LG V20 – Das Gute aus dem Osten
Produkttest

LG V20 – Das Gute aus dem Osten

LG ärgert mich manchmal. Vor allem dann, wenn sie etwas wirklich Gutes produzieren und dann das Teil nicht in der Schweiz veröffentlichen. Doch ich bin nicht der Einzige, den das ärgert. Auch unser Produktmanagement findet, dass du viel Freude am LG V20 haben wirst. Daher importieren wir die Geräte für dich.

Rein optisch sieht das LG V20 im ausgeschalteten Zustand genauso aus wie jedes andere Smartphone auch: Ein Rechteck mit abgerundeten Ecken. Der Powerbutton-Schrägstrich-Fingerabdruckscanner ist hinten am Gerät, Lautstärkeregler an der Seite. Gähn.

Aber das LG V20 überrascht hardwareseitig auf den zweiten Blick. Und zwar damit, dass es einfach geöffnet werden kann. Ja, der Akku ist austauschbar. Das ist wohl eines der letzten Phones, bei dem du den Akku ohne weiteres aus dem Gerät entfernen kannst.

LG V20 (64 GB, Titan Gray, 5.70", Hybrid Dual SIM, 16 Mpx, 4G)

LG V20

64 GB, Titan Gray, 5.70", Hybrid Dual SIM, 16 Mpx, 4G

LG V20 (64 GB, Titan Gray, 5.70", Hybrid Dual SIM, 16 Mpx, 4G)
Smartphone

LG V20

64 GB, Titan Gray, 5.70", Hybrid Dual SIM, 16 Mpx, 4G

Ferner fällt auf, dass auf der Rückseite zwei Kameras angebracht sind. Dazu aber später mehr, denn das ist eine der grossen Stärken des V20 und mitunter ein Grund, weshalb du dir den Kauf durchaus überlegen solltest, wenn du ein Handy brauchst.

Achtung: Beim Kauf ist es möglich, dass dein LG V20 auf Chinesisch eingestellt ist. Wir versuchen zwar, die Handys vor dem Kauf umzustellen, aber wir haben vereinzelt Kundenberichte erhalten, die sagen, dass ihr LG V20 anfangs auf Chinesisch beharrt. Daher habe ich euch diesen Guide geschrieben.

  • Hintergrund

    Smartphones aus China – Finde die Spracheinstellungen

    von Dominik Bärlocher

Gut, gehen wir ans Eingemachte.

Der kleine Bildschirm oben

Als grosses Feature preist das LG V20 den zweiten Bildschirm oben an. Dieses sekundäre Display erlaubt es Nutzern, auch bei ausgeschaltetem Display auf Informationen und Funktionen zugreifen zu können. Standardmässig sind folgende Funktionen hinterlegt:

  1. Vibration/Ton ein/aus
  2. WLAN ein/aus
  3. Taschenlampe ein/aus
  4. Bluetooth ein/aus
  5. Screenshot machen und editieren

Diese können aber in den Einstellungen geändert werden. Danebst taucht auf dem Sekundärdisplay die Zeit und der Akkustand auf. Und wenn du eine App wie Spotify startest, dann kannst du die Musik über diesen zweiten Bildschirm kontrollieren. In der Regel sind die Icons auf dem kleinen Screen in schwarz/weiss gehalten, damit so viel Energie wie möglich gespart werden kann. Doch Spotify und andere Apps bringen etwas Farbe rein.

Der zweite Bildschirm oben am Handy ist wesentlich nützlicher als ich gedacht hätte

Das Display ist dazu da, Energie zu sparen. Denn wenn bei jedem kurzen Blick auf die Uhr der ganze Bildschirm angefeuert werden muss, dann verbraucht das mehr Energie als es LG lieb ist. Mit dem kleinen Bildschirm will der südkoreanische Hersteller den Energieverbrauch seines Smartphones senken, obwohl der 3200 mAh-Akku sich eigentlich nicht zu verstecken braucht. Der Effekt: Der Akku hält locker einen Tag durch, wenn das Phone nicht gestresst wird. Sollte der Akku dann doch mal schlapp machen, dann kann er dank Quick-Charge-3.0-Technologie innerhalb kürzester Zeit aufgeladen werden. Der Quick-Charger schafft etwa ein Prozent Batterie pro Minute.

