Wann und warum du Kopfhörer-Verstärker brauchst
Hintergrund

Wann und warum du Kopfhörer-Verstärker brauchst

Lothar Brandt
13.5.2018

Je besser die Kopfhörer sind, desto mehr brauchen sie adäquate Versorgung. Kopfhörer-Verstärker können da eine Menge verbessern. Sie bringen stärkeren Sound, der deinen Ohren in vielerlei Hinsicht gut tut.

Kopfhörer können gar nicht gut genug sein – jeder Ohrenarzt wird bestätigen, dass schlechte Earphones genau diese Ears gefährden. Und was am oder im Ohr einmal kaputt ist, kann man nie wieder gut machen.

Dabei ist es gar nicht mal in erster Linie die objektive Lautstärke, welche die empfindlichen Zellen im Innenohr meuchelt. Klar, Dauerbedröhung mit Bohrhammer-Pegel zerstört schnell und sicher. Aber bei einigermassen zivilen Verhältnissen gilt: Lautstärke ist nicht gleich Lautstärke. Es sind vor allem Verzerrungen, welche die subjektiv empfundene Lautstärke bis ins Unerträgliche steigern können, während unverzerrte, klare Klänge auch bei sehr hohen Pegeln noch angenehm sein können. Schmerzvolle Pegel, soviel schon mal als Faustregel, sind gefährlicher als angenehme.

Warum überhaupt Kopfhörer-Verstärker?

Und da kommen sie ins Spiel: die Kopfhörer-Verstärker, ich kürze sie ab jetzt mal als KHV ab. Ob sichtbar oder nicht: Sie sind in jedem Gerät drin, das einen Kopfhörer-Anschluss (3,5 oder 6,3 Millimeter) hat. Leider sitzt hinter diesen Buchsen bei den meisten Smartphones, Tablets und Computern der billigste Schrott als Verstärker. Ein Spar-Operationsverstärker für nicht einmal 30 Rappen – that’s it. Warum? Die Hersteller wollen Kosten sparen, und zumindest mobile Geräte sollen auch möglichst wenig Strom brauchen.

Wenn du also erstens nicht laut und zweitens nicht gut laut und drittens nicht lange laut hören kannst, weil dich aufgequollene, unpräzise Bässe, unverständliche Sprache und zischelnde oder dumpfe Höhen schlicht nerven, kauf erst einmal einen guten Hörer. Und dann denk sofort über einen KHV nach. Passend zum Einsatzzweck des Hörers.

Mobiles Entertaining

Völlig klar, dass beim Sport jedes weitere Teil, dass neben dem Smartphone an einem herumbaumelt, nur nervt. Voraussetzung fürs Outdoor-Hören sind so genannte niederohmige Hörer. Die ziehen mit Werten zwischen zehn und 50 Ohm (steht auf der Packung beziehungsweise in der Beschreibung) nicht so viel Strom aus den Batterien oder Akkus der Versorger. Wer die mobile Musik vor allem beim Laufen geniessen will, sollte, wenn überhaupt, zu einem leichten, akkubetriebenen KHV greifen, der sich problemlos am Gürtel oder Trikot befestigen lässt. Da gibt es so ab 40 Franken schon brauchbare Modelle.

Als Nachteil bleibt aber immer die zusätzliche «Last» und dass ein weiterer Akku immer möglichst voll geladen sein sollte. Rechne nicht mit weltbewegenden Klangfortschritten. Aber ehrlich gesagt: Wer selber in Bewegung ist, braucht vielleicht nicht die highfidelste Musikwiedergabe zur Schnauf-Untermalung.

Ins Fitness-Studio, wo man mehr stemmt, steppt oder sitzt als herumtollt, darf es dann auf jeden Fall ein kräftigerer, batterie- oder akkubetriebener KHV sein, natürlich immer noch klein genug, um problemlos in der Sporttasche oder unter dem von Gerät zu Gerät mitgeschleiften Schweisstuch zu verschwinden. Auch hier dient Musik ja lediglich der Motivation – und wie beim Jogging-Hörer geht es vor allem um schonendere Trommelfell-Massage.

Wer lange im Tram oder in der Bahn unterwegs ist, kann ein etwas massigeres KHV-Modell ja eventuell in der Akten- oder Schultasche verbergen. Auf jeden Fall lohnen sich hier kraftvolle Amps, die Umgebungsgeräusche sollen ja verzerrungsfrei übertönt werden. Vielleicht hast du schon einen Kopfhörer mit Noise Cancelling. Praktische Sache, diese Unterdrückung von Umwelt-Radau. In jedem Fall darf man hier die Qualitätsschraube auch beim KHV schon höher drehen.

Beispiel: Der iDSD von iFi Audio hat auch einen hochwertigen DA-Wandler an Bord, der auch DSD-Signale wandelt. Zudem hat er einen 3,5- und 6,3-Millimeter-Klinkenanschluss.

