Fake News formen Erinnerungen
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Fake News formen Erinnerungen

Unser Gedächtnis lässt sich erstaunlich leicht austricksen. Darauf haben Psychologen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder hingewiesen. So kommt es nicht nur vor, dass wir unbewusst Details zu einer Geschichte hinzuerfinden. Unter bestimmten Bedingungen meinen wir manchmal sogar, uns an Ereignisse zu erinnern, die nie passiert sind.

Gillian Murphy und ihre Kollegen vom University College Cork entdeckten nun, dass auch Fake News solche falschen Erinnerungen hervorrufen können. Die Forscher legten mehr als 3000 irischen Probanden sechs Nachrichtentexte vor, von denen zwei erfunden waren. Sämtliche Berichte behandelten das Thema Abtreibung; das Experiment fand in der Woche vor einem Referendum statt, in dem sich die Mehrheit der Iren im Mai 2018 dafür aussprach, das strikte Abtreibungsverbot im Land zu lockern. In einem der beiden Fake-News-Texte wurden Personen, die sich für die Lockerung des Verbots stark machten, illegale Handlungen unterstellt; der andere diffamierte prominente Persönlichkeiten, die sich gegen die Gesetzesänderung engagierten.

Nach dem Lesen sollten die Teilnehmer angeben, ob sie schon einmal von den darin geschilderten Ereignissen gehört hatten und sich an diese erinnerten. Außerdem gaben alle Probanden darüber Auskunft, ob – und wenn ja, wie – sie beim Referendum abstimmen würden. Zu guter Letzt absolvierten sie einen Test ihrer kognitiven Fähigkeiten.

Fast die Hälfte der Probanden gaben an, sich an mindestens eines der fingierten Ereignisse zu erinnern, und schilderten es detailreich. Manche Versuchspersonen erfanden sogar Informationen hinzu, die nicht in den Falschmeldungen enthalten waren. Besonders leicht gingen die Teilnehmer Fake News auf den Leim, welche die Gegner ihrer eigenen Position in ein schlechtes Licht rückten. Das war vor allem bei jenen der Fall, die laut Test schwächere kognitive Fähigkeiten aufwiesen. Aber auch Probanden, die gute Testergebnisse erzielt hatten, waren nicht davor gefeit. Selbst als die Wissenschaftler die Teilnehmer darauf hinwiesen, dass manche der Nachrichten frei erfunden waren, und sie baten, Fake News als solche zu identifizieren, hielten viele Probanden an ihren falschen Erinnerungen fest.

Die renommierte Gedächtnisforscherin Elizabeth Loftus von der University of California in Irvine, die an der Studie beteiligt war, hält das für eine wichtige Erkenntnis in Zeiten, in denen es immer einfacher wird, Falschnachrichten und gefälschte Videos zu verbreiten. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler untersuchen, welche Rolle falsche Erinnerungen beim Brexit-Referendum sowie in der «MeToo»-Bewegung spielten.

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