Die Radeon RX 7900 XTX lässt mich kalt
Produkttest

Die Radeon RX 7900 XTX lässt mich kalt

Kevin Hofer
26.12.2022

AMDs aktuelles Grafikkarten-Flaggschiff stellt sich im Test dem Nvidia-Gegenstück. Nur in einem Bereich kann die Karte gleichziehen. In einem anderen holt sie sich immerhin den Trostpreis.

Mit der RX 7900 XTX verliert AMD wieder den Anschluss an Nvidia. Sie kann nicht mit der RTX 4080 mithalten. Ist sie deshalb eine schlechte Grafikkarte? Nein, aber sie krankt am selben Defizit wie alle neuen Modelle: Sie ist zu teuer.

Design und Anschlüsse: Jö

Die RX 7900 XTX wirkt im Vergleich zu RTX 4090 und RTX 4080 geradezu niedlich. Mit 28,7 × 13,5 × 5,1 Zentimetern dürfte die Karte auch in kleinere Systeme passen als die Schlachtschiffe von Nvidia. Drei 85 Millimeter Lüfter und ein Kühlkörper sollen die Temperaturen tief halten. Die Karte verfügt über zwei Beleuchtungszonen: oberhalb und unterhalb des mittigen Lüfters. Insgesamt wirkt sie gut verarbeitet und sieht schlicht aus.

Im Tierreich müsste sich die Radeon RX 7900 XTX (unten) von der GeForce RTX 4080 (oben) verstecken.
Im Tierreich müsste sich die Radeon RX 7900 XTX (unten) von der GeForce RTX 4080 (oben) verstecken.
Quelle: Kevin Hofer

Die RX 7900 XTX nutzt die PCIe-4.0-Schnittstelle. Sie bietet einen HDMI-2.1-Anschluss und zwei DisplayPort-2.1-Anschlüsse. Mit dem ersten sind bis zu 7680 × 4320 Pixel mit 60 Hz möglich. Mit dem zweiten sogar 10 240 × 4320 mit 60 Hz. Ein USB-C-Anschluss rundet die Konnektivität ab.

Spezifikationen: Erste Grafikkarte mit Chiplet-Design

Die Radeon RX 7900 XTX setzt auf die dritte Generation der RDNA-Grafikarchitektur (RDNA3). Neu bei der 7000er-Serie ist das Chiplet-Design. Dabei wird die Grafikeinheit nicht in einem monolithischen Verfahren gefertigt, sondern setzt sich aus sogenannten Chiplets zusammen. Die zentrale Recheneinheit, die sogenannte Graphics Compute Die (GCD), wird im 5-nm-Verfahren bei TSMC gefertigt. Sie profitiert vom fortschrittlichen Fertigungsverfahren. Komponenten wie der L3-Cache oder Speichercontroller, die sogenannten Memory Cache Die (MCD), profitieren weniger davon. Deshalb werden sie im 6-nm-Verfahren bei TSMC gefertigt. Diese einzelnen Elemente werden dann zur GPU zusammengeführt. Dadurch sollen die Produktionskosten gesenkt werden.

Das Chiplet-Design ist nicht die einzige Innovation. Die Navi-31-GPU, welche die RX 7900 XTX befeuert, verfügt über 96 Recheneinheiten, das sind 20 Prozent mehr als bei der Vorgängergeneration. Sie sollen bei gleichem Takt 17,4 Prozent höhere Instruktionen pro Zyklus (IPC) ermöglichen. Insgesamt beträgt der Leistungszuwachs gemäss AMD so bis zu 54 Prozent. Hier die Spezifikationen auf einen Blick:

Sapphire AMD Radeon RX 7900 XTXAsus Tuf Gaming GeForce RTX 4080 OCAsus Rog Strix GeForce RTX 4090 OCNvidia GeForce RTX 3090
Architektur und FertigungRDNA 3.0 Navi 31 TSMC 5 und 6 nmAda Lovelace AD103-300-A1 TSMC N4Ada Lovelace AD102-300 TSMC N4Ampere GA102-300-A1 Samsung 8 nm
Shader-Einheiten614497281638410496
TMUs / ROPs384 / 192304 / 112512 / 128328 / 112
Basistakt1855 MHz2205 MHz2230 MHz1395 MHz
Boosttakt2499 MHz2625 MHz2520 MHz1695 MHz
Speicher24 GB GDDR616 GB GDDR6X24 GB GDDR6X24 GB GDDR6X
Speicherbus384 bit256 bit384 bit384 bit
Speicherbandbreite960 GB/s716.8 GB/s1008 GB/s936.2 GB/s
TDP355 Watt320 Watt450 Watt350 Watt

Testsetup und Methode

Folgende Komponenten verwende ich für das Review. Sie wurden mir von den Herstellern für die Tests zur Verfügung gestellt:

Intel Core i9-13900K (LGA 1700, 3 GHz, 24 -Core)
Prozessor
562,45 EUR

Intel Core i9-13900K

LGA 1700, 3 GHz, 24 -Core

ASUS ROG Maximus Z790 Hero (LGA 1700, Intel Z790, ATX)
Mainboard
589,30 EUR

ASUS ROG Maximus Z790 Hero

LGA 1700, Intel Z790, ATX

G.Skill Ripjaws S5 (2 x 16GB, 6000 MHz, DDR5-RAM, DIMM)
RAM
133,89 EUR

G.Skill Ripjaws S5

2 x 16GB, 6000 MHz, DDR5-RAM, DIMM

Crucial P5 (1000 GB, M.2 2280)
SSD

Crucial P5

1000 GB, M.2 2280

PNY XLR8 CS3030 (1000 GB, M.2 2280)
SSD

PNY XLR8 CS3030

1000 GB, M.2 2280

Das System läuft auf Windows 11 in der Version 21H2 (22000.1098). Ich verwende die BIOS-Version 0502 und aktiviere XMP. Sonst lasse ich alles auf Standard, Resizable BAR ist deaktiviert. Bei der Grafikkarte verwende die Version 22.12.2 des Treibers.

Hier zum Überblick die verschiedenen Benchmarks:

  • Games: «Anno 1800», «Forza Horizon 5», «Assassin’s Creed: Valhalla», «Civilization VI», «Cyberpunk 2077», «Far Cry 6», «Gears of War 5», «Red Dead Redemption 2», «Shadow of the Tomb Raider»
  • Games mit Raytracing: «Cyberpunk 2077», «Far Cry 6», «Shadow of the Tomb Raider»
  • Fire Strike / Fire Strike Ultra
  • Time Spy / Time Spy Extreme
  • Blender Benchmark
  • Photoshop
  • Premiere
  • PCMark 10

Alle Benchmarks mache ich dreimal und nehme das beste Ergebnis. Bei den Games verwende ich die höchstmöglichen Voreinstellungen. Sonst lasse ich bis auf die Auflösung alles auf Standard. DLSS oder FSR lasse ich deaktiviert. In diesem Review interessiert mich bei den Games die Rasterization- und Raytracing-Leistung ohne zusätzliche Hilfsmittel.

Games: Bei Rasterizer-Spielen beinahe Gleichschritt mit Nvidia

Auf den folgenden Slides siehst du das arithmetische Mittel der Frames per Second (FPS) der neun Benchmark Games im Vergleich zur Konkurrenz von Nvidia. Klickst du in den Galerien weiter, siehst du die Resultate der einzelnen Spiele.

In den Auflösungen 1080p und 2160p nehmen sich die RX 7900 XTX und die direkte Konkurrentin RTX 4080 nichts. Nur in 1440p muss sich AMD um knapp zwei Prozent geschlagen geben. Gegenüber dem ehemaligen Nvidia-Flaggschiff RTX 3090 ist die AMD-Karte um 10, 12 und 14 Prozent besser. Wie bereits von AMD selbst angekündigt, reicht es nicht für einen Schlagabtausch mit der RTX 4090. Hier liegt die 7900 XTX in UHD 23 Prozent zurück.

Immerhin holt sich die AMD-Karte einen Trostpreis. Bei den Frametimes in Perzentilen liegt sie vor der RTX 4080. Die Messwerte der Perzentile sind klassisch in Millisekunden gemessene Frametimes. Also die zeitlichen Abstände von Bild zu Bild. 99 Perzentil bedeutet, dass 99 Prozent aller Messwerte schneller als der angegebene Messwert sind. Kurz: Mit der RX 7900 XTX hatte ich in den Tests weniger Ruckler als mit der RTX 4080.

