

Kauf lieber Bierdeckel statt «Beste Mama von allen»

Ich habe «Muttertag» in die Suchleiste eingegeben, 1 000 000 Blumen rausgefiltert und bin erschrocken. Die Welt der Verlegenheitsgeschenke ist ein finsterer Ort.
Als Kind war ich ein lausiger Bastler und bin es bis heute geblieben. Karten schrieb und schreibe ich auch nicht gerne. Das hat mich, sobald der jugendliche Leichtsinn einsetzte und etwas Geld im Portemonnaie war, zum Verlegenheitskäufer gemacht. Hässliche Kerzen, billige Vasen, sinnlose Staubfänger – meine Eltern haben alles tapfer in Empfang genommen. Mit ehrlicher Freude über die Geste und nur leicht irritiertem Blick, wenn der neueste Schrott ausgepackt war.
Kauf das bloss nicht
Heute bin ich klüger, habe selbst zwei Kinder und weiss: Eltern haben lieber eine feste Umarmung als den handfesten Unsinn, der mit «Mami» oder «Papi» bedruckt in letzter Sekunde in die Warenkörbe geworfen wird. Um Schaden von Müttern und Wänden abzuwenden, verlinke ich nur Produkte, die bis zum Muttertag ohnehin nicht mehr lieferbar sind.
Warum soll die «Super Mama» ihre Wand verschandeln? So eine platte Botschaft im XXL-Format lässt sich nicht mal in der Schublade oder im Schrank verstecken. Es ist doch so: Gekaufter Krimskrams ist bald entsorgt. Selbstgemachtes hüten Eltern wie einen Schatz und ziehen es auch Jahrzehnte später noch aus der Schublade.

Quelle: Shutterstock/Joanna Dorota
Mutterliebe bis zum Burnout
Wenn Mama so einzigartig ist, dann kauf’ ihr kein 08/15-Geschenk. Schneide das Herz selbst aus. Mach Frühstück. Zünde ein paar Kerzen an. Es muss ja nicht die mit dem Spruch «Gut gemacht Mami, ich bin toll geworden» dabei sein.
Die hätte ich mit 13 sicher in die engere Auswahl genommen. Mit dem klassischen Denkfehler im Kopf: «Ich find's lustig, das ist was für Mama!» Doch Eigenlob stinkt selbst als Gag verpackt. Duftkerzen auch.
Praktischerweise sind die «Chatty Candles» mit einem Gesundheitshinweis versehen: «Kann allergische Hautreaktionen verursachen.» Und, je nach Spruch, vielleicht auch Brechreiz. Immerhin halten sie nicht ewig.
Mamis, die so beschenkt werden, müssen darauf hoffen, dass die Kerze vor ihnen ausgebrannt ist. Und dass ihre Kinder dazulernen, statt auf Mama-Marketing hereinzufallen.

Quelle: Shutterstock/PhotographyByMK
Die Maschen des Mama-Marketings
Das Prinzip ist klar. All diese Mama-Produkte zielen auf jene, die zu faul, cool oder unsicher sind, selbst ein paar Sätze zu schreiben oder zur Bastelschere zu greifen. Wer sie kauft, sollte es zumindest bei einer dezenten Danke-Karte belassen und diese an den obligatorischen Blumenstrauss klemmen.
Völlig absurd finde ich gedruckte Massenware, die in blumigen Sätzen von der Einzigartigkeit der Beschenkten schwärmt. Es gibt sie, weil sich die schenkende Person nicht in die Verlegenheit bringen will, selbst um ein paar passende Worte zu ringen. Ein Musterbeispiel ist «Beste Mama von allen».
Laut Beschreibung ein sicherer Wert: «Stimmungsvolle Fotografien und Illustrationen samt emotionalen Sprüchen und Zitaten lassen jedes Mamaherz vor Freude höherschlagen.» Ich sehe eine zweckentfremdete Cremedose. Und in den Bildbeispielen Sprüche, auf die ich gerne eingehen möchte.
Einzigartig erwartbar

Einzigartig und unersetzlich? Das gilt sicher für Mama. Aber nicht für diesen Satz. Der ist durch ein Lächeln, eine Umarmung oder ein «Danke, Mama» mehr als ersetzt. Immerhin spricht er die Beschenkte direkt an. Das ist mehr, als das zweite Beispiel leisten kann.
Unendlich unspezifisch

Was ist schon unendlich? Frei nach Einstein (eventuell) das Universum – und die menschliche Dummheit. Deshalb wäre es schön blöd, deiner Mutter mit so einer unspezifischen Botschaft zu kommen. Ein handgeschriebenes «Ich bin dir unendlich dankbar dafür, dass du ... [was auch immer dir einfällt]» genügt, und schon hast du es besser gemacht.
Einfach irgendwas

Auch hier bleibt der Spruch im Ungefähren. Er legt sich nicht einmal fest, ob er deine Mutter zu diesen «einigen Menschen» zählt oder zu uns Normalos. Kein Wunder. Er kennt deine Mutter ja gar nicht. Du schon. Du kannst sagen, was sie so besonders macht. Ihre Lebensfreude, ihre Wärme, ihr erster Aufschlag beim Tennis.
Dafür brauchst du keine vorgefertigten Karten und keinen vorgegebenen «Muttertag». Die Botschaft kommt immer an. Jede Wette: Mit 100 Bierdeckeln, ein paar Stiften und 30 Minuten Zeit bringst du die Freudentränen zuverlässiger zum Fliessen als mit allem, was du durch Suchbegriffe wie «Muttertag», «Mama Geschenk» oder «Mami» so finden kannst.


Schneider Rollerball Paint-it
gold metallic, vintage green metallic, vintage red metallic, Silver Metallic, polar blue metallic, frosted violet metallic, Rose Metallic, Copper Metallic, 8 x

P.S.: Mama, falls du hier wieder mitliest: Würdest du dich über Blumen freuen? Hast du noch Kerzen? Und sorry für die Kaffeemaschine!


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.