
Kritik
«Blue Prince»: Ein Spiel wie ein nie endender Escape-Room
von Simon Balissat
«Drop Duchy» kombiniert die Spielkonzepte von Tetris und Catan und verpackt sie in ein Roguelite. Das ist dank verrückter Combos und schöner Grafik richtig motivierend, wären da nicht die ewig gleichen Schlachten.
In der Kunst ist irgendwann alles nur noch eine Referenz. Die Literatur hat die grössten Geschichten schon längst geschrieben. Liebe, Macht, Verrat, Schuld, Hybris, Katharsis. Seit der Antike verpacken Autorinnen und Autoren die immer gleichen Erzählungen neu. Der Film referenziert sich seit Jahrzehnten selbst: Ohne Akira Kurosawa kein «Star Wars». Ohne Satoshi Kon kein «Inception». Ohne Jean-Luc Goddard kein «Taxi Driver».
Auch bei Videogames hat die Referenz als Stilmittel vor Jahrzehnten Einzug genommen. Ganze Genres sind nach der Inspirationsquelle benannt (Metroidvania, Balatrolike oder Soulslike) und finden sofort Nachahmer, die das schnelle Geld wittern.
Jetzt steht mit «Drop Duchy» ein typischer Vertreter des «bekannte Formel, neues Game»- Trends ins Haus. In diesem Fall werden «Tetris» und «Catan» zu einem Roguelite-Deckbuilder mit Mittelalter-Setting vermischt. Ich stelle mir die Entwickler vor, die einen Dartpfeil auf eine Pinnwand geworfen haben, auf der die erfolgreichsten Gamekonzepte der letzten Jahrzehnte aufgelistet sind. Warum nicht mal ein Bullet-Hell-Rythm-Game in einem Zombiesetting…?
Das Konzept hinter «Drop Duchy» ist einfach. Steine fallen wie bei Tetris, bloss sind es hier Landschaften wie Wald, Feld oder Fluss. So baue ich mir Stein für Stein eine mittelalterliche Landschaft. Ist eine Linie vollständig, verschwindet sie nicht wie bei Tetris, sondern ich erhalte die entsprechenden Ressourcen. Holz für Wälder, Korn für Felder, Stein für Gebirge. Diese Ressourcen brauche ich wiederum für den Deckbuilding-Teil des Spiels.
Neben den Landschaftssteinen gibt es auch einmalige Gebäude, die zufällig von oben herunterfallen. Die geben mir besondere Boni oder rekrutieren gar eine Armee. Vor jeder Partie kann ich eine Anzahl solcher Gebäude auswählen und mir so mein Deck strategisch zusammenstellen.
Erwarte ich viele Gegner, setze ich eher auf Militärgebäude. Sind keine Gegner in Sicht, versuche ich, so viele Ressourcen wie möglich zu sammeln. Weil ich im Verlauf des Spiels immer mehr neue Karten und neue Mechaniken freischalte, bleibt «Drop Duchy» stets abwechslungsreich. Plötzlich lässt sich Holz in Felder verwandeln, auf denen ich wiederum Korn anpflanzen kann, was dann meinem Wachturm nützt, der mehr Kämpfer rekrutieren kann.
Das Ziel ist im normalen Modus immer dasselbe. Es gilt, über drei Stufen zu überleben. Ich wähle zwischen vorgegebenen Wegen und sehe, ob mich auf dem nächsten Spielfeld Gegner erwarten und mit welchen Ressourcen ich rechnen kann. Zwischendurch kann ich auf dem Markt Tauschhandel betreiben oder in der Universität Upgrades erforschen. Das tue ich so lange, bis das Ende der Stufe erreicht ist, wo mich ein Boss erwartet, der besonders schwer zu besiegen ist. Womit wir beim etwas öden Kampfsystem wären.
Gewisse Gebäude produzieren unterschiedliche Einheiten. Dank spezieller Eigenschaften kann ich versuchen, diese Zahl zu maximieren. Da kann es zum Beispiel heissen: «Produziert fünf schwere Einheiten für jedes benachbarte Militärgebäude.» Ich versuche also, möglichst viele Militärgebäude nebeneinander zu platzieren.
Das macht die Situation knifflig: Unter meinen Tetrissteinen befinden sich auch gegnerische Militärgebäude. Die muss ich ebenfalls auf meiner Karte platzieren. Und auch die gegnerischen Militärgebäude haben solche Boni, weshalb ich ungemein aufpassen muss, dass ich meinen eigenen Bonus nicht zunichte mache mit einem falsch platzierten Gebäude.
Ist der letzte Stein platziert oder das Spielbrett bis oben gefüllt, geht es in den Kampf. Dabei sage ich, in welcher Reihenfolge meine Truppen angreifen oder sich verteidigen. Am Schluss muss jede auf dem Feld vertretene Einheit in den Kampf involviert gewesen sein. Nach dem Prinzip Schere-Stein-Papier schlagen Schwerter zum Beispiel die Pfeilbogen, sind allerdings gegen Äxte schwach.
Was jetzt recht verwirrend tönt, ist in der Praxis schnell öde und hat wenig taktischen Tiefgang. Es läuft immer darauf hinaus, dass ich gleich viele oder mehr Einheiten habe und so meinen Gegner in die Knie zwinge. Dann kann ich mir eine neue Karte aus drei zufällig aufgedeckten Karten auswählen und mich verstärken.
Gewinnt der Gegner, zieht er mir entsprechend der übrigbleibenden Einheiten Verteidigungspunkte ab. Davon habe ich zu Beginn eine festgelegte Anzahl. Habe ich keine Verteidigungpunkte mehr, ist der Run zu Ende und ich beginne wieder von vorne. Gewisse Errungenschaften bleiben mir erhalten, mein Deck und andere Boni hingegen verliere ich bei jedem Run.
Es kommen im späteren Verlauf weitere Fraktionen hinzu, die sich im Gameplay deutlich unterscheiden und immer wieder spiele ich neue Karten und Mechaniken frei, allerdings ändert sich am Kampfsystem wenig. So endet ein Run auch schnell mal im Desaster, weil der Zufallsgenerator die falschen Militärkarten ausspuckt. Damit wird «Drop Duchy» immer komplexer, ohne mich komplett zu überfordern. Das Zufallsprinzip zwingt mich auch, immer neue Strategien zu entwickeln, was mich langfristig bei Laune hält.
«Drop Duchy» ist für [PC auf Steam](https://store.steampowered.com/app/2525310/DropDuchy/) erhältlich. Das Spiel wurde mir freundlicherweise vom Entwickler zur Verfügung gestellt.
Pro
Contra
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.