Endlich schöne Duschvorhänge: Kollektiv Vier mischt unser Bad auf
Hintergrund

Endlich schöne Duschvorhänge: Kollektiv Vier mischt unser Bad auf

Pia Seidel
26.9.2018
Bilder: Thomas Kunz

Die Nachwuchsdesignerinnen von «kollektiv vier» bieten dir endlich Alternativen für Mainstream-Badtextilien aus Polyester. Ihre Stoffe bestehen nicht nur Naturfasern, sondern sind auch Kunst zum Anfassen.

Manche Dinge werden selten hinterfragt, weil sie so alltäglich sind, dass wir sie kaum noch wahrnehmen. Das Aussehen von Duschvorhängen und Frotteetüchern gehört für mich dazu. Ich habe den Schweizer Designerinnen Mirjam Huwiler, Eva Zuberbühler und Johanna Widmer von «kollektiv vier» einen Besuch abgestattet und sie unter anderem gefragt, woran es liegt, dass eintönige Entwürfe sich so lange auf dem Markt halten.

Das Trio von «kollektiv vier»

Wie seid ihr zum Design gekommen?
Mirjam: Mit meiner Lehre zur Bekleidungsgestalterin habe ich meine Leidenschaft für Textilien entdeckt und hatte Lust mich in dieser Richtung zu vertiefen.
Eva: Mir war nach der Matura klar das ich etwas Gestalterisches machen will. Da mir Stoff als Material damals schon sehr nahe war, bin ich auf den Studiengang Textildesign gestossen.
Johanna: Während dem gestalterischen Vorkurs habe ich mein Interesse für Textilien und Design entdeckt.

Habt ihr vor der Gründung eures Labels etwas anderes gemacht?
Johanna: Gleich nach dem Studium haben wir tollkühn das «kollektiv vier» gegründet. Parallel zum Aufbau unseres Labels machten wir während den ersten vier Jahren unterschiedliche Arbeitserfahrungen in der Textilbranche. Wir haben uns bereits früh in die Selbstständigkeit getraut und es bis heute nicht bereut.

Mit Geduld und Liebe zum Detail entstehen grossflächige, analoge Collagen, die aus kleinsten Elementen bestehen. Mittels Scan werden sie digitalisiert und zeichnerisch vollendet.

Wer übernimmt bei euch welchen Teil im Prozess?
Johanna: Gestalterische und strategische Entscheide treffen wir gemeinsam. Bei einem neuen Produkt starten wir, indem wir ein Moodboard machen. Wir gestalten analoges Ausgangsmaterial, das wiederverwertet und weiterentwickelt werden kann. Wir scheuen uns in keinem Stadium vom Prozess den Entwurf einander weiterzugeben. Im Gegenteil, wir schätzen den Input und die Aussensicht der Anderen sehr.

Was inspiriert euch für eure Collagen?
Mirjam: Die Natur, das Reisen, Kunstausstellungen und das Schaffen von anderen Gestalterinnen und Gestalter.
Eva: Das Schreiben und auch wir als Kollektiv inspirieren uns gegenseitig mit unseren verschiedenen Sichtweisen.
Johanna: Ich gehe wach durch den Alltag und bin doch eine Träumerin...

Anders, als ich es erwarte, arbeiten alle drei Gestalterinnen gemeinsam an ein und derselben Illustration. Damit alle vom selben sprechen, steht zu Beginn nicht etwa ein Briefing oder Moodboard, sondern ein Gedicht, in dem beschrieben wird, was auf der Collage zu sehen sein soll.

Was liebt ihr an eurer Arbeit?
Mirjam: Die Abwechslung, das Kapitän-Dasein, den Überblick zu behalten und selbstbestimmt arbeiten zu können. Auch das Entwerfen, Konzepte entwickeln und Lernen durchs Machen – ja auch den unternehmerischen Teil, den die Selbstständigkeit mit sich bringt, haben wir schätzen gelernt.

Wie sieht ein Tag in eurem Studio aus?
Eva: Sehr verschieden und abwechslungsreich. Mirjams Tag beginnt beispielsweise bereits im Zug mit dem Mails-Checken, weil sie pendelt. Am Dienstag ist unser Teamtag, an dem wir gemeinsam anstehende Entscheidungen treffen und besprechen. Prozesse, die wir abends nicht abschliessen können, wie das Collagieren, lassen wir liegen und starten sogleich am nächsten Tag wieder damit.

Heimtextilien neu interpretiert

Wieso habt ihr euch für das Entwerfen von Heimtextilien entschieden?
Eva: Als Textildesignerinnen suchen wir stets Produkte, die uns eine Fläche zum Gestalten bieten. Der Interieurbereich ist für uns beständiger als die Mode. Auch wenn der Duschvorhang ein aussterbendes Objekt zu sein scheint, der in Neubauten meistens mit Glaswänden ersetzt wird, glauben wir an das Produkt – sofern es mit seinem Design überzeugt.

Die Technik der Frottierweberei bringt Einschränkungen in der formalen Gestaltung und der Farbauswahl mit sich. Das sonst so farbenfrohe Kollektiv schätzt das aber, weil sie so mit der Technik neue Wege entdeckt. Auch abstrakte und reduzierte Muster kehren so in die Kollektion ein.

Warum glaubt ihr dauert es manchmal eine Weile in der Geschichte, bis ein bestimmtes Design entstaubt wird?
Mirjam: Das mag an den neuen Generationen von Gestaltern liegen, die Objekte mit anderen Augen sehen und sie wieder aufrollen wollen. Zu gern beschäftigen wir uns mit Textilien und suchen nach Objekten, die wir auffrischen und auf den heutigen Lifestyle übertragen können. Heute wünschen wir uns nachhaltigere Produkte. Deswegen war es uns ein Anliegen, neben dem Design auch eine innovative Verarbeitung zu etablieren. Herkömmliche Vorhänge bestehen aus Polyester, unserer ist zu 100% aus Baumwolle mit einer einseitigen Acrylbeschichtung. Das macht ihn natürlicher und angenehmer in der Handhabung.

Hier geht's zur gesamten Kollektion

Und welches Stück habt ihr momentan in eurer Wohnung am liebsten?
Mirjam: Zwei Teppiche, die ich von einer Marokko-Reise mitgebracht habe.
Eva: Eine aus Alu perforierte Lampe.
Johanna: Mondförmige Schalen, in Blau, Rosa und knalligem Rot.

«Behind the Scenes» im Atelier der drei Jung-Designerinnen in Zürich.

Was steht als nächstes auf eurem Plan?
Eva: Noch in diesem Jahr werden wir unsere Badezimmerteppiche vorstellen. Dann werden wir eine ganze Kollektion rund ums Badezimmer gestalten. Ähnlich wie bei unseren Drucken soll eine ganze Welt zum Eintauchen entstehen, die das Bad als Rückzugsort unterstützt und dem Raum eine ganzheitliche Atmosphäre gibt.

Titelbild: Dieses Trio entstaubt herkömmliche Frotteetuch- und Duschvorhang-Entwürfe. Im Bild von links nach rechts: Mirjam, Eva und Johanna.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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