Hintergrund

Das neue rote iPhone hinterfragt

Apple hat ohne grosses Brimborium ein neues iPhone veröffentlicht. Der einzige Unterschied zum iPhone 7 ist, dass es jetzt rot ist. Aber das Produkt selbst ist nur die halbe Geschichte. Spannend wird die Frage nach dem Zweck der vom iPhone unterstützten Charity.

Keine Keynote, kein Announcement, nur eine kurze Medienmitteilung. Voilà, iPhone neu und iPad auch neu. Das wars. Einfach so. Apple hat sich mit seinem jüngsten Produktrelease selbst untertroffen. Sind die Zeiten von grossen Keynotes mit Publikumsgejubel vorbei? Oder haben die Männer und Frauen um Apple-CEO Tim Cook Mühe damit sich, als öffentliche Figuren und Präsentierende in der Ära Post-Jobs neu zu erfinden? Oder suchen sie einfach eine Alternative zur mittlerweile abgedroschenen Phrase «Best ever» zu finden? War das der Grund, weshalb keine Keynote oder etwas ähnliches abgehalten wurde?

Wie dem auch sei, neue Apple-Produkte. Das iPad werde ich jetzt einfach mal so fest ignorieren wie Apple das tut, denn – wenn ich einfach mal der Beiläufigkeit des Releases nach gehe – dem Konzern aus Cupertino scheint das eigene Tablet egal zu sein. Gut, verständlich, weil Tablets haben sich nicht als die grosse Revolution in Sachen Personal Computing herausgestellt, wie sich das manch ein Hersteller erhofft hat. Darum heisst das Teil auch nicht mehr «iPad Air» oder «New iPad». Sondern einfach nur «iPad». Von mir aus. Ich bin mir aber sicher, dass es die gewohnte Qualität Apples liefert und besser ist als der Vorgänger. «Best ever» halt.

Apple iPhone 7 (128 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G)

Apple iPhone 7

128 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Apple iPhone 7 (128 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Apple iPhone 7

128 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Apple iPhone 7 (256 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Apple iPhone 7

256 GB, (PRODUCT)​RED, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Apple iPhone 7 Plus (128 GB, (PRODUCT)​RED, 5.50", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Apple iPhone 7 Plus

128 GB, (PRODUCT)​RED, 5.50", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Apple iPhone 7 Plus (256 GB, (PRODUCT)​RED, 5.50", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Apple iPhone 7 Plus

256 GB, (PRODUCT)​RED, 5.50", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Spannender wird es, wenn wir das neue iPhone ansehen. Das iPhone (PRODUCT)RED. «Red» müsste hier hochgestellt sein, aber das kann unsere Website aktuell noch nicht. Und sowieso, wenn wir denn noch das obligate ™ hinten anhängen wollen, dann wären wir zwei Ebenen höher als Text. Also: «Product Red» im Rest des Artikels.

Das undurchsichtige Charity-iPhone

Das iPhone Product Red ist ein Gerät, das Apple unter anderem aus wohltätigen Zwecken auf den Markt gebracht hat. Mit dem Smartphone unterstützt der Konzern das Aids-Hilfswerk (RED). Auch hier wieder hochgestellte ™ oder © oder ®. Darum im Folgenden Red oder Project Red. Interessant hier wird, dass nirgends ein Satz fällt wie «Vom Erlös dieses iPhones gehen X Franken an Red», egal in welcher Sprache ich die Pressemitteilung ansehe. Besagte Pressemitteilung übrigens ist ein Alptraum zu lesen.

Das iPhone Product Red ist knallig rot und polarisiert.

CUPERTINO, California — March 21, 2017 — Apple® today announced iPhone® 7 and iPhone 7 Plus (PRODUCT)RED Special Edition in a vibrant red aluminum finish, in recognition of more than 10 years of partnership between Apple and (RED). This gives customers an unprecedented way to contribute to the Global Fund and bring the world a step closer to an AIDS-free generation. The special edition (PRODUCT)RED iPhone will be available to order online worldwide and in stores beginning Friday, March 24. – Apple.com

Das kann ja keiner lesen. In meiner Ausbildung zum Journalisten ist mir beigebracht worden, dass es Gründe gibt, weshalb wir keine Eigenschreibweisen übernehmen. Und wenn, dann nur im Extremfall. Auch Copyright-Hinweise und Ähnliches werden konsequent ignoriert. Denn sonst bekommst du einen Alptraum aus Klammern, Gross- und Kleinschreibung, Binnenmajuskeln und sonstigem typografischen Unsinn. Am Ende leidet das Wichtigste an jedem Text: Der Lesefluss. Autoren achten immer darauf, dass Leserinnen und Leser sich im Text einfach zurechtfinden. Das ist in der obigen Apple-Pressemitteilung definitiv nicht der Fall. Ich will mich schon gar nicht durch den ganzen Marketing-Blödsinn durchquälen.

