Hintergrund

So will Gardena «grün» werden – und du hast es in der Hand

Ich habe keinen grünen Daumen: Meinen Salat im Hochbeet fressen die Schnecken. Das ist bestenfalls für die schleimigen Kriecher nachhaltig. Kann ich da wenigstens mit ökologischen Gardena-Geräte künftig etwas zur Rettung der Erde beitragen?

Eine gewaltige Welle der Nachhaltigkeit schwappt durch das Meer des Konsums. Auch bei Galaxus. Alles will biologisch, natürlich, fair, ökologisch produziert sein. Und wird entsprechend vermarktet. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Grünste im ganzen Land? Und ja, wir selbst blicken in der Hinsicht auch immer mal wieder in den Spiegel und sind deshalb auf braune Pakete umgestiegen.

Dass auch der Gartengeräte-Hersteller Gardena kürzlich eine erste Reihe von Produkten neu in unser Sortiment gebracht hat, die einen Beitrag leisten sollen, unsere Erde zu retten, überrascht wenig. Beim Gedanken ans Gärtnern liegt jener an den Umweltschutz nahe. Wer Zucchini selbst zieht, erspart der Umwelt Transportwege. Wer Tomaten vom eigenen Strauch pflückt, hat sie vorher womöglich nicht mit Gift besprüht.

Bis zur Ernte ist es aber oft ein weiter Weg. Gepflastert von allerlei benötigten Gerätschaften. Hast du dir bisher je bewusst überlegt, aus welchen Materialien Blumenschaufel, Gartenbrause oder Fugenkratzer bestehen, die du benutzt.

Wie viel ist dran am Marketing-Blabla?

Als Redaktion bei Galaxus haben wir ein schönes Privileg. Wir dürfen, ja wir sollen und müssen kritisch sein, investigativ. Was in Produktbeschreibungen steht oder auf blumigen Mitteilungen zu neuen Produkten, macht uns erst einmal skeptisch. Die Marketing-Leute der Hersteller schlagen darin nämlich gnadenlos zu. Kein Superlativ ist vor ihnen sicher. Doch was ist die Substanz hinter dem Marketing-Geschwurbel?

Von der neuen Ecoline-Serie von Gardena bin ich überzeugt. Und das kam so: Freundlicherweise hat mir Gardena nämlich ein paar Muster der Gerätschaften geschickt, um die es geht. Genauer gesagt diese hier:

Zusätzlich im Paket waren die bisherigen Produkte, die aus fossilen Kunststoffen hergestellt sind. Das soll den direkten Vergleich möglich machen.

Nach dem Auspacken bin ich zunächst überrascht. Die Ecoline-Serie unterscheidet sich kaum von der Classic-Serie. Der Test ist schnell und einfach abgeschlossen. Der Rasensprenger lässt in beiden Versionen keinen Grashalm trocken und unterscheidet sich in der Bedienung nicht. Erde schaufeln oder Unkraut aus Fugen kratzen macht mit Werkzeugen beider Serien genau so viel Spass, wie das eben machen kann. Je nachdem, ob du Erschaffer- oder Vernichter-Typ bist, mehr oder weniger. Nicht einmal die Haptik oder das Gewicht unterscheiden sich. Alles wie gehabt, wäre da eben nicht die Werbebotschaft der Ökologie auf der Verpackung.

Fugen kannst du wahlweise mit einem Ecoline- oder einem Classic-Linke-Kratzer von Unkraut befreien. Diese Tätigkeit  bereitet mir keine Freude. Der Test zur Funktion des Geräts dauerte deshalb nicht lange.
Fugen kannst du wahlweise mit einem Ecoline- oder einem Classic-Linke-Kratzer von Unkraut befreien. Diese Tätigkeit bereitet mir keine Freude. Der Test zur Funktion des Geräts dauerte deshalb nicht lange.

Mit dieser Erkenntnis alleine will ich aber nicht deine Zeit vergeuden. Deshalb habe ich nachgehackt nachgehakt bei Gardena. Auf meinen Fragenkatalog per E-Mail bekomme ich einen Telefonanruf als Antwort. Im Gespräch bleibt mir Susanne Drmota, Public Relations Managerin, keine Antwort schuldig, obwohl ich wirklich viele Fragen habe. Okay, ja, das ist natürlich auch ihr Job. Aber auch nur ein Teil meiner Recherche.

Frau Drmota, Grün-Dunkelgrau statt Orange-Grau – ist das jetzt der grosse Ökowurf von Gardena?

Susanne Drmota: Nein, natürlich nicht. Ja, auf den ersten Blick ist das Produkt nicht spektakulär anders. Aber für uns ist die Ecoline-Serie tatsächlich ein Meilenstein für unsere Nachhaltigkeitsstrategie.

Ein Meilenstein? Haben Sie nicht einfach das Kunststoffgranulat ausgetauscht, damit Sie jetzt eben «made from recycled plastic» auf die Verpackungen drucken können?

So einfach war das leider nicht. In unseren neuen Produkten steckt jahrelange Forschung. So ein Gerät für den Garten soll ja über viele Jahre stabil bleiben. Deshalb mussten wir die passenden Materialien finden, die unseren hohen Anforderungen an Qualität und Haltbarkeit genügen.

Wie findet man das heraus?

Durch umfangreiche Tests: Wie reagiert das Material auf Druck, auf UV-Strahlung, auf verschiedene Temperaturen? Können wir das Rezyklat, also das Rohmaterial, in den gleichen Maschinen verwenden wie bisher? Verhält es sich genauso? All das sind Fragen, für die es Zeit brauchte.

Wenn Sie das alles klären konnten – warum bestehen die Geräte dann jetzt nicht zu hundert Prozent aus rezykliertem Kunststoff?

Da gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens können bestimmte Teile der Geräte nicht aus Kunststoff hergestellt werden, zum Beispiel der Metallbogen mit den Löchern beim Rasensprenger. Zweitens gibt es derzeit noch gar nicht ausreichend rezyklierten Kunststoff auf dem Markt, den wir einkaufen könnten.

**Kaum zu glauben, bei den Mengen Abfall, die wir täglich produzieren … **

Richtig, aber für unsere Geräte benötigen wir eben hochwertiges und sortenreines Granulat. Das gibt es nur, wenn in den Haushalten möglichst sauber getrennt wird. Zudem sollten im Idealfall die Hersteller von Rohmaterialien in der Nähe unserer Produktion sein. Es ist ja nicht sinnvoll, Rezyklat zum Beispiel aus Asien erst zu unseren europäischen Produktionsstandorten zu verschiffen.

Konsequent bis zum Karton

Nach dem Interview sehe ich mir die Testprodukte noch einmal genauer an. Meine Wertschätzung für eine einfache Blumenschaufel ist jetzt deutlich höher. Gardena folgt hier einem grösseren Plan, über den sie auch auf ihrer Homepage informieren. Ich gebe mich aber nicht mit den Auskünften der PR-Sprecherin und den Angaben auf der Homepage zufrieden. Ich recherchiere weiter.

Es kommt auf viele vermeintliche Kleinigkeiten an, um ein Produkt zu einem nachhaltigen zu machen. Die Verpackung der Ecoline-Serie zum Beispiel ist aus Recyclingkarton. Statt in buntem Hochglanz ist die Anleitung in Schwarz mit auf Wasser basierender Tinte aufgedruckt. Was so eine Anpassung der Verpackung bringt, kannst du an unserem eigenen Beispiel nachlesen.

Links die neue Verpackung, rechts die alte. Gardena verabschiedet sich zu Gunsten der Umwelt von der Farbe.
Links die neue Verpackung, rechts die alte. Gardena verabschiedet sich zu Gunsten der Umwelt von der Farbe.

Das Urteil zum Einsatz von Recycling-Kunststoffen fällt da weniger eindeutig aus. Bis nämlich aus Abfall wieder sortenreines neues Plastikgranulat wird, ist es ein weiter Weg. Die unterschiedlichen Plastikarten – Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC) sind nur eine Auswahl – müssen getrennt, gereinigt und zerkleinert werden. Die können nicht alle zusammengeworfen und eingeschmolzen werden, weil dann nur ein minderwertiges Granulat entstünde. Das alles kostet: Zeit, Energie, Wasser – und setzt CO2 frei. Deshalb gilt in der «Abfallhierarchie»: Vermeiden ist besser als Reduzieren, Reduzieren ist besser als Wiederverwerten.

In der Schweiz wird vielfach auf «Verwerten» gesetzt, konkret: Hierzulande werden jährlich 780 000 Tonnen von einer Million jährlich anfallender Tonnen Plastikabfall schlicht verbrannt, «thermisch verwertet» heisst das dann, weil zumindest ein paar Wohnungen geheizt werden mit der Abwärme. Separate Sammlungen, gar für unterschiedliche Plastiksorten, gibt es nur in Ansätzen, wie die Plastiksammelsäcke einiger Migros-Genossenschaften.

Für die Umwelt verzichtet Gardena sogar auf die Farbe Orange

Die EU ist hier ambitionierter. Bis zum Jahr 2030 sollen alle Plastikverpackungen Teil einer Kreislaufwirtschaft sein. Ein Ziel des Programms zum Systemwechsel ist es, Recycling für die Wirtschaft zu einem rentablen Geschäftsmodell zu machen.

Gardena ist mit dem Einsatz von rezykliertem Kunststoff der Politik also ein paar Jahre voraus, hat aber ein ähnliches Ziel. Es dürfte eine strategische Entscheidung gewesen sein, bereits jetzt die Produktion zu ändern, bevor der politische Zwang kommt. Dafür scheint Gardena auch bereit zu sein, sich von der ikonischen Farbgebung der eigenen Produkte zu verabschieden. Das Orange verschwindet in der Ecoline aus den Produkten. Es beizubehalten würde bedeuten, dass der Anteil an Rezyklat sinkt, weil orangefarbenes Granulat nur neu unter Zusatz von Farbstoffen zur Verfügung steht.

Neu und alt (links) im Vergleich im Hochbeet. Dass hier nichts oder wenig wächst, ist den Schnecken zu verdanken, nicht Gardenas Schuld.
Neu und alt (links) im Vergleich im Hochbeet. Dass hier nichts oder wenig wächst, ist den Schnecken zu verdanken, nicht Gardenas Schuld.

Für die Ecoline hat Gardena Ende 2021 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie «Design» erhalten. Der Wettbewerb ist der grösste Wettbewerb dieser Art in Europa, findet in Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung statt. Die Jury besteht auch unabhängigen Fachleuten. Kurz gesagt: Das ist keiner der Preise, die ein Unternehmen gegen billiges Geld einheimsen und anschliessend in Form eines fancy Labels auf ihre Verpackungen kleben kann.

Classic und Ecoline kosten ähnlich viel

Die Gardena-Leute scheinen einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, also nicht auf nur billiges Greenwashing aus zu sein. Dazu passt für mich auch, dass die Ecoline-Produkte preislich ziemlich nah am Niveau der bisherigen Classic-Pendants liegen. Bei den unverbindlichen Preisempfehlungen liegen die Ecoline-Produkte zwischen zehn und zwanzig Prozent höher. Anders als bei Bio-Produkten im Supermarkt, wo ich für mein Öko-Gewissen blechen muss, habe ich also eine echte Wahl – und kann mich für Nachhaltigkeit entscheiden, ohne dass ich dafür einen Kleinkredit aufnehmen müsste.

Wenn die Gerätschaften jetzt auch noch genauso lang ihren Dienst tun wie versprochen, klappt das auch mit dem Vermeiden von neuem Kunststoff. Denn hält der Fugenkratzer bis ins Jahr 2030, wird für das Nachfolgemodell dann sicher kein neues Erdöl benötigt. Insgeheim hoffe ich jedoch, dass ich im dann fortgeschrittenen Alter einen anderen Weg gefunden habe, Unkraut aus Fugen fernzuhalten. Oder ich bin altersmilde geworden und lebe damit.

In einer früheren Version des Artikels hiess es im Zwischentitel am Ende, dass die Preise «dieselben» seien. Das war nicht korrekt. Die Preise liegen zwar auf vergleichbarem Niveau, jedoch kosten – Stand Mai 2022 – die Ecoline-Produkte etwas mehr.

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 

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