Bei den drei Raytracing-Games hat die RX 7900 XTX keine Chance. Sie liegt zwischen elf Prozent in 2160p- und 18 Prozent in 1080p-Auflösung hinten. In «Shadow of the Tomb Raider» und «Far Cry 6» sind die Unterschiede über alle Auflösungen hinweg nicht so enorm wie in «Cyberpunk 2077». Das liegt daran, dass in den beiden ersten Games nur Schatten respektive Schatten und Reflexionen ray-traced sind. In Cyberpunk hingegen sind es zusätzlich Umgebungsverdeckung und Beleuchtung. Das belastet die Grafikkarte stärker.

Fire Strike, Fire Strike Ultra, Time Spy und Time Spy Ultra

In den synthetischen Game-Benchmarks von 3DMark werden spielähnliche Szenarien gerendert. Daraus berechnen sie einen Score, der die theoretische Leistung in Games angibt. Ich gebe dir ausschliesslich die Werte der Grafikkarte an. Dies, weil ich bei der Overall-Wertung immer wieder grosse Unterschiede in den Tests habe. In der Grafik siehst du das arithmetische Mittel der vier Benchmarks.

Ausser im Fire Strike Benchmark liegt die RX 7900 XTX immer vor der RTX 4080. Die Unterschiede sind jedoch gering und betragen über die vier Benchmarks hinweg lediglich 1,5 Prozent.

Produktivitäts-Benchmarks

Die Produktivitäts-Benchmarks testen die Leistung der Grafikkarten und des gesamten Systems in verschiedenen Situationen. Der Blender Benchmark rendert in der Version 3.4 drei Szenen in der 3D-Grafiksuite und errechnet daraus drei Scores. Ich rechne diese jeweils zu einem Endscore zusammen. Beim Photo Editing Benchmark und Video Editing Benchmark UL Procyon werden verschiedene Workloads in der Adobe Creative Suite simuliert. Am Schluss berechnet der Benchmark einen Score. Der Übersichtlichkeit halber habe ich den Durchschnittswert aller Scores in einer Grafik zusammengefasst.

In Sachen Produktivität hat die neue AMD-Karte keine Chance gegen die Konkurrenz von Nvidia. Nicht einmal gegen das ehemalige Flaggschiff RTX 3090 kann sie bestehen. Der Unterschied zur RTX 4080 beträgt 35 Prozent. Besonders gross ist er im Blender-Benchmark. Dass die Karte in den Adobe-Benchmarks nicht gut abschneidet, ist nicht überraschend. Adobe ist sehr langsam, wenn es um die Anpassung der Software an neue Hardware geht. Würde ich den Benchmark in ein, zwei Monaten nochmal laufen lassen, würde sich hier ein besseres Ergebnis zeigen. Das gilt aber auch für die beiden neuen Nvidia-Grafikkarten.

Leistungsaufnahme, Lautstärke und Temperatur

Die maximale thermische Design-Leistung (TDP) von 355 Watt erreicht die RX 7900 XTX nur selten, aber sie ist nahe dran. Durchschnittlich liegt die Leistungsaufnahme bei 347 Watt in 2160p-Auflösung über die ganze Benchmark-Suite hinweg. Damit benötigt die AMD-Karte etwa gleich viel Leistung wie die RTX 4090 mit 340 Watt. Im Vergleich zur RTX 4080 ist die AMD-Karte deutlich hungriger: Die Konkurrentin benötigt gerade mal 270 Watt. Genauer: Fürs selbe Resultat benötigt die 7900 XTX 28,5 Prozent mehr Leistung als die 4080. Ein 750-Watt-Netzteil sollte dennoch gut ausreichen.

Die Temperaturen erreichen in Games maximal 66 Grad Celsius. Durchschnittlich habe ich über alle Games hinweg 64 Grad Celsius auf dem offenen Testbench gemessen.

Gleich viel Leistung wie in den Spielen verlangt die Karte im Time Spy Extreme Benchmark. Sie wird mit maximal 70 Grad Celsius auch wärmer. Bei voller Auslastung mit FurMark während 20 Minuten beträgt die Maximaltemperatur 73 Grad Celsius. Dabei sind die Lüfter mit maximal 45,5 dB aus 30 Zentimetern Entfernung deutlich hörbar.