Aber ich habe es trotzdem getan. Für dich, lieber Leser.

Der Satz, der die höhe des karitativen Beitrags pro verkauftem iPhone benennt, ist absent. Spendet Apple überhaupt etwas?

“Apple is the world’s largest corporate donor to the Global Fund, contributing more than $130 million as part of its partnership with (RED),” said Deborah Dugan, (RED)’s CEO. “Combining the global reach of the world’s most loved smartphone with our efforts to provide access to life-saving ARV medication in sub-Saharan Africa, customers now have a remarkable opportunity to make a difference and contribute to the Global Fund through the purchase of this new beautiful (PRODUCT)RED iPhone. – Apple.com

Gut, Apple hat also mindestens 130 Millionen US Dollar seit Project Reds Gründung gespendet. Endlich eine Zahl. Bevor wir etwas Mathematik machen, lass uns doch mal sehen, wer Project Red denn eigentlich ist. Denn in der Schweiz ist Project Red weniger bekannt. Greenpeace oder den WWF muss ich hierzulande nicht erklären, da diese Organisationen sich ins Bewusstsein der Schweizer eingebrannt haben. Gut so.

Die junge Charity

(RED), oder Project Red, wurde im Jahre 2006 von U2-Sänger Bono gegründet, der selben Band, die dir im Jahr 2014 ein Album einfach mal so in deine iTunes-Bibliothek geladen hat.

Das Album Songs of Innocence war ungewollt und nervig

Wenn Bono dich nicht um deine Nerven singt, dann nimmt er eine Rolle ein, die bestenfalls als «Umweltnervensäge» bezeichnet werden kann. Er setzt sich für Menschen- und Tierrechte ein sowie den Umweltschutz. Er gibt nicht nach, nervt die Grossen und Reichen dieser Welt. Normalbürgern dürfte er höchstens damit auf den Nerv gehen, dass er nicht mit seiner Nerverei aufhört. Gut so.

Der Markenname Product Red wird verkauft, der Erlös teilweise gespendet

Das Konzept Reds ist einfach: Sie verkaufen die Namensrechte am Begriff (PRODUCT)RED – hochgestellt, natürlich – und streichen dafür bis zu 50% des Gewinns, der durch den Verkauf des roten Produkts erzielt wird, ein. Das Geld wird dann dafür aufgewendet, in Afrika Aids zu bekämpfen. Das Geld geht an den «Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria», abgekürzt wohl so etwas wie GFFATM, weil der Name ist ja noch schlimmer als Product Red. Damit bekommen Kunden ein rotes Gerät und Red Hilfe im Kampf gegen das Virus. Gut so.

Bisher haben unter anderem mitgemacht:

  • Apple
  • U2
  • Beats by Dre, Tochterfirma Apples
  • Nike
  • Starbucks
  • Canon
Apple Sportarmband (PRODUCT)RED (38 mm, Fluorelastomer)
Uhrenarmband
–29%
66,90 EUR statt 93,77 EUR

Apple Sportarmband (PRODUCT)RED

38 mm, Fluorelastomer

Beats Solo3 Wireless (40 h, Kabelgebunden)
Kopfhörer

Beats Solo3 Wireless

40 h, Kabelgebunden

Auch gut so.

Karitatives unter Beschuss

Aber Project Red kommt nicht ohne Kritik aus. Hauptsächlich wird der U2-Charity vorgeworfen, viel zu viel Geld für PR-Aktionen aufzuwenden und vergleichsweise wenig an den Global Fund abzuzweigen. Mit dieser Kritik sieht sich jede karitative Organisation früher oder später konfrontiert und jede Charity hat früher oder später ein Argument dagegen, das stichhaltig und, wenn manchmal auch nicht logisch, zumindest plausibel ist.

