
Hintergrund
Altes Hausmittel, aktueller Hype: Wie gesund Apfelessig wirklich ist
von Moritz Weinstock
Glutamat als Geschmacksverstärker ist ungesund, so die landläufige Meinung. Die beruht auf längst widerlegten Studien und rassistischen Annahmen. Trotzdem hält sie sich hartnäckig.
In meinem Beitrag über Kewpie-Mayonnaise wurde in diversen Kommentaren bemängelt, dass Glutamat auf der Zutatenliste der Mayo steht. Der Geschmacksverstärker hat einen miserablen Ruf und gilt, wenn nicht als gesundheitsschädlich, so als ungesund. Glutamat soll Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Herzrasen oder Hautrötungen verursachen. Wissenschaftlich ist das seit Jahrzehnten widerlegt. Trotzdem hält sich das Gerücht hartnäckig.
Besser als das ZDF-Format MaiLab werde ich das nicht erklären können, deshalb hier ihr Video, das alles super erklärt.
Glutamat ist ein natürlich vorkommender Geschmacksverstärker. Es sorgt für den herzhaften Umami-Geschmack von Speisen. Umami ist neben salzig, süss, bitter und sauer der fünfte Geschmack, den unsere Zunge über ihre Rezeptoren wahrnehmen kann. Die Bratensauce deiner Grossmutter oder der gehobelte Parmesan über deiner Pasta ist umami – und natürlicherweise voll mit Glutamat.
Damit mein Fried Rice den typisch herzhaften Geschmack bekommt, mische ich Sojasauce (die übrigens pures Glutamat ist) oder Mononatriumglutamat oder MSG (auf Englisch Monosodiumglutamate) unter. MSG, das ist das Natriumsalz der Glutaminsäure und im Prinzip Umami in Pulverform. Wie beim Speisesalz braucht es nur eine Prise davon, um Esswaren schmackhafter zu machen. Zum ersten Mal synthetisiert wurde die Glutaminsäure vom Japaner Kikunae Ikeda im Jahr 1908. Das erklärt auch, weshalb reines MSG zunächst vor allem im ostasiatischen Raum (China und Japan) Erfolg hatte und über Chinarestaurants den Weg in die USA und nach Europa fand. Konzentriertes Glutamat war zu der Zeit in der Schweiz und Deutschland schon längst auf dem Tisch, bloss hiess es damals noch nicht so. Maggi-Streuwürze begann um die Jahrhundertwende ihren Siegeszug, darin enthalten: Glutamat, und das nicht zu knapp.
Und es ist offiziell nicht gesundheitsschädlich. Weder in der Schweiz, noch in der EU gilt eine Grenze für die erlaubte Tagesdosis von synthetisch hergestelltem Glutamat.
Diese Frage lässt sich an einem Datum festmachen.
4. April 1968
An diesem Tag hat das renommierte «New England Journal of Medicine» einen Brief veröffentlicht, in dem ein gewisser Robert Ho Man Kwok über Unwohlsein nach dem Besuch eines Chinarestaurants mit Mononatriumglutamat in Verbindung bringt. In späteren Ausgaben haben andere Leserinnen und Leser geäussert, dass sie über ähnliche Symptome klagten. Wissenschaftlich begründet war dabei gar nichts. Diese Leserbriefe waren so wissenschaftlich fundiert wie die Kommentarspalte unter diesem Beitrag.
Dennoch hat sich das Märchen vom schädlichen Glutamat schnell in Tageszeitungen verbreitet, die vom «Chineses Restaurant Syndrome» berichteten. Ein nicht bewiesenes Phänomen erhielt einen rassistischen Namen und der Mythos war geboren. Es folgten diverse Studien, die Glutamat als schädlich darstellen sollten, dabei aber zweifelhafte Methoden nutzten. So wurde in einer Studie Mäusen Mononatriumglutamat in sehr hohen Dosen gespritzt. In einer anderen Studie wurden Menschen befragt, ob sie Symptome wie Kopfschmerzen nach dem Essen im China-Restaurant kennen. Beides sind ungenaue oder suggestive Methoden. Auch Zuckerlösung wäre zum Beispiel, in hohen Dosen direkt unter die Haut gespritzt, zellschädigend. Und der Mensch tendiert in einer einfachen Befragung dazu, eher mit «Ja» zu antworten.
Es gibt sogar Zweifel über die Echtheit des Autors Robert Ho Man Kwok. Bei der US-amerikanischen Radiosendung «This American Life» hat sich ein gewisser Howard Steele gemeldet, der vorgab, Ho Man Kwok erfunden zu haben. Belegt ist das allerdings nicht.
Diese Studie von 1995 hat bewiesen, dass Mononatriumglutamat in einer normalen Dosis von bis zu einem Gramm pro Tag keine Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Eine andere Studie beweist, dass Mononatriumglutamat auch dann keinen negativen Effekt auf die Probandinnen und Probanden hatte, wenn diese angaben, besonders empfindlich auf Glutamat zu reagieren.
Fakt ist: Glutamat in den üblichen Mengen ist nicht gesundheitsschädlich. Es hat keinen Effekt auf die Gesundheit.
Glutamat könnte sogar medizinisch nützlich sein. Bei Appetitlosigkeit kann Mononatriumglutamat dabei helfen, den Appetit anzuregen. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass man im China-Restaurant gerne zu viel isst, was ein Unwohlsein erklären könnte. Auch gibt es Menschen mit Histaminunverträglichkeit, die über Symptome wie Hautrötungen nach der Einnahme von Glutamat berichten. Ihrer Theorie zufolge soll Glutamat als Histamin-Liberator wirken. Also als Stoff, der im Körper gespeichertes Histamin freisetzen und so zu allergischen Reaktionen führen kann. Aber für diese Annahme lassen sich keine wissenschaftlich fundierten Belege finden. Weiter könnte der sogenannte Nocebo-Effekt zu Beschwerden führen. Das ist das Gegenteil des Placebo-Effekts, bei dem wirkungslose Medikamente alleine durch die Hoffnung der Patienten zu einer Heilung führen. Beim Nocebo-Effekt leidet man unter Beschwerden, die einen nicht existenten Ursprung haben, weil man Nebenwirkungen erwartet.
Ich war lange auch skeptisch bei Glutamat, habe auf Speisen mit E621 verzichtet, aus Angst um meine Gesundheit. Inzwischen nutze ich es, wenn ein Gericht nicht eh schon natürliches Glutamat durch Pilze, Tomaten, Käse oder Bouillon enthält. Dafür steht ein Salzstreuer mit purem Glutamat in meiner Gewürzschublade.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.