Die drei Lüfter und der darunterliegende Kühlkörper sorgen für vernünftige Temperaturen.
Die drei Lüfter und der darunterliegende Kühlkörper sorgen für vernünftige Temperaturen.
Quelle: Kevin Hofer

Apropos Lautstärke: Im Leerlaufbetrieb ist mit 35 dB fast nichts von der Karte zu hören, obwohl die Lüfter mit 500 Umdrehungen pro Minute arbeiten. So zieht die 7900 XTX 17 Watt und bleibt mit 38 Grad Celsius kühl. Das ist aber deutlich mehr als die RTX 4080. Die benötigt nur 5 Watt und wird 28 Grad Celsius warm. Bin ich am Browsen oder Netflixen, zieht die AMD-Karte bis zu 55 Watt Leistung, wird aber nicht über 43 Grad Celsius heiss. Auch das sind höhere Werte als mit der RTX 4080 bei 32 Watt Leitung und einer Temperatur von 40 Grad Celsius.

Zuletzt habe ich die Leistungsaufnahme während des Blender-Benchmarks gemessen. Hier zieht die RX 7900 XTX genau wie bei den Games durchschnittlich 347 Watt und wird maximal 66 Grad Celsius heiss. Das ist ein grosser Unterschied zur RTX 4080, die durchschnittlich nur 205 Watt benötigt und maximal 54 Grad Celsius heiss wird.

Fazit: AMD muss über die Bücher

Als AMD vor etwas mehr als zwei Jahren die Radeon-6000-Serie vorgestellt hat, war sie der Kracher. Zum ersten Mal seit Jahren waren die Karten mit jenen von Nvidia vergleichbar. Vor allem in Sachen Effizienz übertrafen sie die Konkurrenz. Entsprechend hohe Erwartungen hatte ich an die Radeon-7000-Serie. Die wurden leider enttäuscht.

AMD kann zwar in klassischen Rasterizer-Spielen immer noch mit Nvidia mithalten, aber bei der Effizienz hat sich der Wind gedreht: Die RTX 4080 erreicht in UHD-Auflösung in meinen Benchmark-Spielen rund 0,4 FPS pro Watt. Die RX 7900 XTX gerade mal 0,32. Noch deutlicher ist das Ergebnis beim Blender-Benchmark: Pro Watt liefert die Nvidia-Karte 45,5 Punkte, die von AMD hingegen mickrige 10,5. Bei den Produktivitäts-Benchmarks wird sie bei den Scores gnadenlos in den Boden gestampft. Dasselbe passiert in Raytracing-Games, wo die RTX 4080 bis zu 18 Prozent mehr FPS liefert.

AMD muss deshalb über den Preis, um konkurrenzfähig zu sein. 1179 Franken oder Euro kostet die Karte zur Markteinführung. Dabei handelt es sich um das Referenzmodell. Das heisst: Hersteller wie in diesem Fall Sapphire übernehmen das Design von AMD und verkaufen es unter eigenem Namen. Von Nvidias RTX 4080 habe ich die Asus TUF Gaming GeForce RTX 4080 OC Edition getestet. Sie kostete zum Release 480 Franken mehr als die getestete AMD Karte. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Custom-Modell. Das sind eigene Designs der Hersteller, die in der Regel teurer sind. Der Preisvergleich ist also nicht ganz fair. Für ein Custom-Modell der 7900 XTX musst du etwa 200 Franken mehr hinblättern als für das Referenzmodell. Sprich: Die Preisdifferenz zur RTX 4080 beträgt noch etwa 280 Franken. Bist du lediglich aufs Zocken von klassischen Rasterizer-Games aus, scheint der Preis fair. Ich setze dem zwei Aber gegenüber:

  1. Raytracing ist die Zukunft. Immer mehr Spiele werden darauf setzen und irgendwann wird es zum Standard. AMD muss sich also dringend etwas einfallen lassen, um zu Nvidia aufzuschliessen. Der Unterschied ist derzeit zu gross und AMD droht den Anschluss zu verlieren. Nvidia bietet schlicht mehr fürs Geld.
  2. Bereits die RTX 4080 habe ich als zu teuer bezeichnet. Dasselbe sage ich von der RX 7900 XTX. Alles über 1000 Franken ist Wucher, fair wären 800 Franken.

Die RX 7900 XTX kann ich dir nur empfehlen, wenn dein Portemonnaie locker sitzt und du ausschliesschlich Rasterizer-Games zockst. Dann liefert sie mehr Frames pro Franken als die RTX 4080 – jedoch auf Kosten der FPS pro Watt. In allen anderen Situationen ist AMDs neues Flaggschiff ein schlechter Deal.

Titelbild: Kevin Hofer

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