Interessanter sind aber die sozialen Kritikpunkte, mit denen sich Project Red konfrontiert sieht. Denn Kritiker werfen Bonos Hilfswerk vor, dass es den karitativen Gedanken vernachlässigt. Jessica Wirgau, Professor am Virginia Politechnic Institute, hat im Jahre 2010 harte Kritik ausgesprochen. Die Produkte mit Product Red hätten zwar Gutes bewirkt, in dem sie finanzielle Mittel an Notbedürftige abwerfen, vernachlässige aber das Schaffen des Verständnisses in der ersten Welt. Zwischen Spender und Empfänger gebe es keine Beziehung, führt die Professorin aus. Andere Forscher blasen ins selbe Horn. Product Red verrate seine eigenen Ideale und den Zweck einer wohltätigen Organisation.

Red verpasst nicht nur die Möglichkeit, ziviles Engagement seines Publikums zu fördern, sondern… gibt Unternehmen die Möglichkeit die Macht über Spenden und deren Höhe zu erlangen. – Wirgau, Jessica (2010). "Is Business Discourse Colonizing Philanthropy? A Critical Discourse Analysis of (PRODUCT) RED.". Voluntas: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations.

Weitere Kritikpunkte umfassen die fehlende Nachhaltigkeit des Verkaufsmodells, zu viel Geld gehe an Pharmakonzerne, die dann ihre Medikamente verkaufen, dass Project Red als Ganzes nur ein Marketing-Gimmick sei. Dazu der Vorwurf, dass die Spendenhöhe von 50% des Gewinns weit übertrieben ist.

Daher: Etwas Mathematik.

Rechnen wir Apples Spende aus

Es ist schwierig, zu sagen, wie hoch der Gewinnanteil Apples ist, der an Project Red geht. Denn aus obigem Zitat geht nur hervor, dass Apple insgesamt 130 Millionen US Dollar gespendet hat.

Einfacher ist es, herauszufinden, wie hoch der Reingewinn Apples ist. In einer Pressemitteilung vom Oktober 2016 gibt der Konzern an, im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2016 insgesamt 9 Milliarden Dollar als Gewinn erwirtschaftet hat. Die Gesamteinnahmen liegen übrigens bei 46.9 Milliarden.

Im Video habe ich die Überschlagsrechnung von 12 Millionen pro Jahr gemacht, aber hier kann ich mathematisch exakt arbeiten. Damit wir vom selben Zeitraum sprechen, müssen wir eine Quartalsspende Apples ausrechnen, gerundet auf zwei Stellen nach dem Komma.

130’000’000/11/4 = 2’954’545.45

Und jetzt ein Dreisatz.

9’000’000’000 → 100%

2’954’545.45 → x

Lösen wir nach x:

x = 100/9’000’000’000*2’954’545.45 = 0.03

Daher spendet Apple, wenn der Gewinn in den vergangenen Jahren statisch bei 9 Milliarden pro Quartal liegt, 0.03% des Gewinns, Product Red oder nicht. Mein erster Gedanke bei dieser Zahl, speziell im Kontext der Ansage, dass bis zu 50% des Gewinns aus den Product-Red-Produkten an Project Red geht, war «Ist schon etwas mickrig».

Aber rechnen wir mal weiter. Zum einen mache ich einen Rechnungsfehler. Ich nehme den Gesamtgewinn Apples, nicht der Gewinn, der aus Product-Red-Produkten kommt. Wenn ich nur Product Red berücksichtigen würde, dann wäre die Prozentzahl wohl wesentlich höher.

Zum andern ist eine theoretische Quartalsspende von 2’954’545.45 Dollar, also 11’818’181.80 Dollar pro Jahr, doch eine stattliche Summe.

Zum Vergleich: Der Schweizer Durchschnittslohn lag 2015 bei umgerechnet 64’100 US Dollar. Wie lange muss wohl der durchschnittliche Schweizer arbeiten, wenn er 100% seines Lohnes spenden würde, um auf eine Jahresspende von 11’818’181.80 Dollar zu kommen?

11’818’181.80/64’100 = 184,37

Wem die 184 Jahre und 4 Monate Arbeit zu viel sind: Ein Schweizer müsste 46 Jahre, 32 Tage, 20 Stunden und 20 Minuten arbeiten um auf die Quartalsspende von 2’954’545.45 Dollar zu kommen.

