Grafikkarte nur fürs Crypto Mining kaufen: Lohnt sich das überhaupt (noch)?
Hintergrund

Grafikkarte nur fürs Crypto Mining kaufen: Lohnt sich das überhaupt (noch)?

Gamer-Grafikkarten werden teuer und sind kaum verfügbar. Schuld ist der Crypto-Mining-Boom. Ich habe meine GTX 1080 Ti auch mal in den Stollen geschickt, um herauszufinden, ob man damit wirklich Geld verdienen kann.

«Sorgt bitte dafür, dass Gamer genug Grafikkarten bekommen». So in etwas lautete eine E-Mail, die Nvidia an uns und zahlreiche weitere Shops auf der ganzen Welt geschickt hat. Es ist eine Reaktion auf die zunehmende Grafikkarten-Knappheit, die durch Crypto Miner ausgelöst wurde. Also Personen, die ihre Grafikkarte nicht zum Gamen brauchen, sondern um Kryptowährungen zu generieren.

Nvidias scheinbare Besorgnis hat bei mir die Frage geweckt, ob es sich wirklich lohnt, extra fürs Mining eine Grafikkarte zu kaufen, die fast 1000 Franken kostet. Denn mangels Alternativen sind längst nicht mehr nur günstige AMD-Karten gefragt, sondern auch Highend-Gamer-GPUs. Eine solche wohnt auch in meinem PC. Ideale Voraussetzung also, dem Klondike der Kryptowelt einen Besuch abzustatten.

Bunt leuchten ist ja schön und gut, aber jetzt soll mir das Teil die fette Kohle ins Haus bringen.
Bunt leuchten ist ja schön und gut, aber jetzt soll mir das Teil die fette Kohle ins Haus bringen.

Verfügbarkeit und Preisentwicklung

Den Aufstieg der Kryptowährungen haben auch wir bei digitec deutlich zu spüren bekommen. Christian Seeholzer, der bei uns unter anderem für die Grafikkarten zuständig ist, kämpft schon seit dem letzten Sommer mit schlechten Verfügbarkeiten. Besonders schlimm sei es seit dem Jahreswechsel. Eine GTX 1080 Ti gibt es derzeit nicht mehr unter 1000 Franken. Das entspricht etwa einer Inflation von 20 Prozent innerhalb eines halben Jahres. Besserung sei nicht in Sicht. «Aktuell sieht es ganz mies aus und das wird sich auf unbestimmte Zeit weiterziehen», meint Christian. Betroffen sind hauptsächlich AMD-Karten der Vega- und RX-Serie sowie Nvidia-Modelle von GTX 1060 aufwärts.

Zwar habe auch die allgemeine Knappheit von Flash-Speicher einen Einfluss auf die Kosten, entscheidend seien aber definitiv die Miner. Darum haben wir bereits seit dem vergangenen Sommer eine Beschränkung von zwei Grafikkarten pro Account. Mittlerweile haben wir die Schraube noch weiter angezogen, so dass Kunden nur noch zwei Grafikkarten einer Serie kaufen können. Davor konnte man theoretisch zwei 1080er von Msi, dann noch zwei von Asus und noch zwei von Gigabyte kaufen. Damit ist nun schluss. Zumindest theoretisch. Laut Christian lassen sich die Käufer immer neue Tricks einfallen, um das System zu umgehen. Die dreisten unter ihnen setzen Bots ein, die eigenständig Accounts erstellen und bestellen. Wir versuchen, so gut es geht, solche Hamsterkäufe zu verhindern und dafür zu sorgen, dass unsere gamende digitec-Community nicht zu kurz kommt.

Nvidias Hintergedanken

«Bei Nvidia kommen die Gamer zuerst». Ist das Unternehmen wirklich so altruistisch wie sie behaupten? Schliesslich müsste sich Nvidia doch über die starke Nachfrage freuen. Der erste Satz mag zutreffen, wenn diese Gamer auch Nvidia-Aktien besitzen. Sollten nämlich die Kryptowährungen abstürzen, würde der Markt mit günstigen Grafikkarten überflutet, wenn die Miner von einem Tag auf den anderen ihre Hardware loswerden wollen. Bei dieser Grafikkarten-Inflationen kämen tatsächlich die Gamer zuerst – beim Aufrüsten zum Schnäppchenpreis. Danach würde es ein Weilchen dauern, bis wieder eine neue Grafikkarte angeschafft werden muss.

Was passiert beim Mining überhaupt?

Aber zurück zu meinem Projekt. Kryptowährungen und alles was dazu gehört sind ein abstraktes Konstrukt. Am besten schaust du dir das folgende Video an.

