Ich habe versucht, ein Smartphone zu reparieren, damit du es nicht brauchst
Hintergrund

Ich habe versucht, ein Smartphone zu reparieren, damit du es nicht brauchst

Jan Johannsen
18.11.2019

Wenn du dein Smartphone zur Reparatur einschickst, ist die Chance groß, dass es in Hartmannsdorf landet. In dem kleinen sächsischen Ort, etwa 20 Autominuten von Chemnitz entfernt, werden pro Jahr etwa eine halbe Million Smartphones repariert.

Etwa 250 Menschen arbeiten hier in einem sogenannten ESD-Bereich von repamo.com und W-Support für den besondere Regeln zum Schutz vor elektrostatischen Entladungen gelten. Für mich als Besucher bedeutet das: Kittel mit eingewebten Metallfäden und Schuhüberzieher anziehen.

Nicht jedes eingeschickte Handy können die Experten reparieren.
Nicht jedes eingeschickte Handy können die Experten reparieren.

Erden und erwärmen

Nach der Führung durch die Werkstatt geht es in den Trainingsraum, in dem neue Mitarbeiter angelernt und die Reparatur neuer Smartphones geübt wird. Hier ist ein Arbeitsplatz inklusive Werkzeugen und einem Smartphone für mich vorbereitet. Meine Aufgabe: Das Display tauschen.

Einen Kittel und Schuhüberzieher zum Schutz vor elektrischen Entladungen trage ich bereits. Bevor ich Smartphone und Werkzeug in die Hand nehmen darf, muss ich mich noch mit einem Armband und einem Kabel erden. Ohne diese Sicherheitsmaßnahmen besteht die Gefahr einer Entladung. Ich würde dann «einen gewischt» bekommen, was für mich nicht gefährlich ist, aber beim Smartphone die Platine zerstören kann. Bei unseren Testobjekten wäre das nicht so schlimm, aber bei Geräten von Kunden geschäftsschädigend.

Erdung per Armband und Kabel.
Erdung per Armband und Kabel.

Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen sind, bekomme ich mein Smartphone gereicht. Das Samsung Galaxy S7 lag zuvor eine Viertelstunde bei 70 Grad in einem besonderen Ofen. Das ist nötig, damit der Klebstoff, der das Smartphone zusammenhält, weich wird.

Rohe Kraft und feine Handarbeit

Zuerst ist Kraft gefragt. Ich spanne das S7 in einen Schraubstock ein und befestige einen Saugnapf auf der Rückseite. An diesem muss ich ziehen, um die Rückseite leicht anzuheben und ein dünnes «Plektrum» in die Öffnung zu schieben. Durch hin und her bewegen trenne ich den Kleber ab, bis ich die gesamte Rückseite abnehmen kann.

Rückseite mit Saugnapf anheben.
Rückseite mit Saugnapf anheben.
Kleber lösen.
Kleber lösen.

Werkzeugwechsel. Ich brauche einen Schraubenzieher. Bei Samsung reicht zum Glück ein klassisches Kreuz-Modell. Insgesamt zwölf Schrauben muss ich herausdrehen, bevor ich mit einem Kunststoffspatel zwei Plastikabdeckungen lösen kann. Nun liegt die gesamte Elektronik frei. Die Hauptplatine muss raus, aber noch wird sie von elf Steckverbindungen festgehalten. Die löse ich ebenfalls mit dem Spatel. Manche Komponenten wie die Kamera oder die 3,5-mm-Buchse sind einzelne Bauteile und müssen für den Displaywechsel nicht unbedingt raus.

Schrauben lösen.
Schrauben lösen.

Im Eifer des Gefechts will ich zu viel ausbauen und kappe eine Verbindung zur Zurück-Taste auf der Vorderseite. In diesem Moment bin ich froh, nur ein Übungsgerät in der Hand zu haben. Im Ernstfall hätte repamo.com aber auch dieses Einzelteil auf Lager, und könnte es, wenn es bei einer echten Reparatur kaputtgeht, ersetzen. Die richtige Werkstatt ist in Bereiche für die jeweiligen Hersteller aufgeteilt, damit die Mitarbeitenden kurze Wege zu Ersatzteilen haben. Jede Person ist in der Regel für die Reparatur mehrerer Geräte geschult. Wäre ich nicht nur Besucher, sondern Mitarbeiter, hätte die Schulung den Fauxpas verhindert.

