Wie ich vom Roguelike-Hater zum Roguelike-Fan wurde
Meinung

Wie ich vom Roguelike-Hater zum Roguelike-Fan wurde

Zusätzliche Inhalte in einigen meiner Lieblingsgames haben mich vom Roguelike-Hater zum -Fan transformiert. Zumindest fast. Meine Beziehung zum Genre bleibt kompliziert.

Roguelike-Modi in AAA-Games sind ein überraschender Trend im noch jungen Spielejahr 2024. Streng genommen hat dieser Trend schon letztes Jahr angefangen. An den Game Awards kündigte Entwicklerstudio Sony Santa Monica aus dem Nichts eine Erweiterung für «God of War: Ragnarök» an. Noch überraschender: Die «Valhalla»-Erweiterung ist kostenlos und es handelt sich um einen Roguelike-Modus.

So sehr ich mich im ersten Moment über neues, kostenloses «God of War»-Futter gefreut habe, so sehr war ich nach der Genre-Enthüllung enttäuscht. Schliesslich konnte ich mich noch nie mit Roguelikes anfreunden. Selbst absolute Genre-Highlights wie «Hades» konnten mich langfristig nicht begeistern.

Selbst Genre-Primus «Hades» konnte mich nicht überzeugen.
Selbst Genre-Primus «Hades» konnte mich nicht überzeugen.
Quelle: Supergiant Games

Roguelikes fühlen sich wie Zeitverschwendung an. Ich liebe Games, in denen ich stetig Fortschritte mache. Games, bei denen ich weiss, dass ich mit jeder investierten Spielstunde garantiert mehr freischalte. Roguelikes geben mir diese Sicherheit nicht. Sie frustrieren mich oft mit einem hohen Schwierigkeitsgrad, kombiniert mit langsamem Spielfortschritt.

Trotz meiner Abneigung habe ich mich in den vergangenen Monaten in drei Roguelikes verliebt.

Generell gilt: In Roguelikes kämpfst du dich in oftmals prozedural generierten oder zufällig ausgewählten Level durch ein Spiel. Während eines Runs stattest du deine Spielfigur mit neuen Items, Fähigkeiten oder Waffen aus. Stirbst du, verlierst du die temporär erspielten Upgrades und beginnst von vorne. Zwischen den Runs besteht oftmals die Möglichkeit, die Spielfigur mit permanenten Upgrades zu bestücken, die bei einem virtuellen Tod nicht verloren gehen. Seinen Ursprung hat der Begriff «Roguelike» im PC-Spiel «Rogue», das 1980 erschienen ist. «Roguelike» heisst also nichts anderes als: «ähnlich wie Rogue». Das Genre wird in manchen Kreisen unterteilt in «echte» Roguelikes und zugänglichere «Roguelites» – also: «Rogue» in einer Light-Variante. Der Begriff und die Abgrenzung der Sub-Genres hat sich mit der zunehmenden Popularität des Spielprinzips verändert. «Roguelike» und «Roguelite» werden oft als Synonyme verwendet – so auch in diesem Artikel.
Rogue (1980)
Rogue (1980)
Quelle: Artoftransformation, Wikipedia

Meine erste Liebe: «God of War Ragnarök: Valhalla»

«Valhalla» ist für mich eine der grössten Überraschungen meiner Gaming-Karriere. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich jemals so viel Freude an einem Roguelike-Modus haben könnte. Und das, obwohl alle typischen Roguelike-Elemente dabei sind, die ich eigentlich nicht mag.

Der Gameplay-Loop besteht aus Kämpfen, Upgraden, Sterben und Wiederholen. Das Ziel ist es, mit Kratos ans Ende einer mysteriösen Herausforderung in Valhalla zu gelangen. Auf dem Weg dorthin muss ich in zufälligen Arenen unzählige Monster auf brutalste Art und Weise niederstrecken. Die Kämpfe an sich unterscheiden sich nicht gross vom Hauptspiel. Frischen Wind bringen die zahlreichen Modifier und Upgrades mit sich, die ich entweder temporär oder permanent freischalte.