Kurz gesagt: Kryptowährung basiert auf einem Peer-to-Peer-System (dezentral). Es gibt keinen zentralen Server, der Bezahlvorgänge kontrolliert oder Konten aktualisiert. Das übernehmen die Teilnehmer. Sie kriegen die gesamte Liste aller bisherigen Transaktionen und bilden damit die sogenannte Blockchain. Crowd-sourced stellen sie sicher, dass die Blockchain nicht manipuliert werden kann. Für Bitcoins alleine umfasst diese aktuell knapp 150 GB Daten. Damit können sie zukünftige Transaktionen validieren. Jeder Block mit einer Transaktion ist kryptographisch verschlüsselt. Er wird mit einem Algorithmus versehen und an alle Teilnehmer des Netzwerks geschickt – der sogenannten Hash-Funktion. Um diese Funktion zu lösen und damit eine Transaktion zu bestätigen, benötigt es immense Rechenleistung. Weshalb alle, die dafür ihre PCs zur Verfügung stellen, entlohnt werden. Dieser Prozess nennt sich Crypto Mining.

Da jede Währung unterschiedliche Algorithmen einsetzt, eignet sich nicht jede Hardware gleich gut. Bitcoins beispielsweise sind für Enduser längst nicht mehr profitabel zum Schürfen, da die Stromkosten höher sind als der Ertrag. Nur spezielle Mining-Geräte (ASICs) in Ländern mit tiefen Stromkosten werden noch dafür eingesetzt. Anders sieht es beispielsweise mit Altcoins wie Ethereum aus, der eine richtige Goldgräberstimmung ausgelöst hat.

Wie geht Mining und was brauchst du dafür?

Neben potenter Grafikkarte und idealerweise Prozessor benötigst du die folgenden drei Dinge.

  • Ein Wallet
  • Einen Account bei einem Mining Hub
  • Mining-Software

Das Wallet (digitales Portemonnaie) brauchst du, um Kryptowährung zu empfangen und zu verschicken. Die Einrichtung erfordert keine privaten Daten. Den Schlüssel deines Wallets brauchst du anschliessend im Mining Hub, damit du den Lohn für deine Arbeit empfangen kannst. Ein bekannter Hub ist beispielsweise die Seite Mining Pool Hub. Da man alleine geringe Chancen hat, einen neuen Coin abzubauen, lohnt es sich, sich einem solchen Verbund anschliessen. Du kannst es dir wie in einem echten Bergwerk vorstellen: Alleine stehen deine Chance schlecht, ein Goldnugget zu finden. Dafür würde der Gewinn dir alleine gehören. Bei hunderten von Bergarbeitern steigt die Wahrscheinlichkeit, etwas zu finden. Dafür wird der Fund entsprechend der geleisteten Arbeit aufgeteilt.

Im Dashboard siehst du deine aktuelle Hashrate und wie viele Coins du geschürft hast.
Im Dashboard siehst du deine aktuelle Hashrate und wie viele Coins du geschürft hast.

Im Hub kannst du auswählen, welche der zahlreichen Währungen du schürfen willst. Unter dem Reiter «Worker» legst du einen Benutzernamen und ein Passwort fest. Hast du nur eine Grafikkarte, reicht ein Worker. Die Angaben brauchst du später bei der Erstellung einer Batch-Datei, die aus einer einzigen Zeile Code besteht. Die sieht beispielsweise so aus:

ethminer -G -S europe.ethash-hub.miningpoolhub.com:20535 -O username.workername:password

Ethminer bezieht sich auf das auszuführende Programm, danach folgt die Server-Adresse und am Ende dein Benutzername der Hub-Seite sowie Name und Passwort des Workers.

Für das eigentliche Mining benötigst du schliesslich noch ein kleines Programm, mit dem du die Matheaufgaben lösen kannst. Hier gibt es zahlreiche Alternativen. Nicht alle sind gleich effizient für deine Hardware. Du findest sie in der Regel auf der Hub-Seite bei der jeweiligen Währung.

So sieht es aus, wenn das Mining-Tool seine Arbeit verrichtet.
So sieht es aus, wenn das Mining-Tool seine Arbeit verrichtet.

Sobald du im Dateiordner des Mining-Programms die zuvor erwähnte Batch-Datei erstellt hast, reicht ein Doppelklick und deine Grafikkarte nimmt die Arbeit auf. Du siehst dabei immer die aktuelle Hash-Rate. Anhand dieser kannst du ablesen, wie effizient deine Maschine arbeitet. Sie beschreibt, wie viele Prozesse (Hash) dein Computer pro Sekunde leistet. Die Hashrate ist von Währung zu Währung unterschiedlich.

Der ganze Prozess ist für Anfänger nicht ganz einfach zu verstehen und erfordert etwas Einarbeitungszeit.

