Was dein Sextraum (nicht) zu bedeuten hat
Hintergrund

Was dein Sextraum (nicht) zu bedeuten hat

Was wir träumen, kann uns tagsüber ganz schön ins Grübeln bringen. Manchmal sogar an uns zweifeln lassen. Sexträume sind da keine Ausnahme. Wie viel Gewicht du ihnen geben darfst und inwiefern sie dir sogar guttun, erklärt Sexualtherapeutin Dania Schiftan.

Was zum Teufel habe ich da bitte zusammengeträumt? Morgens nach meinen nächtlichen Eskapaden lässt sich meine Kinnlade vor lauter Staunen nur noch mühsam schliessen. Zu fasziniert bin ich von der wilden Storyline, die mein Hirn sich im Schlaf zusammengereimt hat. Das gilt besonders für Träume mit chilischarfen Details. Selten kann ich nachvollziehen wieso, weshalb, warum? Ich frage bei Expertin Dania Schiftan nach, was es mit unseren Sexträumen auf sich hat und wie wir am besten mit ihnen umgehen.

Dania, inwiefern unterscheiden sich nächtliche Sexträume von unseren Tagträumen?
Dania Schiftan, Sexologin und Psychotherapeutin: Tagträume sind bewusstseinsnahe Szenarien, also Fantasien. Sie sind in der Regel eng verknüpft mit aktuellen Situationen. Häufige Fantasien sind zum Beispiel der Dreier, Sex mit einem Arbeitskollegen oder einer Arbeitskollegin oder jemandem aus dem Fitnessclub. Bei den Tagträumen lassen wir Seiten von uns aufleben, die wir sonst nicht oder nur eingeschränkt zulassen. Wenn du zum Beispiel schüchtern bist, kannst du in deinen Tagträumen auch eine dominante Seite zeigen. Es sind Rollen, in die wir uns begeben. Doch wie bei unseren nächtlichen Träumen bedeuten Tagträumereien nicht, dass wir die Fantasie auch im echten Leben ausleben möchten.

Wie ernst darf ich meine Sexträume denn nehmen?
Sexträumen solltest du nicht zu viel Bedeutung beimessen. Sie sind nicht gleichzusetzen mit unterdrückten Wünschen. Es kommt schon mal vor, dass wir uns von unseren Träumen auch in der Realität angezogen fühlen. Aber das ist nicht die Regel. Wenn du etwas träumst, dann bedeutet das also nicht, dass du das Geträumte in die Tat umsetzen willst.

Oder dass ich mich von der Person, von der ich geträumt habe, tatsächlich körperlich angezogen fühle …
Richtig. Wir Menschen beurteilen unsere Träume mit unserem wachen Verstand, also nach unseren moralischen und ethischen Prinzipien. Da stellt man sich schnell mal die Frage: Was stimmt mit mir nicht? Schliesslich träumen wir auch Dinge, die uns im Wachzustand anwidern oder von denen wir niemals bewusst fantasieren würden.

Hört sich nach innerem Konflikt an.
Das muss es aber nicht sein. Solche selbsthinterfragenden Gedanken kommen nur, wenn man dem Sextraum eine Bedeutung respektive gewisse Wertung gibt. Betrachtet man das Ganze aber mit Abstand, kann man sich darüber freuen, lächeln und sagen: Spannend, wozu mein Hirn fähig ist.

Kann ich denn von der nächtlichen Kreativität meines Hirns im Wachzustand profitieren?
Wenn du dir in dem Bereich eine gewisse Erlaubnis und Freiheit eingestehst, kannst du, losgelöst von den geträumten Bildern, den gedanklichen Kontrollverlust geniessen. Schliesslich nimmst du in deinen Träumen Dinge wahr, die du so in der Realität vielleicht nie erfahren würdest. Im Alltag versuchen wir unsere Gedanken und Gefühle stets zu kontrollieren. Das kann sich eng anfühlen. Träume schaffen einen neuen Freiraum, in dem du dich austoben kannst. Du kannst einfach sein. Das ist etwas Schönes und eine Abwechslung zum Alltag.

Was bedeutet das für die eigene Sexualität?
Die Schwerelosigkeit oder die Hingabe, die du in deinen Träumen erfährst, kann dein Sexleben bereichern. Vielleicht entdeckst du eine wilde oder sanfte Seite an dir, der du bisher nur in deinen Träumen begegnet bist und die du vielleicht gerne mal im Wachzustand erkunden möchtest. Träume lassen sich in diesem Kontext mit einer Art Vision vergleichen, aus der man Aspekte, die einem gefallen, mit in die Realität einbringen kann.

Vorausgesetzt, ich kann mich an das Geträumte erinnern …
Das können tatsächlich die wenigsten, insbesondere, wenn es um ganze Handlungsstränge geht. Die Erinnerung an unsere Träume verflüchtigt sich nach dem Aufwachen sehr schnell. Vielmehr sind es Gerüche, Gefühle, Eindrücke, einzelne Momentaufnahmen, ein Kribbeln oder eine feuchte, klebrige Unterhose, die uns bleiben.

In welchem Alter macht sich unsere Sexualität zum ersten Mal in unseren Träumen bemerkbar?
Das ist nicht so klar. Wir erleben schon als sehr junge Menschen gute Gefühle im Genitalbereich, aber ab wann sich diese auch in den Träumen zeigen, ist schwer zu sagen. Bei den Jungs macht sich der Körper in der Pubertät nachts zum Beispiel selbstständig und ejakuliert.

Und daran sind dann die sogenannten «feuchten Träume» schuld?
Tatsächlich ist es meist umgekehrt. Es sind nicht die Träume, die eine körperliche Reaktion wie Erregung auslösen. Es ist unser Körper, der den ersten Schritt macht und der Kopf zieht dann mit und kreiert die passenden Fantasien, Gedanken und Bilder dazu. Es ist also der Körper, der den Takt vorgibt.

Weshalb tut er das?
Die nächtliche Erektion ist ein gewöhnlicher Kontrollmechanismus vom Körper, der das Gewebe gesund hält. Erwachsene Männer haben pro Nacht bis zu sechs Erektionen. So was lässt sich mit speziellen Geräten messen. Wenn jemand behauptet, er bekomme keine Erektion mehr, versucht man mit solchen Messungen herauszufinden, ob das Problem körperlicher Natur ist oder ob es an psychischen Ursachen liegt. Im Schlaf ist die Person nämlich entspannter. Wird eine Erektion gemessen, muss man gemeinsam herausfinden, weshalb er im Wachzustand keinen Zugang dazu findet.

Wie steht es um die Frauen?
In meiner Praxis erzählen mir Frauen immer wieder, dass sie keine Orgasmen haben können, dafür aber in Sexträumen manchmal welche erleben. Ich finde das sehr spannend, da es zeigt, dass unser Körper und Gehirn in der REM-Schlafphase – in der andere Gehirnregionen ihre Aktivität hochfahren – ein Eigenleben entwickeln und plötzlich Dinge zulassen, die für manche im Alltag nur schwer möglich sind.

Dania Schiftan arbeitet seit 15 Jahren als Sexologin und Psychotherapeutin in ihrer eigenen Praxis in Zürich. Zudem ist sie auch als Psychologin bei Parship tätig. Mehr über sie und ihren Job erfährst du im Interview mit ihr:

  • Ratgeber

    Zu Besuch bei einer Sexologin

    von Natalie Hemengül

Alle weiteren Beiträge aus der Serie findest du hier:

  • Ratgeber

    Alles rund um die Sexualität

    von Natalie Hemengül

Titelfoto: Maddi Bazzocco via Unsplash

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Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich. 


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