Kunststoffabdeckung entfernen.
Kunststoffabdeckung entfernen.

Die 250 Menschen in der Smartphone-Reparatur gehören zu insgesamt 1300 Personen, die bei der «Komsa» in Hartmannsdorf arbeiten. Vereinfacht gesagt, kümmert sich die Firma seit 1992 darum, Telefone – und andere Elektronikartikel – in Deutschland in den Handel zu bringen. Die Reparaturwerkstatt ist eine Ergänzung dazu und der Unterschied zwischen den beiden Marken erklärt sich so: W-Support kümmert sich unter den strengen Vorgaben und im Auftrag mehrerer Hersteller wie Samsung, Huawei oder Sony vor allem um Garantiefälle. Repamo.com arbeitet unter weniger strengen Vorgaben und kann deswegen Reparaturen günstiger anbieten.

Display entfernen

Mir wird langsam klar, warum ich so viele Teile des Galaxy S7 ausbauen muss, um das Display zu wechseln. Die einzelnen Komponenten befinden sich zwar vorne und hinten im Metallgerüst, in dessen Mitte sich ebenfalls eine dünne Metallplatte befindet. Trotz dieser Trennung sind die Komponenten an mehreren Stellen verbunden. Und genau diese Verbindungen muss ich lösen.

Steckverbindungen müssen lose sein.
Steckverbindungen müssen lose sein.

Nun wird das Smartphone erneut erwärmt, damit ich mithilfe von Schraubstock, Saugnapf und Plektrum endlich das Display lösen und entfernen kann. Vor dem Einbau des neuen Bildschirms muss ich die Klebstoffreste entfernen. Die Konstruktion hat keinen Millimeter Spielraum und der Zusammenbau könnte an solchen Verunreinigungen scheitern.

Nichts verlieren.
Nichts verlieren.

Alles wieder zusammenbauen

Es gibt zwei Herausforderungen: Ich muss puzzeln und alle Teile in der richtigen Reihenfolge wieder einbauen. Das wird dadurch erschwert, dass ich von Samsung gelieferte Klebeformen an vorgegebenen Stellen anbringen muss. Das ist schwieriger als gedacht und ich verfluche die Person, die auf die Idee kam, Klebstoff beim Zusammenbau von Smartphones zu benutzen.

Das «Skelett» des Galaxy S7.
Das «Skelett» des Galaxy S7.

Am Ende gelingt es mir, das Display, die Platine und alle anderen elektronischen Bauteile an die richtigen Positionen zu bekommen, und die Steckverbindungen wieder herzustellen. Für das Dutzend kleiner Schrauben reicht jedoch die Zeit nicht mehr. Ich war zu langsam. Meine Führung geht weiter. Ob das Galaxy S7 mit dem neuen Display funktioniert, kann ich nicht ausprobieren und ob das Teil Wasserfest ist, ist ebenfalls mehr als fraglich.

Fast wieder zusammengebaut. Im Vordergrund liegen die vorgefertigten «Klebestreifen».
Fast wieder zusammengebaut. Im Vordergrund liegen die vorgefertigten «Klebestreifen».

Erkenntnis des Tages: Mit dem richtigen Werkzeug und etwas Übung lässt sich ein Smartphone reparieren. Zuhause würde ich das aber nicht ausprobieren, selbst wenn ich irgendwie an die Ersatzteile und das Werkzeug herankomme. Beim Fairphone 3, das extra für private Reparaturen konzipiert ist und nur von Schrauben zusammengehalten wird, sieht das allerdings ganz anders aus.

  • Hintergrund

    Fairphone 3: Review überflüssig

    von Dominik Bärlocher

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Jan Johannsen
Content Development Editor
jan.johannsen@galaxus.de

Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de. 


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