Der Vorteil einer statischen Spende

Warum aber scheut Apple vor Aussagen wie «x Dollar pro iPhone gehen an Project Red» zurück, versteckt Schlüsselaussagen hinter einem Wall aus unleserlichem Marketingsprech und hält sich generell bedeckt? Vielleicht weil Apple einen Deal mit Red ausgehandelt hat, der der wohltätigen Organisation eine fixe Spende pro Jahr zukommen lässt. Eine solche bietet sich bei einer längerfristigen Zusammenarbeit daher an, dass die Charity besser budgetieren kann und nicht von der Kauflaune der Kunden abhängig ist. Denn für Apple sind die 0.03% Pappenstiel während ein 1000 Franken teures iPhone für Kunden doch eine rechte Auslage sind.

Ferner kann Jessica Wirgaus Argument auch umgedreht werden. Wie viele Menschen gibt es, denen Aids entweder komplett egal ist oder sie nur grade so stark beschäftigt, dass sie sich zum Satz «Ja, ist schon schlimm» hinreissen lassen ohne aber eine Spende in Erwägung zu ziehen? Wenn diese Leute jetzt aber ein neues iPhone wollen und ihnen das Product Red optisch gut gefällt, dann können sie sich eines kaufen und machen zufällig nebenher noch etwas Charity. Dann kann ihnen das Hilfswerk total schnurz sein, aber sie helfen trotzdem, weil sie ihr rotes iPhone wollen.

Apropos iPhone Product Red: Schauen wir uns das Gerät etwas genauer an.

Das rote iPhone

Das iPhone Product Red kann am besten so verstanden werden, dass es ein iPhone 7 oder 7 Plus ist, in dem alle Metallteile aus rotem Metall bestehen. Die Vorderseite, die aus Plastik besteht, ist weiss. Über die Design-Entscheidung scheiden sich die Geister. Hauptsächlich wünschen sich die User, die die weisse Vorderseite kritisieren eine schwarze Front. Youtuber JerryRigEverything hat sich diesen Wunsch zu Herzen genommen und sich ein solches iPhone gebaut. Er hat dabei einige Tücken festgestellt, vor allem wenn es um den Home Button geht. Dieser darf unter keinerlei Umständen ausgetauscht werden, denn wenn dieser ausgetauscht wird, verliert der Knopf an Funktionalität.

Technologisch ist das iPhone Product Red identisch mit dem im September vorgestellten iPhone 7 beziehungsweise dem 7 Plus. Auch wenn das iPhone 7 in der Tech-Szene nicht für grosses Aufsehen gesorgt hat, es ist doch ein solides Upgrade gegenüber dem iPhone 6. Anders als die ganz neuen Modelle des Frühjahrs 2017 erfindet das iPhone Product Red nichts neu, macht aber alles so gut, wie es das iPhone 7 am Tag der Veröffentlichung getan hat. Sprich: Ein gutes Phone, einfach hinten rot.

Fragen über Fragen

In diesem Artikel habe ich eine Menge Fragen aufgeworfen. Einige davon habe ich Apple gestellt. Ich wollte wissen, wieso es keine Keynote oder ähnliches zum Produktrelease gegeben hat. Zudem habe ich mich nach der Art der Zusammenarbeit, vor allem auf finanzieller Ebene, von Apple und Red erkundigt.

Andrea Brack, PR Managerin bei Apple Schweiz, hat binnen kurzer Zeit geantwortet:

Besten Dank für Ihre Anfrage. Das iPhone (PRODUCT) RED ist eine Erweiterung der iPhone 7 Product line und wurde per Medienmitteilung angekündigt:
Apple.com

  • Im Press Release finden Sie auch Informationen zu Apple’s Engagement für den Global Fund, mit jedem Kauf eines (PRODUCT) RED geht ein Teil des Verkaufserlöses an den Fund. Wie Sie dem Press Release entnehmen können: "Apple ist der weltweit größte Spendengeber für den Global Fund und hat als Teil der Partnerschaft mit (RED) bisher über 130 Millionen US-Dollar beigesteuert", sagt Deborah Dugan, CEO von (RED).

Apple kommuniziert keine weiteren Details, Danke für Ihr Verständnis.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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