Teure Muse: Die Hasselblad X2D im Test
Produkttest

Teure Muse: Die Hasselblad X2D im Test

Samuel Buchmann
27.10.2022

An einem verregneten Wochenende teste ich die 9000 Franken teure Hasselblad X2D. Die Mittelformat-Kamera bietet kompromisslose Bildqualität. Im Gegensatz zum Vorgängermodell sind auch die Features zeitgemäss, doch die Zielgruppe bleibt klein.

Die Hasselblad X2D 100c ist eine Kamera für irrationale Menschen. Alleine der Body kostet 9000 Franken, für zwei aktuelle Objektive brauchst du gleich nochmal so viel Zaster. Was bekommst du dafür? Eine wunderschöne spiegellose Mittelformat-Kamera mit bombastischer Bildqualität. Alles in allem ist der exorbitante Preis genau wie bei anderen Systemen mit grossem Sensor nicht durch harte Leistungsfakten zu rechtfertigen. Die X2D ist nicht perfekt. Sie hat Schwächen und für viele Anwendungen funktioniert eine aktuelle Vollformat-Kamera besser. Und trotzdem: Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel Freude am Fotografieren wie mit der Hasselblad.

Hasselblad X2D 100c (100 Mpx, Mittelformat)
Kamera
9458,11

Hasselblad X2D 100c

100 Mpx, Mittelformat

Hasselblad XCD 55mm f/2.5 V (Hasselblad X, Mittelformat)
Objektiv

Hasselblad XCD 55mm f/2.5 V

Hasselblad X, Mittelformat

Hasselblad XCD 90mm f/2.5 II (Hasselblad X, Mittelformat)
Objektiv

Hasselblad XCD 90mm f/2.5 II

Hasselblad X, Mittelformat

Hasselblad X2D 100c (100 Mpx, Mittelformat)
9458,11

Hasselblad X2D 100c

100 Mpx, Mittelformat

Hasselblad XCD 55mm f/2.5 V (Hasselblad X, Mittelformat)

Hasselblad XCD 55mm f/2.5 V

Hasselblad X, Mittelformat

Hasselblad XCD 90mm f/2.5 II (Hasselblad X, Mittelformat)

Hasselblad XCD 90mm f/2.5 II

Hasselblad X, Mittelformat

Design und Spezifikationen: Habenwill-Gerät

Das liegt nicht daran, dass ich mich vom hohen Preis und dem geschichtsträchtigen Namen blenden liesse. Die X2D ist nicht meine erste Hasselblad. Ich besass beide Vorgängermodelle. Beide habe ich aus Frustration über ihre Trägheit nicht lange behalten. Einer der Hauptgründe, warum ich sie überhaupt je wollte: das Design. Hasselblads X-Kameras sind sehr ästhetische Geräte. Auch die neue X2D ist ein Habenwill-Objekt, das ich fast unwillkürlich immer wieder in die Finger nehme. Der Body besteht aus einem massiven Aluminium-Block. Haptik und Verarbeitung erinnern an aktuelle MacBooks.

Nach dem silberfarbenen Erstling X1D und dem grauen Nachfolger X1D II kommt die neueste Iteration in Anthrazit daher, was mir gut gefällt. Nur der Auslöser ist in Hasselblad-Orange gehalten. Der Body hat ein wenig zugelegt, um den neuen Bildstabilisator zu beherbergen. Ich finde, das macht nichts – mit dem etwas dickeren, gummierten Griff liegt die Kamera hervorragend in meiner Hand. Das alles macht die X2D für mich zur derzeit schönsten und gleichzeitig bequemsten Kamera auf dem Markt.

Besonders zusammen mit den neu designten V-Objektiven ist die X2D eine Schönheit.
Besonders zusammen mit den neu designten V-Objektiven ist die X2D eine Schönheit.

Wie alle Hasselblad-X-Kameras hat die X2D keinen Verschluss im Body. Stattdessen steckt in den Objektiven ein Zentralverschluss. Das macht die Linsen teurer, hat aber einen entscheidenden Vorteil, wenn du mit Blitzgeräten arbeitest: Die theoretische kürzeste Synchronisationszeit beträgt 1/4000 s – nein, ich habe mich nicht vertippt und nein, Highspeed-Sync ist nicht das Gleiche. In der Praxis ist das Limit die Abbrennzeit der Blitzröhren und weniger als 1/1000 s sind nicht sinnvoll. Das ist trotzdem ein astronomischer Wert im Vergleich zu herkömmlichen Kameras. Dort ist in der Regel bei 1/200 s Schluss. Ohne hier in ein Blitz-Tutorial abzudriften: Wenn du mit Kunstlicht gegen die Sonne kämpfst, ist das ein massiver Unterschied.

Im kompakten Gehäuse der X2D steckt nun ein 100-Megapixel-Sensor. Neu sind der Bildstabilisator und das Phasen-Autofokus-System. Der Sucher hat jetzt eine gigantischen Vergrösserung von 1,0 und eine Auflösung von 5,76 Megapixel. Die X2D hat einen internen SSD-Speicher von 1 Terabyte, was für rund 5000 RAW-Bilder reicht. Auf Videofunktionen hat Hasselblad diesmal ganz verzichtet. Gut so, denn die früheren Versuche waren ein Fiasko. Hier alle wichtigen Spezifikationen der X2D und der Vorgängerin X1D II im Überblick:

Hasselblad X2D 100CHasselblad X1D II 50C
SensorCMOS, 43,8 × 32,9 mmCMOS, 43,8 × 32,9 mm
Auflösung100 Megapixel
11656 × 8742
206 MB Raw-Dateien
50 Megapixel
8272 × 6200
106 MB Raw-Dateien
AutofokusPhase-Detection
294 Punkte
Contrast-Detection
117 Punkte
Bildstabilisierung5 Achsen in-Body
Bis zu 7 Stufen
ISO-Bereich64-25600100-25600
Touch-Display3,6 Zoll TFT (neigbar)
2,36 Mio. Bildpunkte
3,6 Zoll TFT
2,36 Mio. Bildpunkte
Sucher5,76 Mio. Bildpunkte
100% Abdeckung
1,0x Vergrösserung
3,69 Mio. Bildpunkte
100% Abdeckung
0.87x Vergrösserung
VerschlussZentralverschluss im Objektiv
Bis zu 1/4000 s mechanisch
Zentralverschluss im Objektiv
Bis zu 1/2000 s mechanisch
Blitz-SynchronisationBis zu 1/4000 sBis zu 1/2000 s
Speicher1 TB SSD intern
1 × CFexpress Type B
2 × UHS-II SD
Akku3400 mAh / 420 Bilder3400 mAh / unbekannt
Dimensionen148,5 × 106 × 74,5 mm
895 g (inkl. Akku)
148 × 97 × 70 mm
766 g (inkl. Akku)

Bedienung: (Zu) schlicht und einfach

An der X2D gibt es weniger Knöpfe als an anderen Kameras: On-Button, ISO/Weissabgleich, Modusauswahl, AE-Lock, AF-On und Auslöser. Dazu zwei Räder für Blende und Verschlusszeit sowie vier Buttons für die Steuerung von Wiedergabe und Menü. Das war’s. Weitere Einstellungen kann ich im sehr übersichtlichen Menü per Touchscreen vornehmen. Dass sich die X2D damit aufs Wesentliche beschränkt, gefällt mir grundsätzlich. Sie fühlt sich im Vergleich zu meiner Sony A1 mehr nach Kamera und weniger nach Computer an. Ich verbringe weniger Zeit damit, die optimalen Einstellungen zu finden und konzentriere mich auf kreative Entscheidungen.

An einer Stelle geht mir die radikale Reduktion zu weit: Mangels Daumen-Joystick muss ich den Fokuspunkt per Touchscreen oder über die zwei Drehräder (hoch/runter, links/rechts) verschieben. Die erste Variante ist fummelig und unpräzise, die zweite viel zu umständlich. Noch schlimmer ist es, wenn Finger oder Kamera nass sind. Dann reagiert der Touchscreen manchmal gar nicht und manchmal falsch. Warum Hasselblad stur auf einen Joystick verzichtet, verstehe ich bei aller Liebe zur Ästhetik nicht. Insbesondere, weil das Verschieben des Fokuspunkts eine der am häufigsten benötigten Funktionen ist. Immerhin lässt sich die X2D sonst nicht vom Regen beeindrucken und funktioniert tadellos. Eine IP-Zertifizierung hat sie allerdings nicht, was ich für eine Kamera dieser Preisklasse unverzeihlich finde.

Die Bedienung ist reduziert. Einen Daumen-Joystick vermisse ich, denn im Regen funktioniert der Touchscreen schlecht.
Die Bedienung ist reduziert. Einen Daumen-Joystick vermisse ich, denn im Regen funktioniert der Touchscreen schlecht.

Erfreulicheres gibt es zum Bildstabilisator zu berichten. Zunächst den Umstand, dass er überhaupt existiert in einem so kleinen Gehäuse mit so grossem Sensor. Er macht die X2D endlich zu dem, was die Vorgängermodelle immer sein wollten, aber durch den Stativzwang nie waren: ein leichtfüssiges Mittelformat-System. Hasselblad verspricht, dass der Stabilisator das Verwackeln um sieben Blendenstufen reduziert. Ob dieser Wert stimmt, kann ich nicht überprüfen. In der Praxis werden tatsächlich auch Bilder mit relativ langen Verschlusszeiten scharf. Ich kann bei Regenwetter im Wald mit ISO 100 aus der Hand fotografieren – das wäre mit der nicht stabilisierten X1D völlig undenkbar gewesen. Die Laufzeit des Akkus ist während meines Tests nichts Besonderes, aber in Ordnung. An einem Tag verbrauche ich den ersten ganz und den zweiten zur Hälfte. Die Akkus sind rückwärtskompatibel mit beiden Vorgängermodellen.

1/15 Sekunde Verschlusszeit mit dem XCD 2,8/135 aus der Hand fotografiert – das geht nur dank Stabilisator.
1/15 Sekunde Verschlusszeit mit dem XCD 2,8/135 aus der Hand fotografiert – das geht nur dank Stabilisator.

Displays und Sucher: Schön und schön gross

Ebenfalls nichts zu meckern habe ich an den Bildschirmen. Mehrzahl, weil die X2D neu ein Top-Display hat, das die wichtigsten Parameter wie Blende, Verschlusszeit, ISO und Akkustand zeigt. Es ist hell, klar und scharf. Dass dafür das elegant versenkbare Modus-Wählrad der Vorgängermodelle weichen musste, kann ich verschmerzen. Auch das Display auf der Rückseite ist gut. Es ist jetzt neig-, aber weiterhin nicht drehbar. Mit 3,6 Zoll ist es dafür grösser als bei den meisten anderen Kameras. Auch die Auflösung von 2,36 Millionen Punkten ist zeitgemäss. Das alles hat auf die Bildqualität zwar keinen direkten Einfluss – doch ich stelle immer wieder fest, wie viel mehr Spass das Fotografieren macht, wenn die Bilder schon auf dem Kamera-Display toll aussehen.

Das neue Top-Display zeigt die wichtigsten Aufnahmeparameter.
Das neue Top-Display zeigt die wichtigsten Aufnahmeparameter.

Den elektronischen Sucher haben die Schweden gegenüber dem alten Modell deutlich verbessert. Die Framerate von 60 Bildern pro Sekunde ist gut, die Auflösung von 5,76 Megapixeln sehr gut, die Vergrösserung von 1,0 herausragend. Der einzige Wermutstropfen ist der manchmal unzuverlässige Näherungssensor, mit dem die X2D zwischen Rück-Display und Sucher umschaltet.

Autofokus: Besser, aber noch immer rückständig

Der grösste Schwachpunkt aller Hasselblad-Kameras war stets der Autofokus. Die beiden Vorgängermodelle der X2D stellten so langsam scharf, dass es weh tat. Im Vergleich mit modernen Vollformat-Systemen steckten sie im Mittelalter fest. Das war der Hauptgrund, warum X1D und X1D II bei mir nicht alt wurden. Als gebranntes Kind war ich deshalb skeptisch, als Hasselblad bei der Vorstellung der X2D vollmundige Versprechen zum neuen Phasen-Autofokus-System machte.

Was kann es in der Praxis? Die kurze Antwort: Mit den richtigen Objektiven mehr als früher, aber für viele Anwendungen noch immer zu wenig. Die lange Antwort: Mit den drei neuen Linsen der V-Linie stellt die X2D endlich in befriedigender Geschwindigkeit scharf. Dabei schiesst der Fokus zwar oft übers Ziel hinaus und muss korrigieren, bis er sitzt. Doch dank der schnelleren und leiseren Motoren geht das rasch. Zuverlässig ist der Fokus ebenfalls, selbst bei suboptimalen Lichtverhältnissen. Anders sieht es mit Objektiven der alten Generation aus. Mit ihnen dauert das Scharfstellen weiterhin eine gefühlte Ewigkeit. Das ist erstens enttäuschend, falls du schon im X-System investiert bist, weil du bestehende Linsen nicht wieder austauschen willst. Zweitens ist die Auswahl an Objektiven mit dem neuen Design bisher winzig.

Mit Objektiven der alten Generation wie hier dem XCD 4/21 ist die Fokusgeschwindigkeit enttäuschend.
Mit Objektiven der alten Generation wie hier dem XCD 4/21 ist die Fokusgeschwindigkeit enttäuschend.

Was ausserdem fehlt, sind jegliche automatische oder kontinuierlichen Modi. Die X2D stellt immer im Einzelfokus und mit nur einem einzelnen Punkt scharf. Dieser lässt sich immerhin bis weit in die Ecken verschieben, die Methode dafür finde ich aber wie oben beschrieben alles andere als gelungen. Hasselblad hat eine automatische Gesichtserkennung mit Augen-Tracking angekündigt. Wer die schwedische Marke kennt, weiss aber, dass von einer Ankündigung bis zur Veröffentlichung fast beliebig viel Zeit verstreichen kann. Und selbst, wenn das Feature kommt, glaube ich nicht, dass es in die Nähe der Systeme von Sony, Canon oder Nikon kommen wird. Das tut zwar auch die Konkurrentin Fujifilm GFX 100S nicht, doch immerhin ist dort das Augen-Tracking bereits Realität.

Im momentanen Zustand ist der Autofokus der X2D für Anwendungsgebiete wie Landschaftsfotografie völlig ausreichend. Mit den V-Objektiven ist er endlich auch für Portraits schnell genug. Bis die versprochene Gesichtserkennung kommt, bleibt der einzelne Fokus-Punkt aber ein Handicap. Und für alles, was sich bewegt, wird die X2D wohl nie die richtige Kamera sein.

Bildqualität: Überragend

Die Bildqualität ist die Kernkompetenz der X2D. Sie ist gelinde gesagt der Wahnsinn – und zwar in jeglicher Hinsicht: Farben, Dynamikumfang, Rauschverhalten und Auflösung. Das liegt zunächst am hervorragenden Sensor. Obwohl nicht offiziell bestätigt, ist es mit ziemlicher Sicherheit derselbe, der schon in der Fujifilm GFX 100S steckt. Er hat mit 43,8x32,9 mm knapp 70 Prozent mehr Fläche als ein Vollformat und ein Bildverhältnis von 4:3. Das finde ich besonders im Hochformat viel angenehmer als das 3:2-Verhältnis der meisten anderen Kameras. Der Sensor löst mit fast 102 Megapixel auf. Das bringt nur was, wenn die Objektive auch entsprechend hochwertig sind, was bei Hasselblad durchs Band der Fall ist. Der Bildprozessor würzt die Daten mit der «Natural Color Solution», einem proprietären Farbprofil. Das Ergebnis sind 200 Megabyte grosse RAW-Dateien.

Ich bin Fan vom 4:3-Format. Damit fotografiere ich auch gerne vertikal.
Ich bin Fan vom 4:3-Format. Damit fotografiere ich auch gerne vertikal.

Was bedeutet das ausserhalb des Labors? Das erste, was mir auffällt, als ich ein Bild betrachte: Die Farben stimmen auf Anhieb. Mir ist bewusst, dass das eine unwissenschaftliche Aussage ist. Die Wahrnehmung von Farben ist nicht objektiv, hängt von unzähligen Faktoren ab und ist erst noch Geschmacksache. Doch ich bleibe dabei – subjektiv betrachtet, fängt die X2D die Welt genau so ein, wie ich sie sehe. Während ich bei Fotos aus anderen Kameras lange in Lightroom an Reglern schraube, passen mir die Bilder aus der X2D sofort. Der Unterschied geht weit über einfache Faktoren wie Weissabgleich oder Sättigung hinaus. Es sind Dinge wie natürliche Hauttöne bei gleichzeitig akkurater Wiedergabe anderer Farben. Oder die butterweichen Übergänge von dunklen zu hellen Bereichen. So brauche ich für die Bildentwicklung mit der X2D weniger Zeit. Eine Wohltat.

Hauttöne wirken natürlich, ohne dass ich im Raw-Konverter an den Farben rumfummeln muss.
Hauttöne wirken natürlich, ohne dass ich im Raw-Konverter an den Farben rumfummeln muss.

Dabei eignen sich die Files bestens für eine tiefergehende Bildbearbeitung. Hasselblad spricht von 15 Blendenstufen Dynamikumfang. Dafür habe ich keine Testmethode. Fest steht aber, dass ich selbst scheinbar ausgebrannte Bildbereiche noch retten kann und auch in tiefen Schatten noch Details finde. Der Spielraum scheint mir tatsächlich grösser als bei meiner Sony A1, die ebenfalls einen hohen Dynamikumfang hat.

Dazu trägt auch das hervorragende Rauschverhalten der X2D bei: Trotz der hohen Auflösung sind die Bilder selbst bei starker Aufhellung oder bei hohen ISO-Werten aussergewöhnlich sauber – sogar in der 100-Prozent-Ansicht. Skaliere ich die Fotos zum Vergleich auf die Grösse der Sony A1 herunter, ist der Unterschied frappant.

Hasselblad X2D bei ISO 12800 und 1/12 Sekunde Verschlusszeit. In der Realität ist es im Zimmer fast dunkel.
Hasselblad X2D bei ISO 12800 und 1/12 Sekunde Verschlusszeit. In der Realität ist es im Zimmer fast dunkel.
Skaliere ich das Bild der X2D (links) auf den 100-Prozent-Ausschnitt einer identischen Aufnahme aus der Sony A1 (rechts), wird das bessere Rauschverhalten deutlich sichtbar.
Skaliere ich das Bild der X2D (links) auf den 100-Prozent-Ausschnitt einer identischen Aufnahme aus der Sony A1 (rechts), wird das bessere Rauschverhalten deutlich sichtbar.

Beeindruckend, aber am wenigsten wichtig finde ich das Schlagzeilen-Feature der X2D: Die 100 Megapixel Auflösung zeigen sehr feine Details und erlauben grosszügige Zuschnitte. Als Testaufnahme mache ich ein Foto eines Ölgemäldes. Es ist faszinierend, wie stark ich heranzoomen kann. In der 100-Prozent-Ansicht sehe ich die einzelnen Fasern der Leinwand. Doch das ist Pixel Peeping in Reinform. Um in der Praxis etwas davon zu merken, müsste ich Bilder auf einem Fine-Art-Printer fast wandfüllend ausdrucken, was ich nie mache.

Das Auflösungsvermögen von 100 Megapixel gepaart mit Hasselblads exzellenten Objektiven ist enorm. Im 100-Prozent-Ausschnitt des Fotos eines Ölgemäldes kannst du die einzelnen Fasern zählen.
Das Auflösungsvermögen von 100 Megapixel gepaart mit Hasselblads exzellenten Objektiven ist enorm. Im 100-Prozent-Ausschnitt des Fotos eines Ölgemäldes kannst du die einzelnen Fasern zählen.

Preis-Leistung: Die Rolex der Kameras

Die neue Hasselblad ist wie eine Luxusuhr. Eine Rolex Submariner ist wasserdicht bis 300 Meter, ihr natürliches Habitat ist aber eher der Paradeplatz als der Meeresgrund. Wer sich eine kauft, ist selten Taucherin oder Taucher, sondern zahlt für die Ästhetik, das gute Gefühl und die Geschichte der Marke. Das ist mit harten Fakten schwer zu begründen. Denn rein funktional bringt im Alltag eine Swatch 99 Prozent der Leistung für ein Prozent des Preises. Vergleicht man die Rolex hingegen mit einer noch teureren Patek Philippe, wird sie zum Schnäppchen.

So ähnlich verhält es sich mit der X2D: Verglichen mit den meisten Vollformat-Kameras ist sie lächerlich teuer. Die Bildqualität ist zwar klar besser, doch im Endergebnis wird dieser Unterschied kaum bemerkbar sein. Und je nach Anwendung ist das Fokussystem eine Hürde beim Fotografieren, die es bei anderen Marken nicht mehr gibt. Verglichen mit einer grossen Mittelformat-Kamera wie der Phase One IQ4 150 für gegen 50 000 Franken kehrt sich das Verhältnis aber. Plötzlich liefert die spiegellose Hasselblad eine nur unwesentlich schlechtere Bildqualität und mehr Features zu einem Bruchteil des Preises.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis der X2D zu beurteilen ist aufgrund der unterschiedlichen Referenzpunkte schwierig. Fakt ist, dass Fujifilms GFX 100S für zwei Drittel des Geldes die gleiche Bildleistung bringt und momentan einen besseren Autofokus hat. Ihr fehlt jedoch der Zentralverschluss und ihre Blitzsynchronisationszeit ist 1/125 s, was je nach Anwendung fatal oder egal ist. Wahr ist auch, dass nur schon die Ästhetik und Haptik der Hasselblad ausreichen, damit ich Lust aufs Fotografieren bekomme. Wie viel ist das Wert? Unmöglich zu sagen.

So viel Freude am Fotografieren wie mit der X2D hatte ich lange nicht. Die Bilder macht das nicht besser, mein Erlebnis schon.
So viel Freude am Fotografieren wie mit der X2D hatte ich lange nicht. Die Bilder macht das nicht besser, mein Erlebnis schon.

Fazit: Eine kostspielige Muse

Die Hasselblad X2D ist eine Kamera für Künstler und alle, die es gerne wären. Ihr hervorragendes Design und die Reduktion aufs Wesentliche wecken die Lust am Fotografieren. Fast alle Frustrationen des Vorgängermodells hat der schwedische Hersteller eliminiert. Das X-System ist endlich in der Neuzeit angekommen: Mit dem Bildstabilisator kann ich auch bei wenig Licht gut ohne Stativ fotografieren. Der elektronische Sucher ist gross und hochaufgelöst, der interne Speicher eine willkommene Neuerung. Einzig der Fokus und seine Bedienung bleiben Schwachpunkte. Er stellt mit den neuen V-Objektiven zwar schneller scharf und erhält hoffentlich bald eine Gesichtserkennung. Doch für alles, was sich bewegt, ist die X2D schlicht die falsche Kamera.

Über jeden Zweifel erhaben ist die Bildqualität. Die Fotos aus dem Mittelformat-Sensor strotzen vor Details, haben tonnenweise Dynamik-Reserven und rauschen selbst bei hohen ISO-Werten wenig. Dazu kommen die fantastischen, natürlich wirkenden Farben, die ich in der Bildentwicklung kaum manipulieren muss. Der letzte Punkt und der Zentralverschluss heben die Hasselblad für mich auch von Fujifilms Konkurrentin GFX 100S ab.

Insgesamt richtet die X2D sich an eine kleine Zielgruppe, die mit ihr aber umso zufriedener sein dürfte. Wenn es dir egal ist, dass dir die Kamera ein Loch ins Portemonnaie brennt, kann ich sie dir für Anwendungen wie Landschafts-, Produkt- oder Portraitfotografie empfehlen. Du erhältst eine wunderschöne, kompakte Mittelformat-Kamera mit kompromissloser Bildqualität, die inspirierend wirken kann. Eine kostspielige Muse.

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann wahrscheinlich an meinen Fingerspitzen mitten in einer Felswand.


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