  • Spielkritik

    «Valhalla» im Test: Die kostenlose «God of War»-Erweiterung ist der absolute Wahnsinn

    von Domagoj Belancic

Das vertraute Melee-Gameplay ist aber nicht der Hauptgrund für meine Begeisterung. Ich liebe es, wie das Spiel die Story mit der neuen Roguelike-Struktur verheiratet. Der griechische Gott des Krieges muss sich in den nordischen Valhalla-Kampfarenen mit den Gräueltaten auseinandersetzen, die er in seiner alten Heimat verübt hat. Er kämpft wortwörtlich mit den Dämonen seiner Vergangenheit und verliert dabei immer wieder. Es ist nicht bloss stumpfes Töten und getötet werden, sondern exzellentes interaktives Storytelling.

Auch wenn ich während eines Runs sterbe, wird die Story vorangetrieben – ich «verschwende» also keine Zeit. Mehr noch, das wiederholte Sterben und Wiederauferstehen gehört zur Geschichte dazu. Bloss: Auch «Hades» hat eine super Story, die ähnlich elegant mit der Roguelike-Struktur verbunden ist. Überzeugen konnte mich das Game trotzdem nie. Wieso bloss?

Story und Roguelike-Struktur werden in «Valhalla» zu einem hervorragenden Gesamtkunstwerk verschmolzen.
Story und Roguelike-Struktur werden in «Valhalla» zu einem hervorragenden Gesamtkunstwerk verschmolzen.
Quelle: Domagoj Belancic

Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Der Grund, wieso mich «Valhalla» so packt, liegt in der Natur der Sache. Es ist «nur» eine Erweiterung und kein eigenständiges Game. Es knüpft an bestehende Story-Elemente aus dem «God of War»-Universum an und verbindet diese mit der frischen Roguelike-Spielstruktur. Im Gegensatz zu «Hades» fühle ich mich sofort zu Hause. Es ist alles sehr vertraut und doch irgendwie anders. Ich habe mit diesen Charakteren schon unzählige Spielstunden verbracht und freue mich, sie in einem neuen Kontext wiederzusehen und besser kennenzulernen. Die Roguelike-Struktur ist nicht die Hauptattraktion, sondern Mittel zum Zweck, um eines meiner Lieblingsgames aus einer neuen Perspektive kennenzulernen.

Meine zweite Liebe: «The Last of Us Part II: No Return»

Meine zweite Roguelike-Liebe folgte mit dem PS5-Remaster von «The Last of Us Part II» einige Wochen nach «Valhalla». Nebst aufgebohrter Grafik bietet die Neuauflage einen neuen Spielmodus mit dem Namen «No Return». In diesem metzle ich mich in typischer Roguelike-Manier durch insgesamt sechs zufällige Level aus dem Hauptspiel. Sterbe ich, verliere ich alle temporär erspielten Upgrades und Waffen und muss von vorne anfangen.

Während «Valhalla» mit dem Verschmelzen von Story und Roguelike-Struktur überzeugt, fehlt die Hintergrundgeschichte bei «No Return» komplett. Ich spiele ein fiktives Szenario, in dem die mehrschichtigen Charaktere aus dem Hauptspiel zu seelenlosen Actionfiguren verkommen. Trotz dieses krassen Kontrastes packt mich der Modus. Oder ist es gar wegen des krassen Kontrastes? Es ist cool, mit Ellie, Joel, Abby oder Lev hirnlos Headshots zu verteilen, ohne mir dabei Gedanken über die Konsequenzen ihrer Handlungen zu machen. Das Spiel nimmt sich in diesem Modus nicht ernst und lässt mich einfach Spass haben.

Im Gegensatz zu «Valhalla» unterscheidet sich das Gameplay in «No Return» krass vom Hauptspiel. Das liegt vor allem an den durchgeknallten Gameplay-Modifiern, die in einigen Levels aktiviert werden. Mit diesen kämpfe ich gegen durchsichtige Gegner, muss zufällig generiertem Molotov-Regen ausweichen oder setze Feinde mit meinen Faustschlägen in Brand. Undenkbar im bierernsten und realistischen Hauptspiel.

Eine Faust in die Fresse verbrennt Feinde. Geil.
Eine Faust in die Fresse verbrennt Feinde. Geil.
Quelle: Naughty Dog

Trotz des unterschiedlichen Ansatzes gegenüber «Valhalla» komme ich zu einem ähnlichen Schluss: «No Return» glänzt, weil es «nur» eine Erweiterung ist. Der neue Spielmodus packt mich, weil er es mir erlaubt, eines meiner Lieblingsgames aus einer komplett neuen, surrealen Perspektive zu erleben. Die Story und das Gameplay des Hauptspiels werden nicht weitergeführt, sondern komplett auf den Kopf gestellt. Meine Vorstellungen und Erwartungen an ein «The Last of Us»-Game werden ad absurdum geführt. Ich bin gleichzeitig verwirrt, überrascht und hervorragend unterhalten.

  • Spielkritik

    «The Last of Us Part II Remastered»: Lohnt sich das kostenpflichtige PS5-Upgrade?

    von Domagoj Belancic

Meine potenzielle künftige Liebe: «Splatoon 3: Ruf zur Ordnung»

Auch Nintendo springt auf den Roguelike-Zug auf und veröffentlicht am 22. Februar eine Erweiterung für den Farb-Shooter «Splatoon 3». Ich habe das Game an einem Preview-Event für ein paar Stunden angespielt und bin mir sicher, dass es meine nächste grosse Roguelike-Liebe sein wird. In «Ruf zur Ordnung» kämpfe ich mich durch einen 30-stöckigen Turm voller mysteriöser Fisch- und Oktopus-Gegner. Auch hier gilt: Kämpfen, sterben, upgraden, wiederholen.

Konzeptuell ist die Erweiterung eine Mischung aus «Valhalla» und «No Return». Heisst: Die absurde Story der «Splatoon»-Hauptspiele wird auf clevere Art und Weise mit der Roguelike-Struktur verbunden. Das Gameplay überrascht mit unerwarteten Twists, die im Hauptspiel unmöglich wären.

Oberflächlich betrachtet sieht «Ruf zur Ordnung» vertraut aus. Die meiste Zeit verbringe ich immer noch mit dem Verschiessen von Farbe. Der Grund, wieso mich die Erweiterung in der kurzen Anspielzeit überzeugen konnte, ist das erstaunlich ausführliche und flexible Upgrade-System. Für jedes erkämpfte Stockwerk erhalte ich ausrüstbare Farb-Chips. Diese haben Einfluss auf meine Attribute wie Schusskraft, Reichweite oder Mobilität.

Auf jedem Stockwerk gibt es eine neue Mission zu erfüllen. Hier muss ich eine überdimensionierte Billardkugel ins Ziel befördern und Feinde fernhalten.
Auf jedem Stockwerk gibt es eine neue Mission zu erfüllen. Hier muss ich eine überdimensionierte Billardkugel ins Ziel befördern und Feinde fernhalten.
Quelle: Nintendo

Bist du mit den Waffen aus «Splatoon 3» vertraut, kannst du deren Vorteile mit den Chips gezielt ausbauen oder ihre Nachteile eliminieren. So kann ich eine langsame und präzise Sniper-Waffe zu einer schnellen Wumme mit grossem Wirkungsbereich umfunktionieren. Solche komplett übermächtigen Builds wären im Hauptspiel, respektive im kompetitiven Multiplayer-Modus, undenkbar. Dort sind Waffen und Angriffe minutiös aufeinander abgestimmt, damit die Balance zwischen den verschiedenen Spielstilen im Einklang bleibt. Unvorstellbar, wenn ich mit meinem Sniper-Shotgun-Build gegen andere Spieler antreten würde. Im Roguelike-Modus kann ich mich ohne Rücksicht auf Verluste austoben und die Grenzen des «Splatoon»-Gameplays testen.

