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Kritik

«Hell is Us» im Test: Auf Familiensuche im Bürgerkrieg

«Hell is Us» ist als Videospiel bewusst aus der Zeit gefallen. Grafisch spektakulär, erinnern die Spielmechaniken an Games von gestern. Eine Gratwanderung, die meistens aufgeht.

Videospiele sind mein einziges Hobby, das mich seit den 90ern begleitet. Nostalgische Gefühle kommen daher oft beim Zocken auf. Das wissen auch die Entwickler und spielen mit meinen Gefühlen, als wären sie Wolfgang Petri. Boomer-Shooter wie «Turbo Overkill» lassen mich die goldene Zeit der Ego-Shooter wieder aufleben. «Oldschool Rally» spielt sich wie die «Colin McRae Rally».

Warum langweile ich dich mit Retro bei einem Review für ein modernes Mystery-Action-Game wie «Hell is Us»? Weil «Hell is Us» den doppelten Petri macht und mich nicht nur in die Hölle schickt, sondern mit meinen Gefühlen spielt. Wahnsinn!

Grafisch kommt das düstere Abenteuer dank Unreal Engine 5 im schicken Gewand. Obwohl man hier nicht auf Retro-Look macht und mit modernen Mechaniken arbeitet, fühlt es sich an, als würde ich wieder in meinem Zimmer auf dem 14-Zoll-Röhrenmonitor PS1 zocken – und das wärmt mein Herz.

Grafisch eine Augenweide
Grafisch eine Augenweide

In einem unbekannten Land, vor nicht allzu langer Zeit

Um was geht es überhaupt? Wir schreiben das Jahr 1992. Ich übernehme im Spiel die Rolle von Rémi, der in sein Heimatland Hadea reist. Nicht als Tourist, sondern als Teil einer Friedensmission, die im abgeschotteten Land während eines Bürgerkriegs zweier verfeindeter Parteien für Ordnung sorgen soll. Rémi geht es dabei um seinen eigenen, inneren Frieden, da er als Fünfjähriger von seiner Mutter verlassen und im Ausland aufgewachsen ist und jetzt die Chance sieht, in Hadea nach seinen Wurzeln zu suchen. Im Hintergrund ist in Wahrheit ein mysteriöser Auftraggeber an etwas ganz anderem interessiert.

Just im Moment meiner Ankunft suchen übernatürliche Kreaturen das Land heim. Die schneeweissen Monster sind mit Schusswaffen nicht totzukriegen. Es braucht ein Arsenal an mittelalterlichen Waffen, aufgeladen mit der mysteriösen lymbischen Energie, um die Gegner in die Knie zu zwingen. Welch ein Glück, dass Rémi gleich zu Beginn einer Leiche solch eine Waffe klaut. Ohne mit den Wimpern zu zucken. Soziopath halt.

Graffiti in einem der Dörfer von Hadea
Graffiti in einem der Dörfer von Hadea

Ich stürze mich in diese zerstörte Welt, über der ein ständiger Dunst liegt, als wäre «Silent Hill» auf Staatsgrösse angewachsen. Die Mauern der Dörfer sind geschmückt mit Graffiti, die an die Heldinnen und Helden des Bürgerkriegs und im Stil der Mauergemälde in Nordirland. Die Menschen erzählen mir von Gräueltaten, welche die jeweils andere Partei begangen haben soll. Ganz bewusst gibt es hier keine gute und keine böse Seite. Selbst eine Friedensmission ist gescheitert. Was geschehen ist und weshalb hier überall kreidebleiche, humanoide Kreaturen auf mich losgehen, muss ich selbst herausfinden.

Wo war doch noch gestern?

