Kingsman – The Golden Circle: Geheimagenten sind defintiv wieder cool
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Kingsman – The Golden Circle: Geheimagenten sind defintiv wieder cool

Im Anzug und Fliege rücken die britischen Agenten von Kingsman aus, die Welt zu retten. Diesmal stehen ihnen die Amerikaner von Statesman zur Seite. Aber taugt «Kingsman – The Golden Circle» etwas? Ich habe den Film vor seiner Premiere gesehen und habe Antworten.

Erinnerst du dich noch daran, wie James Bond cool war? «Martini. Geschüttelt, nicht gerührt» und irre Gadgets die jeder Praktikabilität entbehren, aber einfach nur Spass auf der Leinwand machen. Das Genre des Agentenfilms im Geiste Bonds scheint tot. Bondfilme mäandrieren vor sich hin, sind mal besser, mal schlechter, aber vor allem eins: austauschbar. Wenn in «Spectre» nicht Bond die Hauptrolle gewesen wäre, so wäre es vielleicht Jack Reacher gewesen. Oder Jason Bourne. Spielt keine Rolle.

Die Briten von Kingsman halten dagegen. Sowohl im ersten Teil, «Kingsman: The Secret Service», wie auch im zweiten Teil «Kingsman: The Golden Circle». Keiner könnte die Briten ersetzen. Kein Bond, kein Bourne, kein Reacher. Denn «The Golden Circle» ist einfach der bessere Bondfilm. Mit mehr «fuck» in den Dialogen, versteht sich. Denn die Briten, deren Hauptquartier im Hinterzimmer der Londoner Savile Row ist, müssen irgendwas haben, das Bond nicht hat.

Die Welt als Geisel

Die Welt ist in Gefahr. Mal wieder. Hat im ersten Teil ein Medienmogul mit Sprachfehler – gespielt von Samuel L. Jackson – die Welt unterjochen wollen, nimmt sie Poppy Adams (Julianne Moore) im zweiten Teil als Geisel. Sie ist sauer, weil ihr Wirtschaftszweig sie aus ihrem Heimatland, den USA, vertrieben hat, ihr keinen Ruhm und keine Ehre bringt, auch wenn sie im vergangenen Jahr 250 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat. Und dann muss sie auch noch in einer alten Ruine hausen, die sie zu einer Karikatur der US-amerikanischen 1970er-Jahren ausgebaut hat. Sie hätte vielleicht nicht den Drogenhandel als ihr Metier wählen müssen.

Führt die Agenten von Kingsman im Feld: Eggsy alias Galahad

Ihr entgegen stellen sich die Agenten von Kingsman. Gary Unwin (Taron Egerton), alias Eggsy, alias Galahad, führt das Feld der Kingsmen an. Ihm zur Seite stehen nur Merlin (Mark Strong) als eine Art Gadget-Macher und Wissenschaftler und Roxy (Sophie Cookson), alias Lancelot, die Eggsy während Einsätzen mit Informationen versorgt.

Das funktioniert ganz gut, wären da nicht die Raketen, die gerade auf alle Stützpunkte der Kingsmen abgefeuert wurden…

Keine Überraschung, dafür aber Unterhaltung

Weisst du, was die ganzen James-Bond-Filme so grossartig gemacht haben? Du hast mehr oder weniger gewusst was kommt.

  1. Irgendein Bösewicht, der plakativ böse ist, plant die Weltherrschaft zu erlangen
  2. Bond ermittelt
  3. Bond trinkt einen Martini. Geschüttelt, nicht gerührt
  4. Bond verführt eine schöne Frau mit Namen wie Pussy Galore (Honor Blackman)
  5. Der Bösewicht macht so «Muahahaha! Sie können mich nicht aufhalten, Mr. Bond»
  6. Bond entkommt
  7. Q gibt Bond Gadgets, sagt, dass er das Auto ja wieder heile zurückbringen soll
  8. Bond geht dem Bösewicht nach, schrottet die Karre, kriegt das Mädel und steigt mit ihr in die Kiste, wo er von Q (meist Desmond Llewellyn) und M und anderen unterbrochen wird
  9. End Credits

Auch wenn nicht alle Bond-Filme diesem Schema entsprechen, so ist das doch die stereotype Handlung. Kingsman macht es Bond gleich. Wieder wird geflucht, wieder werden die selben Storyelemente gebracht, die den Vorgänger schon gut gemacht haben. Doch der Film scheint erwachsener geworden zu sein. Das zeigt sich nicht nur in der Machart, sondern auch an der Story.