Das Upgrade-System ist erstaunlich komplex und macht Spass!
Das Upgrade-System ist erstaunlich komplex und macht Spass!
Quelle: Nintendo

Auch meine Faszination mit «Ruf nach Ordnung» lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass es «nur» eine Erweiterung und kein eigenständiges Spiel ist. Ich bin mit dem chaotischen Farb-Shooter-Gameplay vertraut und kann mich hier so richtig tief austoben. Und nebenbei erfahre ich noch mehr über die verrückte Hintergrundgeschichte der «Splatoon»-Welt. Herrlich.

Mein Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Sowohl «Valhalla» als auch «No Return» und «Ruf zur Ordnung» bieten klassische Roguelike-Kost. Ich kämpfe mich durch zufällig generierte Kampfarenen und sammle temporäre und permanente Upgrades. Sterbe ich, muss ich von vorne anfangen und nehme nur die permanent erspielten Upgrades mit.

Diese drei zusätzlichen Spielmodi bieten genau das, was ich an Roguelike-Games eigentlich nicht mag. Und trotzdem begeistern mich die Erweiterungen. Sie fühlen sich bei weitem nicht wie Zeitverschwendung an. Das liegt vor allem daran, dass es eben «nur» Erweiterungen und keine eigenständigen Games sind. Die Roguelike-Struktur ist nicht die Hauptattraktion, sondern lediglich ein Mittel, damit ich diese hervorragenden Spiele aus einer neuen Perspektive geniessen kann.

Mit Roguelike-Modi quetsche ich noch mehr Spielstunden aus schon durchgespielten Games. Im Bild: «Ruf zur Ordnung».
Mit Roguelike-Modi quetsche ich noch mehr Spielstunden aus schon durchgespielten Games. Im Bild: «Ruf zur Ordnung».
Quelle: Nintendo

Die Herangehensweise an die Geschichte der drei Games unterscheidet sich krass. Während «Valhalla» und «Ruf zur Ordnung» ihre Story auf clevere Art und Weise mit der Roguelike-Struktur verbinden, verzichtet «No Return» auf jeglichen Kontext. Spass machen mir beide Optionen. Bei der ersten lerne ich die Spielwelt und ihre Charaktere besser kennen und bei der zweiten erlebe ich ein sonst ultra-ernstes und depressives Spiel in einem vollkommen neuen, unbeschwerten Licht. Abgesehen von der Roguelike-Struktur unterscheiden sich die drei Spiele auch hinsichtlich der Gameplay-Neuerungen. «Valhalla» ist dem Hauptspiel ziemlich ähnlich, «No Return» schockiert mit verrückten Modifiern und «Ruf zur Ordnung» fesselt mit einem erstaunlich komplexen Upgrade-System.

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich jemals so viel Spass mit Roguelike-Modi haben würde. Mein Beziehungsstatus mit dem Genre als Ganzes bleibt aber kompliziert. Roguelike-Strukturen finde ich vor allem als Vehikel für neue Spielerfahrungen in mir bereits bekannten Spielumgebungen spannend. Als eigenständige Hauptattraktion überzeugt mich die Idee weiterhin nicht.

Auch wenn ich mich dem Genre annähern konnte, fiebere ich dem Release eines «Hades II» nicht entgegen. Stattdessen zähle ich die Tage, bis «Ruf zur Ordnung» erscheint und hoffe, dass noch viel mehr Entwicklerstudios auf den Trend aufspringen und ihre Games mit kurzweiligen Roguelike-Modi erweitern.

Titelbild: Domagoj Belancic

24 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar