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«GTA: Vice City»
Meinung

Wie lizenzierte Soundtracks die Gaming-Welt veränderten

Von «Wipeout», über «Tony Hawk» bis «FIFA» und «Vice City»: Lizenzierte Soundtracks haben nicht nur Games geprägt, sondern ganze Karrieren. Auch meine.

Wer über Videospiel-Soundtracks spricht, denkt an die grossen Komponisten. Nobuo Uematsu, der mit seinen «Final Fantasy»-Werken ganze Generationen zum Heulen brachte, Bear McCreary, dessen orchestrale Wucht «God of War» zum audiovisuellen Schlachtfest machte. Oder Yoko Shimomura, deren «Kingdom Hearts»-OST mit den besten Disney-Produktionen mithalten kann.

Neben diesen Meisterwerken existiert eine andere, nicht minder wichtige Tradition: der lizenzierte Soundtrack. Songs, die nicht für ein Spiel geschrieben wurden, aber untrennbar damit verbunden sind.

Ich persönlich kann Offsprings «All I Want» nicht mehr hören, ohne sofort gelbe Taxis durch San Francisco rasen zu sehen. Der Song und «Crazy Taxi» sind in meinem Hirn so verschmolzen, dass ich beim ersten «Yeah» automatisch nach einem unsichtbaren Controller greife. Vielen Gaming-Fans dürfte es ähnlich gehen. Sei es mit Bad Religion und «Tony Hawk», M83 und «GTA V» oder Blondie und «Vice City».

Lizenzierte Soundtracks sind mehr als Hintergrundmusik. Sie prägen Games, definieren Epochen und können – wie in meinem Fall mit «FIFA 04» – sogar ein Leben verändern. Dazu später mehr.

Eine kurze Geschichte der lizenzierten Game-Musik

Viele glauben: Das 1983 erschienene «Journey» war das erste Videospiel mit lizenzierten Soundtrack. Das Arcade-Game dreht sich um die gleichnamige US-Rockgruppe und lässt dich in die Rolle der Bandmitglieder schlüpfen. Dazu laufen Chiptune-Versionen deren Songs, die allesamt spektakulär scheisse klingen.

Das erste «Rock N’ Roll Videogame» war auf jeder Ebene eine Enttäuschung.
Das erste «Rock N’ Roll Videogame» war auf jeder Ebene eine Enttäuschung.
Quelle: DATA AEE

Dieses fehlgeschlagene Experiment war allerdings nicht der erste Versuch: Die wahre Premiere fand zwei Jahre früher statt: 1981 verwendete «Donkey Kong» ein Sample aus dem Intro-Song der TV-Serie «Dragnet». Nicht der glamouröseste Startschuss für eine Revolution, aber irgendwo muss man ja anfangen.

In den nächsten Jahren passierte wenig Erwähnenswertes. Die limitierten Soundchips gaben zu wenig her, als dass Entwickler darin grosses Potential sahen. Das änderte sich 1990 mit «Michael Jackson’s Moonwalker».

Dieser Fiebertraum von einem Game, in dem Mecha-Michael Jackson (!) hilflose Kinder (!!) mit Dance-Magic (!!!) retten muss, verdient eigentlich seinen eigenen Artikel. Aber bleiben wir beim Thema: Der Side-Scroller bietet verschiedene 8-Bit-Arrangements der grössten Hits des Musikers. Die klingen heute noch grossartig. Ein starkes Argument für lizenzierte Musik in Videospielen.

Die CD-Revolution

Der echte Durchbruch kam mit dem 3DO. Das glücklose Gerät des EA Games-Gründers Trip Hawkins war zwar nicht die erste Konsole mit CD-Laufwerk (diese Ehre gebührt der PC-Engine), es hatte aber als erstes System Games, die das volle Potential des damals noch neuen Mediums ausschöpften.

Plötzlich war Speicherplatz kein limitierender Faktor mehr. Entwickler konnten echte, unkomprimierte Musik in ihre Games packen.

«Road Rash 3DO» nutzte diese Möglichkeit 1994 und ballerte Grunge-Tracks von Soundgarden und Monster Magnet aus den Lautsprechern, während sich Spieler gegenseitig von Motorrädern prügelten.

Ein Jahr später setzte «Wipeout» auf der Playstation neue Massstäbe: Der Future-Racer kombinierte schnelle Hovercraft-Action mit einem Soundtrack, der das Who's Who der elektronischen Szene versammelte. Chemical Brothers, Orbital, Leftfield – «Wipeout» war quasi ein Rave auf einer Disc.

Der kulturelle Urknall

Wenn ein einzelnes Franchise den Einfluss von lizenzierten Soundtracks verkörpert, dann «Tony Hawk's Pro Skater». Die Serie tat mehr für die Kommerzialisierung von Punk, Ska und Alternative Rock als MTV und sämtliche Musik-Magazine zusammen.