Stromkosten vs. Ertrag

Ich hab mich an Zcash, Zcoin, Ehtereum und Trezarcoin versucht, da diese mit der GTX 1080 Ti offenbar relativ effizient zu rechnen sind. Da ich meinen PC an einen Mystrom-Switch angeschlossen habe, kann ich den Energieverbrauch und die Stromkosten einfach ablesen. Bei voller Leistung zieht mein PC (ohne Monitor) ungefähr 270 W. Das kostet mich etwa 3 Rappen pro Stunde. Bei den Trazarcoins ging der Verbrauch schon mal auf 340 W hoch. Zum Vergleich: Eine intensive Runde «PUBG» zieht cirka 370 W, weil dann zusätzlich der CPU beansprucht wird.

Der Mystrom-Switch zeigt, wie viel Strom verbraucht wird.
Der Mystrom-Switch zeigt, wie viel Strom verbraucht wird.

Lasse ich den PC also am Beispiel von Ehtereum zehn Stunden laufen, zahle ich dafür 30 Rappen Strom. Mit einer Hashrate von maximal 33 MH/s generierte ich in der Zeit 0.00111261 Ethereum was beim aktuellen Kurs 85 Rappen wert ist. Ich habe meinen PC über die letzten Tag immer mal wieder ein paar Stunden, mal einen halben Tag rechnen lassen. Ergebnis: 0.05817773 Zcoin, 0.01838426 Zcash, 0.00111261 Ethereum und 2.87872769 Trezarcoin. Alles zusammen entspricht umgerechnet etwa zehn Franken.

Hätte ich meine GTX 1080 Ti explizit für Crypto Mining gekauft, bräuchte ich im Dauerbetrieb schätzungsweise sieben Monate um sie zu amortisieren. Vorausgesetzt, der Markt bleibt stabil, was aktuell nicht der Fall ist. Natürlich kannst du deine Karte zusätzlich übertakten und es gibt mit Sicherheit noch diverse Tricks zur Effizienzsteigerung. Eine entscheidende Veränderung würde ich mir davon aber nicht erhoffen.

Nicht mitgerechnet sind dabei die Transaktionsgebühren, die anfallen, wenn du dir deinen Gewinn auszahlen lassen willst. Und Abschreibungen für deine Hardware kämen theoretisch auch noch hinzu...

Risiken und Ökobilanz

Ebenfalls beachten solltest du die erhöhte Belastung für deine Grafikkarte. Solche Konsumentenprodukte sind nicht für den Dauerbetrieb über längere Zeit konzipiert. Anhaltende Hitze beschleunigt den Alterungsprozess. Die schwächsten Glieder dürften die Speisung und der Lüfter sein. Es ist empfehlenswert ein Überwachsungstool wie MSI Afterburner zu verwenden. Damit kannst du die Temperatur deiner Grafikkarte limitieren oder die Lüftung aufdrehen.

Und wenn du dir schon keine Sorge um deine Recheneinheit machst, dann vielleicht um die Umwelt. Crypto Mining verschlingt enorme Mengen an Energie. Alleine für Bitcoins werden jährlich bereits 42 TWh an Strom verschlungen. Das ist mehr als ganz Neuseeland benötigt. Bitcoin ist zwar mit Abstand die leistungshungrigste Kryptowährung, Stromfresser sind sie aber alle.

Der Stromverbrauch für das Mining von Bitcoins ist enorm
Der Stromverbrauch für das Mining von Bitcoins ist enorm
Quelle: digiconomist

Fazit: zum Ausprobieren ganz witzig

Mir war das Ergebnis schon im Vorhinein klar. Ausprobieren wollte ich es trotzdem. Für Crypto Mining eine neue Grafikkarte kaufen, lohnt sich kaum noch. Selbst wenn du deine Karte 24/7 laufen lässt, wirst du kaum mehr als 150 Franken im Monat machen. Zocken am PC kannst du dann aber vergessen.

Wenn du es trotzdem nicht lassen kannst, solltest du wenigstens in eine Karte investieren, bei der du schnellstmöglich den Break Even Point erreichst. Da die Preise für Hardware enorm gestiegen sind und die Kryptowährungen starken Schwankungen unterworfen sind, willst du sichergehen, dass du deine Investition wieder zurückholst. Das Geld könntest du aber fast genauso gut direkt in Kryptowährung investieren.

Was du auch probieren könntest, ist Altcoins zu schürfen, die noch nicht allzu bekannt sind. Hier ist die Erfolgsrate wesentlich höher und du kriegst relativ schnell ein paar Coins zusammen. Wenn du Glück hast, ist einer davon der nächste Ethereum.

Das grosse Geld wirst du mit Crypto Mining ohne eine hohe und risikoreiche Investition wohl nicht mehr machen. Wenn du aber bereits eine potente Karte besitzt und keine Umweltbedenken hast, kannst du es zum Spass mal ausprobieren. Erzähl mir dann, was du mit deinen paar Franken gekauft hast.

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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