Blade Runner 2049: 35 Jahre von der Frage zur Antwort
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Blade Runner 2049: 35 Jahre von der Frage zur Antwort

Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker «Blade Runner» gehört zu den grossen Filmen der Geschichte Hollywoods. Heute kommt die Fortsetzung ins Kino. Fans und Filmbegeisterte sind nervös. Lohnt sich der Film? Macht er den ersten Teil kaputt? Hier die Antworten.

Wer den Werdegang des Hollywood-Films «Blade Runner 2049» verfolgt hat, der wird vor allem eines wissen. Oder eben nicht wissen. Worum geht es im Film, in dessen Hauptrollen Ryan Gosling als unbekannt und Harrison Ford als Deckard auftreten, überhaupt? Die Trailer sind vage, die Informationen online spärlich. Sogar das animierte Prequel zum Sequel gibt nicht viel her.

Das ist Absicht. An der europaweiten Premiere im Zürcher Kino Corso hat Regisseur Denis Villeneuve in einer Videobotschaft und einer danach eingeblendeten Textbotschaft die Zuschauer darum gebeten, nicht nur Spoiler zu vermeiden, sondern gar nicht erst über den Plot des Films zu reden. Der Grund: Villeneuve will die Erfahrung des Films für jeden Zuschauer so intakt und frisch wie möglich halten.

Blade Runner 2049 wurde am Zurich Film Festival als eine der ersten Vorpremieren gezeigt

Daher komme ich der Bitte gerne nach. Egal, was ich jetzt schreibe, ich verrate nichts oder nur Minimales über den Plot des Films. So viel wie nötig, so wenig wie möglich heisst die Devise. Daher sind hier sicher auch keine Spoiler.

Das grosse Aufatmen

Nachdem der Abspann bis zur letzten Sekunde gelaufen ist und die Lichter im Saal des vom Zurich Film Festival in Beschlag genommenen Kino Corso wieder angingen, entfährt mir ein «Wow». So einen Film habe ich schon lange nicht mehr gesehen.Und ich habe am vergangenen Wochenende als Vorbereitung auf «Blade Runner 2049» den ersten Teil, «Blade Runner» aus dem Jahre 1982, angesehen. Im Final Cut, wohlbemerkt, denn alle anderen Schnitte sind mehr oder weniger schlecht. Der Final Cut ist der Schnitt, der laut Ridley Scott am ehesten seiner Vision entspricht.

Genau dort, bei der Vision des Regisseurs, kommt auch ein kritischer Punkt ins Spiel. «Blade Runner 2049» wurde nicht mehr von Ridley Scott verfilmt. Auf dem Regiestuhl hat der französisch-kanadische Denis Villeneuve Platz genommen. Doch die Sorge ist nicht nur unbegründet, sondern Villeneuve, der in der jüngeren Vergangenheit tolle Filme wie «Sicario» oder «Arrival» abgeliefert hat, verwandelt das in die grösste Stärke des Films. «Blade Runner 2049» ist definitiv ein Film im Blade-Runner-Universum und könnte nirgendwo anders hingehören. Dennoch sieht der Film vollkommen anders aus und erzählt eine komplett neue Geschichte.

Villeneuve weiss genau, wo die Wurzeln des Films sind, und er imitiert einige Szenen Frame für Frame. Die Szene, in der Deckard anno 1982 ins Polizeihauptquartier geht findet in komplett anderem Kontext auch mit Ryan Goslings Charakter statt. Ebenso das Intro der 1982er-Version wird in neu aufgelegter Version gezeigt. Wenn Villeneuve die Szenen des alten Films aufnimmt, dann wirken sie aber nie fad und wie kalter, wiederaufgewärmter Kaffee, sondern sie erhalten einen neuen Kontext und eine neue Bedeutung.

Dazu hat der Film auch Seitenhiebe auf andere Blade-Runner-Teile verpackt. Am auffälligsten ist da eine Figur, die der Lucy aus dem Blade Runner Videospiel aus dem Jahre 1997 zum verwechseln ähnlich ist.

Die Figur der Lucy aus dem 1997er-Videospiel

Dem Aufbau und dem Plot des Films folgend kann das kein Zufall sein. Genau wie der Rest des Films. Nichts wirkt zufällig oder beliebig. Alles ist geplant und ist absichtlich so platziert, wie es platziert ist.

Starke Emotionen von abwesenden Charakteren

Ein Kernelement des ersten Films hat Villeneuve aber übernommen und bleibt dabei: Alle seine Charaktere zeigen sich von ihrer emotional kältesten Seite. Genau wie Deckard und Rachael (Sean Young) im ersten Teil sich Wortgefechte ohne jegliche Inflektion liefern, spricht Ryan Goslings Figur mit seiner Liebsten. Besagte Liebste, übrigens, ist die einzige, die offen Emotionen zeigt. Aber auch das hat seinen Grund.

Die Emotionen im Film sind, wie bei allen grossartigen Filmen, nicht zwingend auf der Leinwand zu finden, sondern in den Köpfen der Zuschauer. Auch wenn Ryan Gosling selten nur mal lächelt, wenn er das überhaupt mal tut, so wissen die Zuschauer zu jedem Zeitpunkt genau, wie er sich fühlt. So treffen die dramatischen Momente so richtig ins Herz und die Leinwand verschwimmt schnell. Ich tauche in den Film ein.

Einzig nicht so recht in den Film passen will Jared Letos Figur. Dort scheinen die Autoren des Films einfach nicht so ganz sicher gewesen zu sein, was er denn sein soll und was seine Motive sind. Bei allen anderen Figuren sind diese Punkte glasklar, entweder durch Handlungen oder durch Exposition. Nur bei Leto fehlt das irgendwie. Klar, er brabbelt früher oder später etwas, das einer Motivation gleichkommen könnte, aber das hinterlässt nur einen komischen Nachgeschmack und hochgezogene Augenbrauen. Glücklicherweise aber machen das alle anderen Figuren wieder wett, sogar die wortkarge Gehilfin Letos.

Kurz: Blade Runner bleibt sich selbst treu und erfindet sich gleichzeitig neu. Die Entscheidung, dass Ridley Scott nicht mehr auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, ist wohl eine der besten Entscheidungen für die Fortsetzung. Villeneuve versteht Blade Runner, genau wie die Schauspieler im Film.

Schau ihn dir an. Bitte. Der Film ist grossartig.

Ah ja, eins noch am Rande. Gaff (Edward James Olmos) weiss immer noch wesentlich mehr, als er zugibt. Bei Interesse kann ich dir gerne erklären, wer Gaff ist und warum er die wohl beste Figur beider Filme ist.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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