«Like a Dragon: Ishin» im Test: verrückte Samurai-Action mit absurdem Humor
Spielkritik

«Like a Dragon: Ishin» im Test: verrückte Samurai-Action mit absurdem Humor

Statt Faustkämpfen mit Yakuza-Schergen erwarten dich im neuesten «Like a Dragon»-Spiel Katana-Duelle in einem historischen Setting. Das Samurai-Game gehört trotz einiger veralteter Gameplay-Elemente schon jetzt zu meinen Gaming-Highlights des Jahres.

Die «Like a Dragon»-Spielreihe – bei uns bis vor kurzem noch bekannt als «Yakuza» – erfreut sich in Japan schon jahrelang grosser Popularität. Im Westen fristete die Serie aufgrund von schlechten Übersetzungen und verzögerten Releases lange Zeit ein Nischendasein. Das 2014 erschienene Samurai-Spin-Off «Like a Dragon: Ishin» wurde deshalb nie ausserhalb von Japan veröffentlicht.

Rund neun Jahre nach dem ursprünglichen Release auf der PS3 spendiert das Entwicklerstudio Ryu Ga Gotoku «Like a Dragon: Ishin» ein komplettes Remake in der Unreal Engine 4 – inklusive überarbeiteter Grafik, zusätzlichen Spielinhalten und neuen Charakteren. So kommen erstmals auch Fans ausserhalb Japans in den Genuss des Samurai-Ablegers.

Wenn du dich auch nur ansatzweise für japanische Geschichte und Kultur interessierst oder einfach Lust auf ein herrlich abgedrehtes Action-RPG hast, solltest du diesem einzigartigen Spiel unbedingt eine Chance geben.

Du kannst dir die Spielkritik auch als Video ansehen:

Mord und Bürgerkrieg in der Edo-Periode

Die Geschichte von «Like a Dragon: Ishin» ist am Ende der historischen Edo-Periode im späten 19. Jahrhundert angesiedelt. Japan steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Anhänger der Militärdiktatur des Shōguns und Loyalisten des japanischen Kaisers stehen sich gegenüber. Neue Technologien aus dem Westen – unter anderem Schusswaffen – sorgen für zusätzliche Spannungen zwischen den Gruppierungen.

Du übernimmst die Rolle des Samurais Sakamoto Ryōma, der als Teil der kaiserlichen Loyalisten die Shōgun-Diktatur stürzen will. Dein Vater ist Anführer einer lokalen Loyalisten-Gruppierung. Er wird unter mysteriösen Umständen getötet und Ryōma wird fälschlicherweise des Mordes beschuldigt. Der trauernde Samurai macht es sich fortan zur Lebensaufgabe, den echten Mörder seines Vaters zu finden.

Wie für «Like a Dragon»-Games typisch, erzählt «Ishin» in seinen rund 35 Stunden Spielzeit eine epische Geschichte voller Wendungen, Intrigen und einzigartiger Charaktere. Das Spiel vermischt dabei historische Fakten mit fiktiven Storylines. Fans der Hauptreihe werden zudem diverse Abwandlungen von bekannten Figuren aus den Yakuza-Games wiedererkennen.

Um der Geschichte folgen zu können, musst du die Story der Hauptreihe nicht kennen. Wissen über japanische Geschichte wird ebenfalls nicht vorausgesetzt. Das Game führt dich langsam in das historische Setting ein und sorgt mit hilfreichen Features dafür, dass du stets den Überblick über die komplexe Story behältst.

Ziemlich praktisch: Das historische Lexikon liefert dir per Knopfdruck Informationen zu japanischen Begriffen und Ortschaften während Konversationen und Cutscenes.
Ziemlich praktisch: Das historische Lexikon liefert dir per Knopfdruck Informationen zu japanischen Begriffen und Ortschaften während Konversationen und Cutscenes.
Quelle: Domagoj Belancic

Mit Pistole, Katana und Soldatenkarten

Auf der Suche nach dem echten Mörder verschlägt es dich nach Kyo – heute bekannt als Kyoto. Um die Wahrheit ans Licht zu rücken, musst du dich serientypisch durch riesige Horden von Gegnern und mächtige Feinde kämpfen. Im Gegensatz zu den Mainline-Games verlässt du dich als Samurai nicht nur auf deine Fäuste, sondern auch auf dein Katana und diverse Schusswaffen.

Während den Kämpfen kannst du jederzeit zwischen vier Kampfstilen hin- und herwechseln. Jeder Stil hat dabei seine Vor- und Nachteile in der Defensive und Offensive. Als «Schwertkämpfer» verlässt du dich ausschliesslich auf dein Katana, als «Scharfschütze» ballerst du Feinde aus der Ferne mit Revolvern und Pistolen nieder und mit dem «Strassenkämpfer» lässt du deine Fäuste sprechen. Mein Lieblingsstil ist aber der «Freitänzer» – mit dem Revolver in der einen und dem Katana in der anderen Hand erledigst du auch grosse Gruppen von Gegnern mit Leichtigkeit.

Mit dem Freitänzer weiche ich elegant Angriffen aus und greife mehrere Gegner gleichzeitig an.
Mit dem Freitänzer weiche ich elegant Angriffen aus und greife mehrere Gegner gleichzeitig an.
Quelle: Domagoj Belancic

Abgerundet werden die chaotischen Kämpfe mit dem Heat-System. Je erfolgreicher du Gegnerhorden verprügelst und je länger deine Kombos sind, desto mehr Heat wird generiert. Ist die Heat-Leiste voll, kannst du spektakulär inszenierte Spezialangriffe ausführen. Die kurzen Cutscenes sind an Absurdität und Brutalität kaum zu überbieten und machen auch nach Hunderten von Wiederholungen Spass.

Heat-Aktionen sind blutig, brutal und vor allem sehr unterhaltsam.
Heat-Aktionen sind blutig, brutal und vor allem sehr unterhaltsam.
Quelle: Domagoj Belancic

Im Verlauf des Games wird das sowieso schon verrückte Kampfsystem durch noch verrücktere «Soldatenkarten» ergänzt. Diese waren in der Originalversion von «Ishin» noch nicht dabei.

Pro Kampfstil hast du die Möglichkeit bis zu vier Karten auszurüsten. Die ausgewählten Soldaten geben dir entweder passive Buffs oder helfen dir per Knopfdruck aktiv in der Offensive. Im Verlauf des Spiels schaltest du immer mehr und immer skurrilere Karten frei. Du kannst Gegner mit Blitzen angreifen, sie mit Feuersalven verbrennen oder riesige Kampfbären auf deine Feinde hetzen. Ja, du hast richtig gelesen. Kampfbären.

Darf ich vorstellen? Das ist mein ganz persönlicher Kampfbär. Süss, oder?
Darf ich vorstellen? Das ist mein ganz persönlicher Kampfbär. Süss, oder?
Quelle: Domagoj Belancic

Klingt verrückt? Ist es auch! Das Verbinden von widersprüchlichen Gameplay- und Story-Elementen zu einem kohärenten Ganzen war schon immer ein Markenzeichen der Serie. In «Ishin» wird der Kontrast zwischen Ernsthaftigkeit und Absurdität auf die Spitze getrieben. Es ist erstaunlich, dass es das Game fertigbringt, eine so dramatische Story in einem historisch akkuraten Setting mit einem solch überdrehten Kampfsystem zu verheiraten.

Das Problem mit den Upgrades

Leider ist das flexible und abwechslungsreiche Kampfsystem in «Like a Dragon: Ishin» an ein extrem zeitaufwändiges und ermüdendes Upgrade-System gebunden. Ja, die Franchise ist bekannt für ihre Grind-lastigen Gameplay-Loops. Aber bei «Ishin» war es für mich zu viel des Guten.

Für Waffen- und Rüstungsupgrades verlangt der Schmied in Kyo eine Menge Geld und Rohmaterialien. Vor allem am Anfang des Spiels bekommst du für absolvierte Missionen nur sehr wenig Geld. Und das Sammeln von Rohmaterialien ist mit viel Glück und repetitiven Aufgaben verbunden. Doch damit nicht genug. Einige Upgrades lassen sich nur durchführen, wenn du die Schmiede zunächst hochlevelst. Und das kannst du nur machen, wenn du dem Schmied seltene Ressourcen und Waffen spendest.

Ein zeitaufwändiger Teufelskreis, der meine Experimentierfreude vor allem am Anfang des Spiels stark gedämpft hat. Immerhin: Im Verlauf des Spiels wird dir der Zugang zu seltenen Ressourcen etwas vereinfacht.

Einige Upgrades können beim Schmied sogar komplett fehlschlagen. Sonst wäre es ja zu einfach.
Einige Upgrades können beim Schmied sogar komplett fehlschlagen. Sonst wäre es ja zu einfach.
Quelle: Domagoj Belancic

Um das Ganze noch frustrierender zu machen, ist die Menüführung zu den Upgrades unübersichtlich, verwirrend und teilweise verbuggt. Ich habe mehrere Anläufe gebraucht, bis ich verstanden habe, wie ich meine Schwerter upgraden kann. Verdammt, ich will doch einfach einen coolen Samurai mit coolen Waffen spielen und nicht unnötig komplizierte Menüs studieren, die sich wie ein Relikt einer längst vergangenen Gaming-Ära anfühlen.

Ich wünsche dir viel Glück und vor allem viel Geduld in den teils schrecklichen Menüs des Spiels.
Ich wünsche dir viel Glück und vor allem viel Geduld in den teils schrecklichen Menüs des Spiels.
Quelle: Domagoj Belancic

Auch das Erlernen neuer Kampffähigkeiten ist mit unnötigen Umwegen verbunden. Und das Freischalten neuer Soldatenkarten erinnert an das Öffnen von Lootboxen in Live-Service-Games. Du gibst dein hart erarbeitetes virtuelles Geld aus und weisst nicht, ob du eine komplett nutzlose Karte, oder eine seltene Superkarte bekommst.

Hier fühle ich mich zu Hause

Neben Prügelorgien und Katana-Duellen gibt es in der Open World von Kyo auch sonst viel zu tun. Die Stadt ist im Vergleich zu neueren Yakuza-Games relativ klein gehalten. Dafür ist sie umso dichter besiedelt und noch voller mit diversen Nebenaktivitäten und Ablenkungen.

Wenn du eine Pause vom Samurai-Alltag brauchst, kannst du dich in einem Karaoke-Schuppen vergnügen, an einem Tanzkurs teilnehmen, in einem Bordell um die Wette trinken oder dein hart verdientes Geld bei illegalen Hühnerrennen verprassen. Die Bandbreite an Minispielen und Nebenaktivitäten ist enorm und lockert das actionlastige Gameplay auf. Ja, sogar eine ganze Landwirtschaftssimulation mit Animal-Crossing-Flair hat es in das Spiel geschafft.

In Ryōmas Landhaus kann ich Gemüse anbauen, neue Deko für mein Anwesen sammeln und einfach mal die Seele baumeln lassen.
In Ryōmas Landhaus kann ich Gemüse anbauen, neue Deko für mein Anwesen sammeln und einfach mal die Seele baumeln lassen.
Quelle: Domagoj Belancic

Das Herz und die Seele der «Like a Dragon»-Reihe sind aber die humorvollen Nebenmissionen, die oft in starkem Kontrast zur ernsten Hauptgeschichte stehen. Auch «Ishin» enttäuscht in dieser Hinsicht nicht. Kyo ist vollgepackt mit lustigen Nebengeschichten, die Ryōma oft in irrwitzige Situationen bringen.

Viele dieser optionalen Geschichten werden in mehrteiligen Quest-Reihen erzählt. So musst du einzelne Charaktere immer wieder aufsuchen, um die Freundschaft zu ihnen zu vergrössern und um neue Aufgaben in der Quest-Reihe freizuschalten. Dadurch lernst du die Bewohner und Bewohnerinnen von Kyo mit der Zeit richtig gut kennen. Der Sake-Verkäufer um die Ecke ist dann nicht mehr irgendein anonymer NPC, sondern ein echter Mensch mit einer echten Hintergrundgeschichte. Am Ende meiner Reise fühlte ich mich in Kyo so richtig zu Hause und ich wollte das malerische Städtchen mit den ulkigen Bewohnern gar nicht mehr verlassen.

Das Game schafft es, absolut absurde Nebenmissionen mit der Ernsthaftigkeit der Hauptgeschichte zu kombinieren. Hier jage ich gerade halbnackt einen Kleiderdieb.
Das Game schafft es, absolut absurde Nebenmissionen mit der Ernsthaftigkeit der Hauptgeschichte zu kombinieren. Hier jage ich gerade halbnackt einen Kleiderdieb.
Quelle: Domagoj Belancic

Für das Erledigen von Nebenquests und Minispielen wirst du mit Erfahrungspunkten, Geld, Rohmaterialien und «Tugendpunkten» belohnt. Die ersten drei Ressourcen kannst du in Waffen- und Rüstungsupgrades investieren und die Tugendpunkte tauschst du gegen verbesserte Basisfähigkeiten, wie beispielsweise mehr Platz im Inventar, ein. Der laufende Erhalt von Ressourcen und Punkten gibt dir ein Gefühl des kontinuierlichen Fortschritts und sorgt dafür, dass sich auch die banaleren Nebenaktivitäten nicht wie sinnlose Zeitverschwendungen anfühlen.

Ein zweischneidiges Schwert

Grafisch macht das Game bisweilen ziemlich was her. Vor allem bei Nacht sieht Kyo wunderschön aus. Die belebten Strassen sind voller NPCs, die ihrem Alltag nachgehen. Überall bewegt sich etwas – Hunde und Kinder rennen umher, Wanderhändler streifen auf der Suche nach Kundschaft durch die Strassen und Ladenbesitzer versuchen dich mit aufdringlichen Methoden in ihr Geschäft zu locken. Manchmal laufe ich einfach ziellos durch die Stadt und sauge die einzigartige Atmosphäre auf.

Vor allem bei Nacht ist das Game wunderschön.
Vor allem bei Nacht ist das Game wunderschön.
Quelle: Domagoj Belancic

Abseits der belebten Hauptstrassen kann das Game aber auch ziemlich trostlos aussehen. In diesen Momenten merkt man dem Spiel seinen Ursprung auf der PS3 deutlich an. Ebenfalls etwas altbacken wirken die Ladezeiten beim Übergang zwischen einzelnen Stadtteilen und beim Betreten von Innenräumen. Schade, denn die neueren Games aus der Hauptreihe bieten noch grössere Städte komplett ohne Ladezeiten – hier wäre technisch definitiv mehr möglich gewesen.

Eintönige Texturen, wenig Polygone – abseits der Hauptstrassen sieht das Spiel mehr nach PS3 statt nach PS5 aus.
Eintönige Texturen, wenig Polygone – abseits der Hauptstrassen sieht das Spiel mehr nach PS3 statt nach PS5 aus.
Quelle: Domagoj Belancic

Fazit: Ein Muss für alle Japan- und Action-RPG-Fans

«Like a Dragon: Ishin» ist ein verrücktes Spiel, das teils widersprüchliche Gameplay- und Story-Elemente zu einem kohärenten Ganzen vereint. Das überarbeitete Kampfsystem überzeugt durch eine hohe Flexibilität und fühlt sich auch nach Hunderten von Strassenkämpfen immer noch frisch und motivierend an. Das historische Setting der japanischen Edo-Periode wurde mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und bietet die perfekte Bühne für eine epische Geschichte voller Wendungen, Intrigen und unvergesslicher Charaktere. Die irrwitzigen Nebengeschichten und absurden Minispiele lockern das Samurai-Narrativ auf und sorgen für reichlich Unterhaltung.

Technisch hinterlässt das Game zeitweise einen etwas altbackenen Eindruck. Auch das unnötig komplizierte und zeitintensive Upgrade-System sowie die grausame Menüführung fühlen sich wie Relikte einer längst vergangenen Gaming-Ära an.

Diese nervigen, aber letztlich vernachlässigbaren Mängel können das überragende Gesamtbild zum Glück nicht nachhaltig trüben. Meine Samurai-Abenteuer mit Sakamoto Ryōma werden mir noch lange in Erinnerung bleiben und ich merke mir «Like a Dragon: Ishin» schon mal als potenziellen Kandidaten für mein Spiel des Jahres vor.

«Like a Dragon: Ishin» erscheint am 21.02. für PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One und PC. Die PS5-Version wurde mir zu Testzwecken von Plaion zur Verfügung gestellt.

Atlus Like a Dragon: Ishin! (PS5) (PS5, DE)
Game
37,99 EUR

Atlus Like a Dragon: Ishin! (PS5)

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Atlus Like a Dragon: Ishin! (XONE/XSRX) (Xbox Series X, DE)
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Xbox Series X, DE

Titelbild: Ryu Ga Gotoku

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


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