Dabei verzichtet «Hell is Us» komplett auf eine Minimap oder Questmarker. Das gelingt, weil die Spielwelt nicht offen ist. Ich kann mich zwischen verschiedenen Orten mit einem Fahrzeug bewegen. Die Orte selbst sind in sich geschlossene Levels, in denen ich einfache Rätsel löse und mich durchkämpfe, um voranzukommen. Unweigerlich kommen Gedanken an den Klassiker «Tomb Raider» auf. Die Levels bestehen aus dunklen Wäldern, brennenden Dörfern und versunkenen Ruinen. Die Designer spielen damit meisterhaft auf der Klaviatur der Videogame-Klischees, ohne dass die Welten je wie eine Kopie wirken. Wenn ich in einem unterirdischen Labor mit blauen und roten Zugangskarten hantieren muss, dann nehme ich die Reminiszenzen an «Half-Life» und «Doom» schmunzelnd zur Kenntnis. Wenn aus dem Dunkeln plötzlich Holzgerüste und Bretterverschläge auftauchen und der Weg nur noch nach unten führt, überfällt mich posttraumatischer «Dark Souls»-Stress, weil ich mich nach Blighttown versetzt fühle.

Well played.

Zugangskarten und ein unterirdisches Labor.. gab es doch schon einmal, oder?
Zugangskarten und ein unterirdisches Labor.. gab es doch schon einmal, oder?

Die Nostalgie äussert sich auch im Inventar, das ich auf meinem Tablet aufrufe und das sperrig und unübersichtlich ist. «Resident Evil» lässt grüssen. Gesammelte Gegenstände kann ich den Personen in Hadea zuordnen und übergeben und so gute Taten vollbringen, als wäre es ein «Lucas Arts»-Adventure. Viele Items dienen auch nur dazu, den Vorhang etwas weiter zur Seite zu ziehen und mehr von der Welt preiszugeben. Wer kämpft hier gegen wen? Was hat es mit den eigenartigen Monstern auf sich, die hier überall herumlungern? Und wer bin ich überhaupt? Ausserdem kann ich meine helfende Drohne mit dem herzigen Namen KAPI und meine Waffen im Tablet mit Upgrades versehen, die ich auf meinem Weg aufsammle.

Ein Inventar wie in Racoon City
Ein Inventar wie in Racoon City

Komm mit mir ins Abenteuerland

Das ist essentiell, da die Gegner schnell und aggressiv sind, sobald sie mich entdecken und meine Ausdauer begrenzt ist. Nach ein paar Hieben mit meiner Waffe muss ich mich kurz ausruhen, damit ich wieder zuschlagen kann. Auf der anderen Seite muss ich aggressiv in die Kämpfe, da sich meine Energie und meine Gesundheit für kurze Zeit aufladen lassen, wenn ich kämpfe – dazu muss ich im richtigen Moment eine Taste drücken. Wer «Nioh» oder «Bloodborne» gespielt hat, kennt das System. Ausserdem kann ich meine Drohne KAPI einsetzen, um Gegner abzulenken, eine Schutzhülle zu errichten oder anderweitig zu helfen. Es hat ein paar Stunden gedauert, bis ich diesen Tanz zwischen Angriff und Verteidigung beherrscht habe.

Diese Gestalt eskaliert bald...
Diese Gestalt eskaliert bald...
...zu diesem Wirrwarr.
...zu diesem Wirrwarr.

Dass es nur eine Handvoll Gegnertypen gibt, erleichtert die Kämpfe ungemein, da ich deren Bewegungsabläufe schnell auswendig kann. Etwas mehr Abwechslung würde ich mir dennoch wünschen. Die Entwickler betonen, man habe es hier nicht mit einem «Soulslike» zu tun. Dies trotz frappanter Ähnlichkeiten zu den From-Software-Spielen. Wenn ich will, kann ich den Schwierigkeitsgrad mit Schiebereglern nach meinem Geschmack so einstellen, damit die Gegner mehr Schaden anrichten, noch aggressiver agieren oder sogar respawnen, wenn ich einen Speicherpunkt nutze, ähnlich den Leuchtfeuern in «Dark Souls».

Alles hat ein Ende

Neben den Kämpfen besteht «Hell is Us» aus Rätseln, die sich zwischen «Symbol in die richtige Richtung drehen» und «WTF sollen diese Zahlen?» bewegen. Die knackigen Rätsel sind optional, ich habe nur einmal Mühe, eines zu lösen. Grund ist die deutsche Übersetzung. Auf Englisch ergibt alles Sinn.

Die Rätsel sind meistens von der einfachen Sorte...
Die Rätsel sind meistens von der einfachen Sorte...

Das Gesamtpaket von «Hell is Us» ist dank seiner Mechaniken und Anspielungen absolut retro. Optisch hingegen ist das Spiel dank Unreal Engine 5 auf dem neusten Stand. Inklusive aller Marotten, welche die Engine mit sich bringt. Nicht selten habe ich beim Spielen kleine Ruckler, vor allem beim Erkunden der Welt. Auch lädt das Spiel teilweise Gegenstände oder ganze Landschaften zu spät, was das Spielerlebnis merklich trübt. Gar nicht klargekommen bin ich mit der Bewegungsunschärfe, welche die Gegner «geisterhaft» wirken lässt. Ich habe im Effektebrei nichts erkannt. Die lässt sich zum Glück in den Optionen herunterstufen.

Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Die kommt auch dank des stimmigen Soundtracks auf, der aus dissonanten Synthesizern und im Echo verschwindenden Chören im Stile von Burial besteht. Die mystischen Soundeffekte und die zwei gelungenen Sprachausgaben in Englisch und Französisch komplettieren den Hörgenuss. Ich wäre gerne noch etwas länger in Hadea geblieben, nur leider endet das Abenteuer abrupt und hinterlässt mich mit mehr Fragen, als Antworten. Ich kann zwar nach dem ultrakurzen letzten Akt den jüngsten Speicherstand noch einmal laden und weitere Rätsel lösen, bloss habe ich das Ende da schon gesehen. Auch wenn sich ein grosser Teil der Geschichte noch im dicken Nebel von Hadea versteckt, habe ich nur noch ein paar lose Enden zusammengeführt. Mich packt das Schicksal Rémis und sein soziopathisches Wesen zu wenig, obwohl mich die vom Bürgerkrieg zerrissene Welt, in der «Hell is Us» spielt, begeistert.

«Hell is Us» erscheint am 4. September 2025 für PC, PS5 und Xbox Series. Ich habe die PC-Version getestet, die mir Nacon zu Testzwecken zur Verfügung gestellt hat.

Fazit

Retro-Abenteuer in einer Welt mit Tiefgang und technischen Schwächen

«Hell is Us» versucht, den Charme alter Action-Adventures, Mystery-Drama und Soulslike-Kampfsystem zu vereinen. Das gelingt beinahe. Die düstere Welt ohne Gut und Böse und die Suche nach einer Antwort auf die Frage «Was zur Hölle ist hier passiert?» motivieren mich. Es ist ein ständiges Erkunden und kein Abhaken von Questmarkern und Points of Interests, was wunderbar funktioniert. Besonders begeistern mich Querverweise auf die Videospiele meiner Jugend, die geschickt in die Welt verwoben sind, ohne aufgesetzt zu wirken. Auf der anderen Seite stehen eine abrupt endende Erzählung und technische Schwierigkeiten. Trotzdem werde ich mich noch lange an diese zerrissene Welt erinnern, die so viele Facetten und Rätsel bietet und wunderschön gestaltet ist.

Pro

  • stimmiges Setting
  • es macht Spass, die Welt zu erkunden
  • grafisch eine Wucht

Contra

  • Ruckler und Pop-In
  • Ende kommt abrupt
Nacon Gaming Hell is Us (PC, DE, FR)
Game
Neu
EUR68,73

Nacon Gaming Hell is Us

PC, DE, FR

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 

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