Warner Bros. und HBO Max: Schlag gegen das Kino
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Warner Bros. und HBO Max: Schlag gegen das Kino

Luca Fontana
4.12.2020

Warner Brothers wird 2021 alle Kinofilme gleichzeitig zum Release-Tag auf seinen Streamingdienst HBO Max bringen. Eine Nachricht, die vor allem Kinobetreibern wehtut.

Was das von AT&T kontrollierte Medienhaus WarnerMedia in einem offiziellen Statement mitteilt, könnte den Kinobetreibern in den Vereinigten Staaten einem Schlag ins Gesicht nicht näher kommen: Alle 2021er-Warner-Bros.-Kinofilme werden an ihren jeweiligen Startterminen auch auf HBO Max veröffentlicht.

Alle.

Soll heissen: Während 31 Tagen ab Kino-Release kommen auch HBO-Max-Abonnenten in den Genuss der Kinofilme, während sie gleichzeitig auf der grossen Leinwand laufen. Danach verschwinden die Filme aus dem Streamingkatalog – bis das traditionelle, etwa dreimonatige Fenster für die Heimkino-Auswertung erreicht ist.

Da stellen sich drei Fragen.

Warum tut Warner Bros. sowas?

Eins ist klar: Das tut weh. Zumindest den Kinobetreibern in den USA. Vor allem, weil die kommenden 12 Monate einige Film-Hammer in petto hätten, die das Kino nicht mehr exklusiv ausspielen darf. «Wonder Woman 1984» etwa. Oder «Matrix 4». «Dune». «Godzilla vs. Kong» und James Gunns «The Suicide Squad».

Und irgendwo weit weg im Osten lachen sich Kinobetreiber ins Fäustchen.

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Warner Bros. rechtfertigt seine Entscheidung mit Kundenfreundlichkeit. Tatsächlich zeige eine vergangenen Monat durchgeführte Umfrage von Yahoo Finance, dass 81 Prozent der Kinogänger in Amerika seit März 2020 keinen Kinosaal mehr von innen gesehen hätte. 56 Prozent davon gaben Covid-19 als Begründung.

Die daraus resultierende Frage: Was nütze es Warner Bros., Filme ins Kino zu bringen, wenn keiner dahin geht, um sie zu schauen?

Nichts. Jedenfalls nicht so viel wie die Veröffentlichung besagter Filme übers eigene Streamingportal HBO Max, das gerade erst im Mai 2020 in den USA gestartet ist und sich mit dieser Aktion über zahlreiche neue Abonnenten freuen wird.

Kriegt Warner Bros. keinen Ärger mit Kinobetreibern?

Ja, Warner Bros. macht sich mit dem Manöver Ärger mit der Kinobranche. Das zeigt das Beispiel des Filmstudios Universal Pictures, das sich anfang Jahr mit AMC, einer der grössten Kinoketten der Welt, einen wochenlangen Disput geliefert hatte.

Ursprung war der Film «Trolls World Tour». Während Kinos im Frühjahr weltweit geschlossen blieben, hat Universal seinen Animationsfilm stattdessen für 15 bis 20 Dollar in den Online-Verleih gebracht – für den Preis eines Kinotickets. Das hat sich ausgezahlt: In nur drei Wochen verdiente das Studio allein am US-Markt knappe 100 Millionen Dollar. Mehr, als der erste «Trolls»-Film zuvor in fünf Monaten an den US-Kinokassen eingespielt hatte.

Jeff Shell, NBCUniversals CEO, machte daraufhin klar, Filme zukünftig gleichzeitig digital und im Kino veröffentlichen zu wollen. Ein Day-and-Date-Release also, wie Warner Bros. es plant. AMC, um potenzielle Kinogänger bangend, kündigte daraufhin erzürnt an, gar keine Universal-Streifen mehr zu zeigen, sollte Shell an seinen Plänen festhalten.

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Ähnlichen Boykott-Ärger dürfte auch Warner Bros. bevorstehen. Bleibt die Frage, ob sich das Filmstudio davon beeindrucken lässt. Ist ja nicht so, dass Kinobetreiber wie AMC oder Cinemark am langen Hebel sässen. Für Warner Bros. dürfte das etwa so sein, als ob die Kinobetreiber damit drohten, dass statt «fast niemand» neu «fast gar niemand» mehr den Film im Kino zu sehen bekäme.

Trotzdem: Ein Deal fürs Leben nach der Pandemie ist nicht auszuschliessen – hoffentlich mit Kinobetreibern. Kaputte Geschäftsbeziehungen nutzen da niemandem was. Warner Bros. könnte die Kinobetreiber etwa an zukünftige Umsätze aus Video-on-Demand-Diensten beteiligen. Oder sonstwie finanziell entgelten.

Und wie sieht’s für uns Europäer aus?

Die Sache ist die: HBO Max gibt’s nur in den Vereinigten Staaten. Nicht in Europa. Hierzulande werden HBO-Filme und -Serien üblicherweise via Sky-App vertrieben, die du auf den meisten Smart-TV-Fernsehern installieren kannst. Oder via Android TV, etwa auf einer Nvidia Shield.

Oder du nutzt VPN, wie Play-Suisse-Projektleiter Pierre-Adrian Irlé.

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Ob sich dieser Deal auch auf die kommenden Warner-Bros.-Kinofilme ausweitet, ist nicht bekannt. Meine Vermutung ist, dass Warner Bros.’ Experiment zumindest anfangs nur in den Vereinigten Staaten geprobt wird. Sollte sich das Modell bewähren, werden sich die Gespräche mit den Sky-Vertretern intensivieren. Da bin ich mir sicher.


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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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