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Hydrogel ist wabbelig und glashart

Ein neues Hydrogel hat bislang nur schwer vereinbare Eigenschaften: Es ist weich und nachgiebig, platzt aber gleichzeitig selbst dann nicht, wenn sich ein Elefant draufstellt. Zwölfmal hintereinander.

Ein Hobby von öffentlichkeitswirksam arbeitenden Materialforscherteams ist das «Vom-Auto-überfahren-Lassen» ihres Forschungsgegenstandes. Was (oder wer) das aushält, zeigt auch dem interessierten Laien eindrucksvoll, wie stabil es (oder er und sie) doch ist. Zuletzt demonstrierte man so etwa die Robustheit von lebenden Käfern oder extra elastisch-weichen Minirobotern. Nun war «Super-Jelly» dran, überrollt zu werden: ein innovatives weiches Material, das sich als Baumaterial für allerlei Anwendungen eignet, bei denen es auch unter hohem Druck sehr stabil und dabei elastisch und intakt bleiben soll.

Im Fachblatt «Nature Materials» beschreiben Oren A. Scherman von der University of Cambridge und seine Mitarbeitenden das gelartige Material; ein stark komprimierbares, glasähnliches, supramolekular vernetztes Polymer. Ziel der Forschergruppe war es, ein Material mit den Eigenschaften eines Hydrogels zu konstruieren, das gleichzeitig aber – anders als das typische Hydrogel – zäh genug ist, um unter Druck nicht einfach zermatscht zu werden. Zu diesem Zweck optimierte das Team um Scherman das chemische Gerüst, das den Kern des zu 80 Prozent aus Wasser bestehenden Gels bildet.

Kern des neuen Molekülgerüstes sind dabei Glycolurile, ein aus Glyoxal und Harnstoff zu zwei organischen Ringstrukturen kondensiertes Molekül. Diese Glycolurile können sich zu grösseren Netzwerken zusammenschliessen: den Cucurbitilen, makrozyklischen Riesenmolekülen. Diese bilden ein schwammartiges Netz mit wassergefüllten Hohlräumen – und dienen im Hydrogel von Scherman und Co als Quer- und Zwischenverbindungen der linearen Polymerketten, die das Rückgrat des Hyrogels bilden. Der Clou: Je nachdem welche Verbindungen in den Hohlräumen eingelagert werden, verändert sich die Materialeigenschaft des gesamten Gels von weich zu hart oder brüchig zu fest.

Am Ende produzierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen so ein gegen Druck kaum nachgebendes Gel: Wir waren überrascht, sagt Teammitglied Jade McCune in einer Pressemitteilung, dass das Gel so schwer zu komprimieren ist. Chemische Modifikationen an den Gastmolekülen in den Cucurbitil-Hohlräumen verändern die Eigenschaften deutlich. Am Ende gelang es den Wissenschaftlern durch Experimente mit solchen Modifikationen ein eher gummiartiges Ausgangsprodukt zu einem glasharten Endprodukt zu machen.

Im Prinzip ist nun die Konstruktion verschiedenster Typen neben dem neuen glasigen Hydrogel denkbar. Ihr Produkt würde es nun jedenfalls aushalten, wenn ein Elefant darauftrete, so die Forschergruppe – oder wenn eben ein Auto darüberrolle. Das Polymernetzwerk nehme auch bei zwölf aufeinander folgenden Belastungs-Entlastungs-Zyklen mit einem Kompressionsdruck von 100 Megapascal keinen Schaden, bleibe elastisch und regeneriere sich innerhalb von 120 Sekunden vollständig. Mit dem neuen Material könnten in Zukunft etwa bessere implantierbare Bioelektronikanwendungen verwirklicht werden, hofft das Team – oder eben verschiedene andere auf Hydrogelen basierende Applikationen gebaut werden, die elastisch und hart zugleich sein sollen.

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Titelbild: Shutterstock

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