«So ein Gugus», denkst du dir jetzt. Dachte ich zu Beginn meines Tests auch. Doch irgendwann hat sich ein etwas merkwürdiger Effekt eingeschlichen. Ich weiss gar nicht, weswegen ich angefangen habe, den Bildschirm zu benutzen. Wahrscheinlich als ich einmal meine WLAN-Verbindung ein- oder ausgeschaltet habe. Aus Privatsphärengründen habe ich diese nur zu Hause aktiviert, denn die Kiosk- und Ladenkette Valora hat es sich angewöhnt, Kunden oder potentielle Kunden mittels der WLAN-Signale Smartphones zu tracken. Das funktioniert so:

  1. Dein Handy sucht pausenlos nach kabellosen Netzwerken. Das Suchsignal deines Phones enthält eine einzigartige Kennung.
  2. Valora hat in ihren Geschäften Technologie von Minodes verbaut, die deinem Phone sagt «Hey, ich bin ein WLAN»
  3. Minodes-Tech zeichnet die Kennung deines Smartphones auf
  4. Wenn du vom Kiosk zum Caffè Spettacolo gehst, dann nimmt zuerst der Kiosk diese Kennung auf, dann die vom Spettacolo.

So weiss Valora, wann du wo warst und wie lange du dort warst. Darauf habe ich keine Lust. Ich bin mir sicher, dass Valora nicht die einzigen bleiben werden, die solche Technologie anwenden. Denn sie verspricht viel. Gegenüber der Gratiszeitung 20 Minuten hat Cyril Dorsaz, Digital Innovation Manager bei Valora, folgendes Zitat abgegeben: «So sehen wir, ob der Kunde nach dem Kaffeekauf im Spettacolo auch noch einen Brezelkönig besucht und wie treu er uns ist». Die marketingrelevante Vorratsdatenspeicherung klingt rein wirtschaftlich hochinteressant, auch wenn sie jede Firma, die diese Technologie anwendet, in moralisch-ethisch mehr als nur fragwürdiges Territorium bringt.

Wie das LG V20 beweist, dass Hersteller UIs doch gut sein können

Sind wir mal ehrlich, viele der Handy-Hersteller haben es hardwaremässig drauf, aber softwaremässig versagen sie kläglich. Das kann viele Gründe haben. Huaweis Emui will gerne Apples iOS sein, scheitert aber daran, Googles Material Design mit Apples Design von Jony Ive zu vereinen. Samsung plagt User damit, dass ihr Design farblich manchmal etwas merkwürdig ist und ihre Produkte softwareseitig ohne weiteres nur mit anderen Samsung-Produkten kompatibel sind. Da scheitert weniger das Design sondern die politischen Firmenentscheide. Hardwaremässig kann sowohl Huawei aber auch Samsung nichts vorgeworfen werden. Softwareseitig aber geht es um Geschmäcker und die sind bekanntlich verschieden.

Nicht nur deshalb erfreut sich die Rooting-Szene grosser Beliebtheit und viele unabhängige Entwickler und Entwickler-Teams stellen sogenannte ROMs, also Android-Versionen, für Geräte vielerlei Hersteller her. Viele dieser ROMs haben eines gemeinsam: Sie versuchen, die Benutzeroberflächen, die Hersteller ihren Nutzern aufzwingen, mit der Originalidee Googles zu ersetzen. Aktuell heisst das, dass die ROMs versuchen, die Software der Pixel-Phones zu imitieren. Die ROMs haben zudem den Vorteil, dass sie oft schneller aktualisiert werden als die Software, die ein Hersteller ausliefert.

LG macht es aber vor und beweist, weshalb User doch Vorzüge geniessen können, wenn sie bei der Software des Herstellers bleiben. Denn LG gibt dir freie Hand, wenn es um eine Vielzahl Einstellungen geht. Im Wesentlichen scheinen sich die Designer und Developer gedacht zu haben: «Wir finden das schön so. Aber wenn dir das nicht passt, dann kannst du das ändern. Hier ist die Option». Nicht mal Google erlaubt das.

Daher ist das LG V20 das perfekte Smartphone für Bastler und solche, die ihr Telefon gerne nach ihren Wünschen gestalten wollen. Das soll aber nicht heissen, dass die Updates des Herstellers langsam ausrollen. Im Gegenteil. Während Samsung – in der Schweiz einer der langsamsten in Punkto Upgrade – noch mit dem Upgrade zu Android 7.0 Nougat hadert, läuft das V20 schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit Nougat.

Von der Bastelwut gepackt habe ich dann an meinem LG V20 etwas rumgebastelt und so dann irgendwie zu Nova Launcher und dem darin integrierten Pixel-Look gefunden. Dieses Bildschirmlayout lässt den Menüknopf unten am Bildschirm verschwinden. Das Menü kann aber mit einem Swipe auf der unteren Bildschirmhälfte hochgezogen werden. Bequem.

Mein aktueller Homescreen

Doppelte Kamera, doppelt gut

Das LG V20 ist das erste Doppelkamera-Phone, das ich teste. Das heisst, an der Rückseite hat das Gerät zwei Kameras verbaut. Eines davon ist ein Weitwinkelobjektiv, das andere ist ein ganz normales Objektiv. Wie du es dir von jedem anderen Handy bisher gewohnt bist. Etwas Zoom und das wars.

Die Doppelkamera ist auffällig und macht grossen Spass

Dazu hat das LG V20 einen manuellen Modus, in dem du selbst bestimmen kannst, welche Einstellungen das Gerät zur Aufnahme verwenden soll. Sie können in Punkto Einstellungsvielfalt zwar nicht mit einem vollwertigen manuellen Modus einer Fotokamera mithalten, aber für Bilder, die jenseits von Selfies und Schnappschüssen liegen, eignet sich dieser Modus gut.

Die Einstellungen:

  • Blende
  • Weissabgleich
  • Fokus → Manuell oder Auto
  • Lichtwert
  • ISO-Wert
  • Verschlussgeschwindigkeit

Den Effekt von normalem Objektiv zu Weitwinkel zu beschreiben ist etwas schwierig, daher dieses Motiv aus meinen Island-Ferien. Wir reden hier über Fotos, daher sprechen Bilder mehr als tausend Worte.

Unser Superjeep mit Fahrer Kjartan in der normalen Aufnahme
Das selbe Motiv in Weitwinkel. Ich habe mich keinen Schritt bewegt

Dann, auf dem Gletscher Snaefellsjökull, ging alles schief.

Zwei Stunden haben wir in eisiger Kälte und Schneesturm ausgeharrt, bevor Rettung kam

Das nervige Dual-SIM Setup

Doch beim LG V20 ist nicht alles super. Einen grösseren Lapsus haben sich die Südkoreaner doch geleistet. Und der nervt. Es handelt sich dabei um das Dual-SIM Setup. Dual-SIM ist an sich ein ganz tolles Feature, da es für Vielreisende Vorteile ohne Ende bietet. Reise nach Spanien an den Mobile World Congress? Burner-SIM aus Spanien und Problem gelöst. Irland? Auch Burner-SIM. Total praktisch und ich bin immer und überall online ohne dass ich auf Telefonate auf meine normale Telefonnummer verzichten muss oder mit mühsamer Rufumleitung rumwurschteln muss.

So, wo kommt also der Haken rein?

Der untere Bildschirmrand eines Google Pixel
Der untere Bildschirmrand auf dem LG V20

Das vierte Icon in der beinahe universell mit drei Icons versehenen Leiste am unteren Bildschirmrand kannst du nicht ausschalten, ausblenden oder irgendwie wegmachen. Da hört die Anpassbarkeit der LG-Android-Distro auf. Warum auch immer. Vor allem ärgert mich das, weil das Telefon eigentlich erkennt, dass da keine zweite SIM-Karte eingelegt ist. Könnte da nicht eine Einstellung sein, die es mir erlaubt, das vierte Symbol auszublenden, wenn keine zweite SIM-Karte eingelegt ist?

UPDATE: User Vögatron ist mein Held! Er hat in den Kommentaren unten herausgefunden, dass der vierte Knopf entfernt werden kann. Die Einstellungen sind unter Settings --> Home Touch Buttons --> Button Combination zu finden. Dort gibt es sogar noch weitere Buttons, die der Knopfleiste hinzugefügt werden können.

Wie habe ich da je zweifeln können? Ehrlich.

Mir ist bewusst, dass ich mich auf hohem Niveau beschwere und ich weiss, dass ich mich mittlerweile an das vierte Symbol gewöhnt habe, es geflissentlich ignoriere und es mich eigentlich nicht stört. Doch im Kontext von LGs Philosophie von wegen «Wir finden das gut so, aber du kannst das ändern» sticht dieses fixe Setting arg heraus.

Das Fazit

LG hat einen kapitalen Fehler begangen, indem sie das V20 nicht auf den Schweizer Markt gebracht haben. Denn das Telefon kostet zwar einen schönen Batzen, liefert dafür aber sehr viel. Es führt mit dem zweiten Bildschirm ein neues Feature ein, das schleichend das Objekt Smartphone revolutioniert hat und wohl von anderen Herstellern – HTC hat das bereits bestätigt – adaptiert wird. Es verbindet nahtlos Technologie, die als veraltet gilt, wie unter anderem ein 3.5mm-Kopfhörer-Jack und den herausnehmbaren Akku mit modernster Technologie und bietet Leistung, die wohl auch noch mit der kommenden Generation Smartphones mithalten kann.

Ich mag das LG V20 sehr und wünsche jedem ein solches Phone, das Leistung mit Komfort und Spass vereint. Ich hoffe, LG hat mit dem V20 einen Kurs eingeschlagen, den sie beibehalten werden. Denn wenn das der Fall ist, dann können wir von den Südkoreanern viel erwarten. Hoffentlich dann auch in der Schweiz. Sonst importieren wir die Geräte halt einfach für dich. Geht auch.

19 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar