Deine Daten. Deine Wahl.

Wenn du nur das Nötigste wählst, erfassen wir mit Cookies und ähnlichen Technologien Informationen zu deinem Gerät und deinem Nutzungsverhalten auf unserer Website. Diese brauchen wir, um dir bspw. ein sicheres Login und Basisfunktionen wie den Warenkorb zu ermöglichen.

Wenn du allem zustimmst, können wir diese Daten darüber hinaus nutzen, um dir personalisierte Angebote zu zeigen, unsere Webseite zu verbessern und gezielte Werbung auf unseren und anderen Webseiten oder Apps anzuzeigen. Dazu können bestimmte Daten auch an Dritte und Werbepartner weitergegeben werden.

Coco Cartoon / Film Verleih Gruppe
Kritik

«Ne Zha 2»: Ein chinesischer Koloss rollt an

Luca Fontana
20.6.2025

Ein Film aus China bricht sämtliche Rekorde, schlägt «Avengers» und «Star Wars» an den Kinokassen – und du hast noch nie davon gehört? Willkommen im neuen Zeitalter des Kinos.

Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist. «Ne Zha 2» läuft ab dem 26. Juni im Kino.

Das ist ein kulturelles Erdbeben. Nur halt eines, das im Westen kaum jemand mitbekommen hat. Jetzt kommt der Film plötzlich auch in die Schweiz. Ohne PR-Kampagne. Ohne bekannte Figuren. Ohne Hype. Nur mit einer Frage im Gepäck: Kann der wirklich so verflucht gut sein?

Moment – Wer ist eigentlich Ne Zha?

Um «Ne Zha 2» zu verstehen, muss man seinen Protagonisten kennen. Und das ist gar nicht so einfach. Zumindest für ein westliches Publikum. Denn Ne Zha ist nicht einfach irgendeine Animationsfigur. Er ist ein rebellischer Volksheld, eine Sagengestalt, in China so bekannt wie Wilhelm Tell oder Schellenursli in der Schweiz.

Von Anfang an gilt er darum als Gefahr, die von den Menschen für ein Monster gehalten wird, obwohl er eigentlich Gutes tut – wenn auch mit reichlich Kollateralschaden und einer ordentlichen Portion Chaos. Doch seine Eltern, vor allem seine Mutter und sein etwas trotteliger, aber herzensguter Mentor, versuchen, ihm zu helfen, auf dem rechten Weg zu bleiben.

Sein Gegenspieler ist Ao Bing, Sohn des Drachenkönigs. Auch er ist ein Kind der Intrigen. Denn er wurde mit genau jener Astralperle geboren, die eigentlich für Ne Zha bestimmt war. Ao Bing ist darum sowas wie Ne Zhas Spiegelbild: höflich, elegant und diszipliniert. Aber wie Ne Zha wird auch er manipuliert und wächst mit einem tiefen Groll gegen die Götter auf, die den Drachen unrecht getan haben.

Genau hier setzt Teil 2 an.

Ein Orkan aus Pixeln und Pathos

«Ne Zha 2» beginnt wie viele westliche Blockbuster im Stil von «Despicable Me» oder den typischen Disney-Animationsfilmen: bunt, überdreht, mit einem Hauch zu viel Slapstick. Es gibt Furz-Witze, Pipi-Witze, sprechende Waffen und einen Mentor, der manchmal wie Jack Black im Zuckerrausch wirkt.

Und trotzdem – oder gerade deshalb – sieht das alles verdammt schick aus. Vom Set-Design über die Figuren bis zu ihren Kostümen: Die Animation ist berauschend. Detailverliebt, farbenprächtig und kraftvoll. Coco Cartoon, das Animationsstudio, muss sich hier kein bisschen vor seiner westlichen Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil.

Das sieht man schon im Trailer.

Keine Frage: Visuell ist der Film eine Naturgewalt, die ihresgleichen sucht. Über 4000 Animationskünstlerinnen und -künstler sollen gemäss Pressetext daran gearbeitet haben. Eine Zahl, die so absurd klingt, dass sie fast schon Teil des Spektakels wird. Besonders im letzten Drittel. Denn was da passiert, ist kein einfaches Finale mehr. Es ist ein Orkan: Fast eine ganze Stunde lang verwandelt sich «Ne Zha 2» in ein ausuferndes Epos.

In seiner Grandeur erinnert es gar an das Finale von «Avengers: Endgame» oder «Lord of the Rings». Locker. Nur ohne Rücksicht auf westliche Erzählkonventionen. Stattdessen eskaliert die Schlacht immer weiter, in bester Anime-Manier. Mehrmals dachte ich: «Okay, das ist jetzt der Höhepunkt.» Falsch gedacht. Noch eine Eskalationsstufe. Und noch eine.

Und noch eine.

Irgendwann hatte ich das Gefühl, die Leinwand explodiere gleich. Da waren Tausende von Kriegerinnen, Dämonen, Monster, Drachen, Götter, fliegende Schwerter, Dimensionstore, Zeitlupen, Magie, Chaos – und mittendrin Ne Zha und ganz schön viel Pathos. Teilweise fühlte ich mich mindestens so überfordert wie überwältigt. Aber … auch genauso begeistert.

Denn «Ne Zha 2» ist nicht nur ein Animationsfilm, der alle paar Sekunden neue Welten, Figuren, Mythologien oder Naturgesetze neu definiert – er ist ein animiertes Schlachtgemälde, das sich mehr traut als so mancher Live-Action-Blockbuster. Und das nicht nur in der Action, sondern auch in der Tonalität: Der Film ist ab 12 – und meint das ernst. Hier brennen Familien. Sterben Kinder. Spritzt Blut, wenn Armeen wie Bienenschwärme aufeinander prallen.

Sowas habe ich schon lange nicht mehr im Kino gesehen.

Ein Kino-Gigant, den der Westen ignoriert

Kaum zu fassen, dass hierzulande kaum jemand den Film kennt. Aber während «Ne Zha 2» in China die Kinos sprengt und selbst «Dune: Part Two» oder «Interstellar» in den IMAX-Charts hinter sich lässt, läuft er bei uns ohne Hype, wenig Marketing und kaum Kontext. Als käme da irgendein bunter Exot aus dem Osten.

Dabei müsste man eigentlich sagen: aus dem Epizentrum eines ganz anderen Blockbuster-Kinos.

Denn das ist vielleicht die grösste Überraschung an «Ne Zha 2»: Nicht, dass er gut ist. Sondern wie souverän er die Sprache des Spektakels spricht, ohne Pixar oder Marvel zu kopieren. Der Film will stattdessen sein eigenes Ding sein, mit eigenen Helden, eigenen Mythen und einer ganz und gar eigenen Tonalität, die dem westlichen Mainstream längst entwöhnt ist: pathetisch, poetisch, überbordend und ungeniert melodramatisch.

Eben. Uns bleibt da nur eine Erkenntnis: Wir sind längst nicht mehr das Zentrum der Kinowelt.

Fazit

Der Westen schaut weg – und verpasst Grosses

«Ne Zha 2» ist kein perfekter Film. Aber ein wuchtiger. Einer, der sich traut, gross zu denken und noch grösser zu fühlen. Der seine eigene Mythologie atmet, seine eigene Bildsprache spricht – und dabei ein Kino sichtbar macht, das wir im Westen oft übersehen. Nicht, weil es uns nichts zu sagen hätte. Wir übersehen es, weil es nicht unser eigenes ist. Weil es nicht aus Hollywood kommt. Genau da liegt das Problem.

Dabei zeigt dieser Film, was möglich ist, wenn man Spektakel nicht bloss um seiner selbst zelebriert, sondern als emotionales Ereignis. Wenn Pathos keine Schwäche ist, sondern Haltung. Und wenn man sich nicht für die nächste Oscar-Nominierung inszeniert – sondern für ein Publikum, das Kino noch als kollektives Erlebnis begreift.

Vielleicht müssen wir erst lernen, solche Filme anders zu sehen. Oder besser: anders sehen zu wollen. Gerade hier im Westen. Denn wenn das hier die Zukunft des Blockbuster-Kinos ist, dann lohnt es sich, hinzuschauen. Dringend.

Titelbild: Coco Cartoon / Film Verleih Gruppe

45 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


Kritik

Welche Filme, Serien, Bücher, Games oder Brettspiele taugen wirklich etwas? Empfehlungen aus persönlichen Erfahrungen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Kritik

    «Tron: Ares» ist schön und laut – nur mutig ist er nicht

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «Weapons»: Der perfekte Horrorfilm? Fast.

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «F1: The Movie»: der kalkulierteste Film des Jahres – und einer der besten

    von Luca Fontana