Am Rechner

Wer seine Musik – auch zu Hause – via Tablet, Notebook oder überwiegend am beziehungsweise vom Computer mit Kopfhörer geniesst (egal, ob von Festplatte oder gestreamt), der kann an zwei Wohlklangfronten mit einem Streich aufrüsten.

Weil der Ton in digitalen Devices ja digital gespeichert und verarbeitet wird, wir Menschen aber nach wie vor analog hören, braucht es einen Digital-Analog-Wandler, kurz DAC. Im Rechner sind die auf den Soundkarten implementiert – und leider in den meisten Fällen ziemlich mau.

Praktischerweise gibt es viele KHV in Kombination mit einem DAC. Wenn du etwa 200 Franken kalkulierst, bekommst du schon beim Wandler bessere Qualität als normalerweise in Rechnern. Das fängt mit der eigenen Energieversorgung für die Elektronik an. Im Computer muss sich dagegen der arme Chip den Saft mit Dutzenden anderer Elemente teilen. Wer also am Rechner den besseren Sound haben will, sollte sich mal bei DAC/KHV-Kombis umschauen – der Markt bietet reichlich.

Ein testbewährter KHV-DAC-Kombinierer im gehobenen Qualitätsbereich mit gutem Preis/Leistungsverhältnis ist zum Beispiel der Oehlbach XXL DAC Ultra.

Vorher solltest du aber sicher gehen, dass auf beiden Seiten die richtigen Schnittstellen vorhanden sind. Wer in hoher Qualität streamt (high resolution), schaut natürlich auch nach, ob der DAC entsprechend hohe Datenraten verarbeiten kann. Aber die meisten externen Wandler schaffen – dank längst entsprechend gerüsteter Standard-ICs – selbst Raten mit 24 Bit Wortbreite und 192 Kilohertz Samplingfrequenz. Für Nicht-Techniker: Das sind ungefähr 1000 Mal so viel Daten pro Sekunde wie bei einer CD.

An der Anlage

Hörst du noch ganz altmodisch die alten Silberscheiben, möglicherweise sogar LPs? Oder speist du High Resolution Files in eine hochwertige HiFi-Anlage ein? Dann benützt du wahrscheinlich den Kopfhörer-Ausgang des zentralen Verstärkers oder möglicherweise auch des CD-Spielers. Doch im bezahlbaren Bereich zählen selbst bei guten (Voll-)Verstärkern die Kopfhörer-Ausgänge zu den Stiefkindern der Entwickler – der Rotstift ihrer Controller setzt nur zu gerne auch da an. Also muss auch hier oft ein 08/15-Operationsverstärker hinter der Klinkenbuchse seine Alibi-Arbeit verrichten.

Wer nun einen richtig guten Kopfhörer hat, will natürlich auch eine optimale Versorgung dafür. Den Sonderfall der bei High-Endern beliebten elektrostatischen Kopfhörer lassen wir mal aus – die haben aufgrund ihrer Funktionsweise eigene Speiseteile. Für die gewöhnlichen elektrodynamischen Ohr-Lautsprecher bietet der HiFi-Markt Lösungen von etwa 150 Franken bis zu – festhalten – 10 000 Franken an.

Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie problemlos auch hochohmige Kopfhörer (ab 200 bis 600 Ohm und darüber) mit ausreichend Saft beliefern können. Viele Modelle bieten sogar zwei Anschlüsse, so dass der Partner mit dem eigenen Hörer mitlauschen kann. Das ist zum Beispiel beim Black Cube Linear von Lehmann Audio der Fall.

Sogar KHV mit separater Lautstärkeregelung für Zweithörer gibt es. Apropos Anschlüsse: Um einen separaten KHV adäquat in die HiFi-Anlage einschleifen zu können, braucht es am (Vor-)Verstärker einen so genannten Fixed Output. Das ist im Normalfall der «Tape Out» – früher schloss man da den Kassettenrekorder oder die Bandmaschine an. Dort liegt ein fester, vom Lautstärkesteller der Verstärkers unabhängiger Pegel an, der wiederum die Eingänge des KHV versorgt. Das geht übrigens normalerweise bis zu Kabellängen von drei Metern problemlos, wer die Strippe akzeptiert, kann den KHV also direkt neben seinen Hörplatz stellen. Wireless-Lösungen gibt es, aber ich habe bislang noch keine im Top-Bereich befriedigende Lösung gehört.

Die Abhör-Lautstärke regelt man dann am KHV. Einige Modelle bieten noch Schmankerl wie Klangregler, was je nach Musikgeschmack und Soundpräferenzen durchaus sinnvoll sein kann. Viele Spitzen-Kopfhörer sind heute eher «mild» und recht tieftonstark abgestimmt. Wer mehr Höhenpfeffer und schlankere Bässe bevorzugt, kann hier nachjustieren.