Goldfingers «Superman», Dead Kennedys' «Police Truck», Rage Against the Machines «Guerrilla Radio» wurden zu den Hymen einer ganzen Generation von Kids, die sich zu den Songs die Knie wund schlugen – beim Versuch die Skate-Tricks nachzustellen. Ollies sind im echten Leben doch schwieriger.

Die «Tony Hawk»-Games holten den Trendsport quasi im Alleingang aus der Subkultur. Sie lieferten den Blaupause für lizenzierte Soundtracks, wie wir sie heute kennen.

Die Blaupause

Rockstar verstand bereits bei «GTA III» wie wichtig Musik für die Atmosphäre ist. «Vice City» trieb das Konzept ein Jahr später auf die Spitze (nach zwölf Monaten ein neues «GTA», what a time to be alive). Das 1986 angesiedelte Miami-Pastiche war nicht nur ein revolutionäres Open-World-Game. Es war eine Zeitkapsel.

Über 100 lizenzierte Songs verteilt auf neun verschiedene In-Game-Radiosender. Darunter die Hits von Blondie, Hall & Oates, Frankie Goes to Hollywood, A Flock of Seagulls und vielen mehr.

«Vice City» verstand etwas Fundamentales: Musik ist mehr als Untermalung. Sie definiert eine Ära, sie etabliert ein Setting und erzeugt eine emotionale Resonanz, die weit über das Gameplay hinausgeht. Wenn du mit einem Stinger durch die neonbeleuchteten Strassen fährst und «I Ran (So Far Away)» aus dem Radio dröhnt, dann bist du in den 80ern. Auch wenn du sie nie erlebt hast.

Nur zwei Jahre später (WHAT A TIME TO BE ALIVE) wiederholte «GTA: San Andreas» das Erfolgsrezept und vollendete den bis heute zweitbesten Entwickler-Hattrick der Videospielwelt (der erste Platz gehört Squaresoft für «Final Fantasy VII - IX»)

Die «Need for Speed»-Serie und zahlreiche andere Racing-Games gingen ähnliche Wege. Sie setzten aber auf zeitgenössische Tracks und etablierten sich als Sprungbrett für aufstrebende Künstler.

Und «FIFA»? Dazu gleich mehr.

Let’s get physical!

Musik kann nicht nur begleitend eingesetzt werden, sondern auch ein zentrales Spielelement sein. Konamis «Dance Dance Revolution»-Franchise startete 1998 auf der Playstation und in den Spielhallen. Das Gameplay verlangt die korrekte Eingabe der angezeigten Button-Prompts im Takt zur Musik. Wahlweise mittels Gamepad oder unter vollem Körpereinsatz auf einer Tanzmatte oder Stage.

2004 startete die Serie mit lizenzierten Songs und legte den Grundstein für den Plastikinstrumente-Hype in den Jahren danach. «Guitar Hero» und «Rock Band» verwandelten Wohnzimmer weltweit in improvisierte Konzertbühnen und gaben eine Idee, wie es sich anfühlt, ein Rockstar zu sein. Auch wenn wir mit den billigen Kindergitarren um den Hals wie Vollpfosten aussahen.

Die Spiele setzten dermassen viel Kohle um, dass selbst die zwei übrig gebliebenen Beatles irgendwann fanden «Hold my pint!» und für «The Beatles: Rock Band» die Rechte freigaben.

Der Preis des Erfolgs

Mit dem Erfolg kam das unvermeidliche Problem: explodierende Kosten. Als immer mehr Entwickler den Wert von lizenzierten Soundtracks erkannten, stiegen die Preise exponentiell. Der Soundtrack von «Saints Row 2» kostete 2008 bereits eine Million Dollar.

Noch problematischer: Lizenzen haben Ablaufdaten. Wenn der Vertrag ausläuft und nicht erneuert wird, muss das Spiel entweder aus den Online-Stores verschwinden oder mit reduziertem Soundtrack neu veröffentlicht werden. «GTA: Vice City» traf dieses Schicksal 2012 – einige der ikonischsten Songs wurden entfernt, darunter Ozzy Osbournes «Bark at the Moon», «Wow» von Kate Bush und «Billie Jean» von Michael Jackson.

«Alan Wake» verschwand 2017 komplett aus den digitalen Stores, weil die Musiklizenzen ausgelaufen waren. Erst nach Neuverhandlungen kehrte das Spiel zurück. Auch hier mit unvollständigen Soundtrack: David Bowies «Space Oddity» wurde dauerhaft getilgt.