Die Kampfszenen sind nach wie vor das Herzstück des Films. Sie wirken dank Computereffekten und cleveren Schnitten wie eine einzige Szene. Im Zeitalter von Actionszenen, die dank Shaky Cam – also wackliger Kamera –, beinahe unverständlich bleiben, setzt Kingsman auf das Gegenteil. Wenn Eggsy gerade einen Bösewicht verprügelt, dann hat jeder Akteur im Kampf seinen Platz. Die Szene wirkt kohärent und in sich selbst logisch, selbst wenn da Elektro-Lassos und Maschinengewehre in Koffern und Messerspitzen in Oxford-Schuhen und Roboterarme zum Einsatz kommen.

Dafür ist der Fäkalhumor deutlich in den Hintergrund getreten. War eine der grossen Pointen des ersten Teils noch «Haha, Analsex», sind die Witze jetzt nuancierter, aber immer noch gleich dreckig. Cleverer halt. «Du gehst die Welt retten? Du weisst, was das heisst, wenn du wieder nach Hause kommst», sagt die Prinzessin Tilde (Hanna Alström) zu ihrem liebsten Eggsy. Ja, Fans des Franchises wissen genau, was das heisst. Genau dasselbe wie im ersten Teil. Der Witz trifft voll ins Schwarze. Wenn es dann aber wirklich schlüpfrig wird, dann wird der Film auf einmal ernst. Eggsy soll mit einer Frau schlafen, um die Welt zu retten? Was da wohl seine Freundin dazu sagt? Auf einmal werden so nebenbei Fragen wie «Wo liegen die Prioritäten einer Person?» aufgeworfen, wenn auch nur für wenige Sekunden. Das reicht, um dem Film eine ernstere Note zu verleihen.

Elton John, Motherfuckers!

Nebst der Geschichte um Eggsy und sein Leben finden auch allerlei skurrile Figuren Einzug in den Film. Poppy Adams ist wunderbar böse, ohne eine tragische Geschichte, die ihr böses Handeln erklärt. Ihr Helfer Charlie (Edward Holcroft) hat einen Roboterarm und erinnert nur leicht an den Beisser (Richard Kiel) aus den Bond-Filmen.

Und dann sind da natürlich die Agenten von Statesman, dem unabhängigen Geheimdienst der USA, und Cousin Kingsmans. Genau wie die Kingsmen extrem britisch sind, sind die Statesmen extrem amerikanisch. Ihre Waffen sind nicht Regenschirme, sondern Lassos. Sie sprechen nicht mit vornehmem Akzent, sondern mit einem Southern Drawl der sich gewaschen hat. Dazu die typische Gigantomanie der Amerikaner. Es ist fast schon zwanghaft, dass die Statesmen grösser, schneller und besser sein müssen als die Engländer. Genau das ist es, was sie charmant macht. Sie entschuldigen sich nicht für das, was sie sind, auch wenn das genau so eine Karikatur einer Kultur ist wie es die Männer und Frauen von Kingsman sind.

Channing Tatums Part ist zwar nett anzusehen, aber total überflüssig

Die Statesmen sind dann auch die einzige Schwäche des Films. Irgendwer hatte noch die Idee, Schauspieler Channing Tatum in den Film aufzunehmen und daher musste der Plot um seine Figur noch irgendwie in den Film geschustert werden. Ich bin davon überzeugt, dass Tatum nicht allzu oft am Set war und in einer Szene ist er eindeutig per Green Screen im Hintergrund eingefügt worden. Tatum hätte sich der Film schenken können, die zehn Minuten mit ihm auch, und so wäre der Film um einiges straffer geworden. Ähnlich die Szenen mit dem US-Präsidenten, der eigentlich auch gar nichts mit dem Plot zu tun hat. Da aber Witze über den derzeitigen Präsidenten Donald J. Trump gerade Mode sind, musste sein Part wohl auch vergrössert werden.

Dazu noch Elton John. Ja, der Elton John. Englischer Sänger und Adliger, der eigentlich mehr oder weniger von der Bildfläche der Popkultur verschwunden ist. Er überrascht in seiner Rolle als sich selbst, als widerwilliges Entführungsopfer, das kaum eine Zeile ohne das Wort «fuck» ausspricht. Ganz grosse Unterhaltung.

Kurz: Wer den ersten Teil gemocht hat, der wird den zweiten Teil auch mögen. «Kingsman: The Golden Circle» ist reifer – sowohl technisch wie auch inhaltlich – und macht genausoviel Spass wie der Vorgänger.

Alle Bilder © 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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