An der Spitze

Ein besonderer Leckerbissen sind spezielle Schaltungstricks wie «Crossfeed». Das Problem beim Kopfhören ist ja generell, dass die Trennung von links und rechts extrem stark ist. Über Lautsprecher und natürlich auch im richtigen Leben hörst du Schall von links mit minimaler Zeitverzögerung auch im rechten Ohr und umgekehrt. Viele Konsumenten stört es, dass beim Kopfhören keine «Bühne» vor dem Gesicht entsteht und dass sich in der Mitte abgemischte Signale – normalerweise im Pop etwa der Gesang – mitten im Kopf abzuspielen scheinen. Crossfeed etwa gibt mit minimaler Verzögerung und entsprechend abgeschwächt Signale des linken auch auf den rechten Kanal und umgekehrt. Je nachdem, wie gut die Schaltung ausgelegt ist, kann das verblüffend gut und superschön räumlich tönen. Der Hersteller McIntosh zum Beispiel hat in seiner jüngsten Generation auch von Vollverstärkern den Effekt installiert – freilich kosten die Edel-Amps aus USA richtig viel Geld.

Der McIntosh MHA150 kombiniert einen Digital-Analog-Wandler für höchste Auflösungen mit einem superben Kopfhörerverstärker. Highendig ist auch der Preis von etwa 7000 Franken.
Der McIntosh MHA150 kombiniert einen Digital-Analog-Wandler für höchste Auflösungen mit einem superben Kopfhörerverstärker. Highendig ist auch der Preis von etwa 7000 Franken.

Aber auch bei «reinen» KHV kann es richtig teuer werden. Ob ein KHV nun mit Transistoren oder mit Röhren arbeitet, ist kein Qualitätskriterium. Allerdings können Röhren mit ihrem «gutmütigen» Verzerrungsverhalten im gehobenen Preisbereich dem durchaus angenehmeren Kopfhörerklang dienen. Bei schierer Leistungsausbeute sind Röhren den Halbleitern meist unterlegen. An Kopfhörern aber sind viel kleinere Spannungen und Ströme vonnöten als an Lautsprechern. Doch die Schaltung sollte vor allem das Rauschen – über Kopfhörer besonders nervend – der Glaskolben ausreichend zähmen.

Das geht, kostet aber. Eine chinesische Billigst-Röhre garantiert noch keinen Wohlklang. Also Vorsicht bei vermeintlich günstigem Pseudo-High-End. Das andere Ende der Fahnenstange: Der deutsche High-End-Hersteller Octave zum Beispiel baut mit dem V 16 einen der besten Kopfhörer-Verstärker der Welt – so gut, dass er im Laufe seiner Entwicklung trotz geringer Leistung zum regulären Vollverstärker wuchs. Das gute Stück kostet aber um 10 000 Franken – und steht in der Riege der absoluten Weltspitzen noch nicht einmal allein da.

Gehört zu den besten Kopfhörer- und Vollverstärkern der Welt: Octave V 16.
Gehört zu den besten Kopfhörer- und Vollverstärkern der Welt: Octave V 16.

Dort, an der Spitze, sind inzwischen auch andere Möglichkeiten der Steckverbindung möglich. Ich habe eingangs die 3,5- und 6,3-Millimeter-Stecker beziehungsweise -Buchsen als Standard definiert. Du siehst an den Steckern eine Dreiteilung des Schafts: Ein Segment führt das mit + gekennzeichnete Signal für den linken, das zweite für den rechten, das dritte die gemeinsame mit – bezeichnete Masse, die zudem als Abschirmung fungiert. Um die Nachteile zu mindern, gibt es inzwischen auch Alternativen für Spitzen-Hörer: Etwa mit zwei getrennten Kabeln mit Klinkensteckern, mit zwei so genannten XLR-Steckern oder mit einem Kabel mit einem so genannten vierpoligen XLR-Stecker. Die so genannte symmetrische Verbindung führt auf der einen Leitung das normale + , auf der anderen das in der Phase um 180 Grad gedrehte, invertierte – Signal. Wo beide wieder zusammenkommen, an der Kopfhörermembran, heben sich Störungen gegenseitig auf. Verwirrend? Ja. Im Klartext: Das Signal bleibt von vorne bis hinten astrein.

Fazit

Wichtiger und preiswerter aber ist die Botschaft, dass du schon mit vergleichsweise wenig Geld deinen Ohren viel Gutes tun kannst. Erstens mit manierlichen Kopfhörern, zweitens mit einem passenden Kopfhörerverstärker. Die nützen den Ohren im Wortsinne ganz direkt. Und jeder Rappen, den du für dein empfindlichstes Sinnesorgan investierst, lohnt sich fürs Leben.

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Ich tummle mich seit über 30 Jahren als Journalist in der Audio-Branche. Dort bin ich berüchtigt als begeisterter Musikliebhaber, hoffnungsloser Analog-Fan und sehr kritischer Lautsprecher-Beurteiler. Was wohl mit kläglichen Versuchen zusammenhängt, Geige und Schlagzeug besser als nur amateurhaft zu spielen. Eine Zeitlang lebte und arbeitete ich der Schweiz, meinem erklärten Lieblingsland. Dorthin kehre ich immer wieder gerne zurück. 


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