Die vorsichtige Gegenwart

Diese Erfahrungen haben die Industrie vorsichtiger gemacht. Sport- und Rennspiel-Franchises setzen weiterhin auf lizenzierte Musik, aber darüber hinaus sind Entwicklerstudios zurückhaltender geworden. Verständlich: Auch wenn es einen Song gibt, der perfekt zur künstlerischen Vision passt, fragen sich gewinnorientierte Unternehmen, ob dessen Inklusion den dAufwand rechtfertigt.

Gleichzeitig gibt es immer wieder Games, die beweisen, dass es den Umtrieb und das Risiko wert ist: «Life is Strange» ist an sich bereits ein sehr tolles, narratives Abenteuer. Der hervorragende Soundtrack hievt das Mystery-Drama um Max Caulfield aber nochmals zwei Level höher. Ich weiss noch, wie nahe mir das Ende ging, als die ersten Takte von Foals’ «Spanish Sahara» einsetzten.

Das kürzlich erschienene «Lost Records: Bloom & Rage» vom selben Entwickler folgt diesem Ansatz und zeigt, dass es noch immer Platz für sorgfältig kuratierte Soundtracks gibt. Spiele, bei denen jeder Song bewusst gewählt wurde, um einen emotionalen Beat zu unterstreichen.

Dass lizenzierte Soundtracks nachhaltig prägen können, weiss ich aus erster Hand. Und damit meine ich nicht bloss den Musikgeschmack.

Wie «FIFA» mein Leben veränderte

Bis in die frühen 2000er war ich ein passiver Musikhörer. Klar, einige Acts gefielen mir besser als andere, und ich besass ein paar CDs. Aber Musik war damals kein besonders wichtiger Punkt in meinem Leben. Das änderte sich mit «FIFA 2004».

Ich habe das Game nie gespielt. Nicht eine einzige Partie. Aber die Disc rotierte pausenlos in der PlayStation 2 von einem meiner besten Freunde. Aktiv am Controller war er ebenfalls selten, weil er damit beschäftigt war, Joints zu rauchen, deren Grösse und Potenz selbst Snoop Dogg den Angstschweiss auf die Stirn getrieben hätten. Stattdessen lief im Hintergrund der Soundtrack des Sportgames: Kasabian, The Caesars, Kings of Leon. Bands, die mir die Formatradios bisher verwehrt hatten. Ich verknallte mich HART in diesen Sound.

Plattenläden wurden zu meinem zweiten Zuhause Online fand ich später Gleichgesinnte auf Myspace (R.I.P.) und Last.FM.

Und weil ich nichts in meinem Leben nur halbgar machen kann, wurde daraus eine Obsession, die bald auch mein Berufsleben definierte. Ich landete beim mittlerweile eingestellten RCKSTR Magazine, wo ich 15 Jahre lang über meine Liebe zur Musik schwadronieren durfte. Dazu startete ich eine nischige, kurzlebige Musikkarriere mit mehr Enthusiasmus als Talent und ich drängte meinen Freunden Mixtapes mit der Penetranz eines Greenpeace-Promoters am Hauptbahnhof auf.

Nichts davon wäre passiert, ohne dieses Fussball-Spiel, das ich bis heute nie gespielt habe.

Merci, «FIFA 2004».
Merci, «FIFA 2004».

Mehr als nur Hintergrundmusik

Lizenzierten Soundtracks wird nachgesagt, dass sie niemals die gleiche Gravitas wie ein OST entwickeln können. Aber stimmt das wirklich?

Für viele von uns treffen diese Soundtracks in unseren formativen Jahren auf offene Ohren. Sie prägen unseren Musikgeschmack, beeinflussen unsere Identität und können – wie in meinem Fall – quasi das ganze Leben bestimmen. Das mag melodramatisch klingen, aber frag mal irgendjemanden über 30, ob er «All Star» von Smash Mouth hören kann, ohne an «Shrek» zu denken.

Die Zukunft der lizenzierten Game-Soundtracks bleibt ungewiss. Steigende Kosten, komplizierte Lizenzverhandlungen und das Risiko, dass Songs irgendwann aus Spielen verschwinden, machen die Sache für Entwickler unattraktiv.

Aber vielleicht bringt «GTA VI» die Tradition zurück ins Rampenlicht. Rockstar hat bei der Ankündigung bereits durchblicken lassen, dass der Soundtrack wieder eine essentielle Rolle spielen wird. Und wenn irgendjemand die Ressourcen und das Engagement hat, um Trends zu etablieren, dann sind es die Schirmherren des potentiell grössten Gaming-Release aller Zeiten.

Wir erfahren es im November 2026*.

*oder auch nicht. Rockstar-Release-Daten sind etwas so verlässlich wie ein Stiefvater, der «nur kurz Zigaretten holen» geht.

Titelbild: «GTA: Vice City»

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In den frühen 90er-Jahren vererbte mir mein älterer Bruder sein NES mit «The Legend of Zelda» und startete damit eine Obsession, die bis heute anhält.


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