht viel Spielraum. Lenovos Game-Klotz macht das Beste daraus, aber einen Design-Preis gewinnt er nicht. Da nützen auch die LEDs unterhalb der Analog-Sticks nichts. Die lassen sich übrigens ohne zusätzliches Plugin weder anpassen noch deaktivieren. Wichtiger ist aber ohnehin, was unter der Haube steckt:

  • Display: 8 Zoll, IPS, 1920 × 1200 Pixel, 500 Nits, 120 Hz
  • CPU: AMD Ryzen Z1 Extreme
  • RAM: 32 GB LPDDR5X-6400
  • Speicher: 1 TB M.2 2242 PCIe 4.0, microSD-Slot
  • TDP: 30 W
  • Akku: 55.5 Wh
  • Anschlüsse: 2 × USB-C 4.0, 3,5-mm-Kopfhörerbuchse
  • Verbindung: Bluetooth 5.3, Wifi 6E
  • Gewicht: 730 g
  • Sonstiges: Mini-Touchpad

Die Windows- und die SteamOS-Version des Legion Go S sind hardwaretechnisch identisch. Es gibt verschiedene Ausführungen bezüglich RAM, Speicher und CPU. Ich teste das Modell mit der AMD-CPU Ryzen Z1 Extreme. Die gleiche, die im Legion Go oder dem ROG Ally X steckt. Daneben gibt es eine günstigere Version mit dem Ryzen Z2 Go. Die restliche Ausstattung ist vergleichbar mit den meisten anderen Handhelds.

SteamOS statt Windows

Der wichtigste Kaufgrund für das Legion Go S ist SteamOS. Valve macht mit dem Steam Deck vor, wie ein Betriebssystem für einen Handheld auszusehen hat. Nun macht das Unternehmen das OS seit Kurzem auch für andere Geräte verfügbar. Lenovos Handheld ist der Erste, der offiziell in diesen Genuss kommt.

Das Nutzererlebnis ist dementsprechend identisch mit dem des Steam Decks. Es gibt keinerlei Bloatware, wie bei der Windows-Version. Mich begrüsst ein schlankes Interface, auf dem ich direkt meine Steam-Spiele installieren und starten kann. Über die Taste mit den drei Punkten rechts neben dem Display öffne ich die Schnelleinstellungen. Dort kann ich die Helligkeit anpassen, Chats starten oder Leistungsprofile auswählen. Letzteres ist einer der wenigen Unterschiede zum Steam Deck. Dort kann ich zwar manuell die Taktfrequenz der CPU oder den TDP einstellen, es gibt aber keine vordefinierten Leistungsprofile.

Abgesehen von den Leistungsprofilen ist SteamOS identisch zu dem auf dem Steam Deck.
Abgesehen von den Leistungsprofilen ist SteamOS identisch zu dem auf dem Steam Deck.

Auch ein Desktop-Modus steht zur Verfügung. Darüber installiere ich andere Launcher, wie Battle.net oder sonstige Software, die es nicht auf Steam gibt.

SteamOS ist Windows 11 deutlich überlegen. Die Navigation ist für Handhelds ausgelegt. Ich muss nicht auf viel zu kleine Icons drücken und mich durch eine überladene Oberfläche kämpfen. Auch der Standby-Modus funktioniert zuverlässig. Damit kann ich jedes Spiel zu jeder Zeit pausieren. Eine essenzielle Funktion für einen Handheld.

Der grösste Nachteil von SteamOS bleibt, dass ich Spiele im Xbox Game Pass höchstens streamen, aber nicht installieren kann. Auch die Anti-Cheat-Software einiger Multiplayer-Spiele kann Probleme verursachen. Und die Integration von anderen Launchers bleibt etwas umständlich. Da hat Windows nach wie vor die Nase vorn.

Flott unterwegs

Der AMD-Chip im Legion Go S ist nicht mehr der Neuste. Der ROG Ally X von Asus läuft ebenfalls mit dem Ryzen Z1 Extreme, genau wie das zwei Jahre alte Legion Go. Gegenüber Branchen-Primus Steam Deck ist das trotzdem eine deutliche Steigerung. Für den Vergleich habe ich den ROG Ally X mit Windows 11 und das Steam Deck OLED hinzugezogen. Letzteres löst maximal 1280 × 800 p auf. Das gilt es, bei der Übersicht zu beachten. Die anderen Geräte teste ich in der Auflösung 1920 × 1080p.

«Doom The Dark Ages» läuft sehr flott auf dem Legion Go S.
«Doom The Dark Ages» läuft sehr flott auf dem Legion Go S.

Das Legion Go S kann sich deutlich vom Steam Deck abheben – selbst bei höherer Auflösung. Auch gegenüber dem ROG Ally X mit dem identischen Prozessor liefert Lenovo höhere FPS. Das dürfte weniger an der grösseren Menge RAM (32 GB anstelle von 24 GB) als an SteamOS liegen, das ressourcenschonender ist als Windows 11.

Weder der Hellste noch der Knalligste

Gegenüber dem ersten Legion Go ist Lenovo zur Vernunft gekommen und hat die Auflösung von 2560 × 1600 Pixel auf verträglichere 1920 × 1200 Pixel reduziert. Scharf ist das Bild auf dem acht Zoll grossen IPS-Display immer noch. An das kontrastreiche Bild des Steam Deck OLED mit seinen perfekten Schwarzwerten kommt es nicht heran. HDR fehlt ebenfalls. Wenn du nicht wie ich den Direktvergleich machst, wirst du dennoch zufrieden damit sein. Auch die 500 Nits sind ausreichend, dass ich damit draussen einigermassen gut zocken kann. Aber auch hier liegt es deutlich hinter dem Steam Deck OLED, das nahezu 1000 Nits erreicht.

HDR gibt es nicht, dafür eine höhere Bildrate als das Steam Deck und VRR.
HDR gibt es nicht, dafür eine höhere Bildrate als das Steam Deck und VRR.

Dass der Bildschirm im Vergleich zum Legion Go nur noch 120 Hz statt 144 Hz hergibt, kann ich verkraften. Dafür ist er mit VRR ausgestattet, welches das Spielerlebnis bei schwankender Bildrate verbessert.

Die 2×2 Watt starken Lautsprecher klingen aber ordentlich, wenn auch leicht blechern. Für meinen Geschmack dürften sie ausserdem kräftiger sein.

Gross und doch handlich

Das Legion Go S sieht klobig aus und ist es auch. Mit einem Gewicht von 730 Gramm gehört es zu den schwersten Handhelds. Nur das noch grössere Legion Go bringt mit 854 Gramm mehr auf die Waage. Das Steam Deck OLED wiegt 640 Gramm und die Switch 2 gar nur 534 Gramm. Trotzdem finde ich das Legion Go S ergonomischer als Nintendos Konsole.

Die Griffe schwingen sich ähnlich wie beim Steam Deck um das Gehäuse. So kann ich es längere Zeit unverkrampft halten. Das Teil ist aber auch damit wuchtig. Ergonomie bleibt eine persönliche Angelegenheit. Für kleine Hände oder Kinder scheint mir das Legion Go S eher ungeeignet. Für mich reiht es sich knapp hinter dem Steam Deck ein.

Trotz Grösse und Gewicht liegt das Legion Go S gut in der Hand.
Trotz Grösse und Gewicht liegt das Legion Go S gut in der Hand.

Nur mässig zufrieden bin ich mit den Tasten. A, B, X, und Y sind mir etwas zu flach und die A-Taste hat auch schon das eine oder andere Mal ganz leicht geklemmt. Die vier Menütasten sind funktional, klicken sich aber nicht sonderlich befriedigend. Die Schultertasten wiederum klingen sehr laut und hohl. Ein Premium-Gefühl kommt hier nicht auf. Den Auslöseweg der Trigger-Tasten kann ich über einen Regler auf der Rückseite verkürzen. Das ist bei Action-Games, die schnelle Reaktion erfordern, von Vorteil.

Ausserdem gibt es zwei Zusatztasten auf der Rückseite. Die sind für meine Mittelfinger perfekt positioniert. Ich hätte mir aber noch zwei weitere gewünscht, wie sie das Steam Deck bietet.

Eine Enttäuschung ist das kleine Viereck unterhalb des rechten Analog-Sticks, das wie ein Fingerabdruckscanner aussieht. Dabei handelt es sich aber um ein Touchpad. Nett, dass Lenovo verstanden hat, dass so etwas zur Standardausrüstung eines PC-Handhelds gehört. Doch durch die mickrige Grösse und die mangelnde Präzision ist es zum Gamen praktisch nutzlos. Ich benutze es höchstens im Desktop-Modus, wenn ich etwas auswählen muss.

Das Touchpad ist für nichts.
Das Touchpad ist für nichts.

Nicht der Leiseste oder Ausdauerndste

Im Leistungsprofil, mit dem der Handheld die maximale Performance bringt, ist der Lüfter deutlich hörbar. Es gibt zwar kein nerviges Pfeifen, aber in ruhiger Umgebung und ohne laute Spielgeräusche kann das Geräusch stören. Sowohl das Steam Deck als auch der ROG Ally X sind leiser, respektive benötigen länger, bis ich den Lüfter wahrnehme.

Die Lüfter sind auf voller Leistung hörbar, aber erträglich.
Die Lüfter sind auf voller Leistung hörbar, aber erträglich.

Der Akku verfügt über 55,5 Wattstunden (Wh). Das ist minimal mehr als beim Steam Deck, welches allerdings ein kleineres Display und eine niedrigere Auflösung besitzt. Der Ally X bietet stolze 80 Wh. Entsprechend ist auch die Akkuleistung des Legion Go S nicht überragend. Knapp 90 Minuten hält es bei «Cyberpunk 2077» bei maximaler Helligkeit. Der ROG Ally X hält 10 Minuten und das Steam Deck OLED ganze 40 Minuten länger durch.

Fazit

Das Lieblingskind

Man soll all seine Kinder gleich behandeln. Wenn ich mir die zwei Legion-Go-S-Geschwister anschaue, muss ich aber der SteamOS-Version klar den Vortritt geben. Sorry, Windows, ich habe dich auch lieb, aber du musst leider zu Hause bleiben.

Nicht nur laufen die meisten Spiele schneller, auch das Nutzungserlebnis ist um Längen besser als mit Microsofts Betriebssystem. Ich bin gespannt, was sich dort dieses Jahr mit dem ROG Xbox Ally entwickelt. Bis dahin gehört der Legion Go S zu den besten PC-Handhelds auf dem Markt.

Das Spielgerät bleibt trotz beachtlicher Grösse einigermassen handlich. Das IPS-Display ist zwar nicht das hellste und schafft kein HDR, dafür reagiert es schnell und besitzt VRR. Der Akku hätte gerne etwas stärker ausfallen dürfen. Trotzdem bekommst du viel Handheld für dein Geld. Wenn du richtige Touchpads möchtest und dafür auf Leistung verzichten kannst, bleibt das Steam Deck die beste Alternative. Oder du wartest ab, was das Legion Go 2 abliefert. Dort gibt es sogar einen OLED-Screen.

Pro

  • SteamOS vorinstalliert
  • schneller als die Windows-Version
  • einigermassen handlich

Contra

  • gewinnt keinen Design-Preis
  • fast unbrauchbares Touchpad
  • mässige Akkuleistung
  • kein OLED oder HDR
Lenovo Spielkonsole Legion Go S 8APU1, Altersfreigabe ab: Ohne
Spielkonsole

Lenovo Spielkonsole Legion Go S 8APU1, Altersfreigabe ab: Ohne

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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