
Hintergrund
«Ein Kind fällt nicht einfach tot um, wenn es eine halbe Stunde länger zockt»
von Patrick Vogt

Du bist noch auf der Suche nach einem Geschenk für ein (Vorschul-)Kind und schreckst vor digitalen Gadgets nicht zurück? Dann schau dir doch mal Edurino an.
Bildschirmzeit fürs Kind. Dieses Thema wirkt auf gewisse Eltern wie das Tuch des Matadors auf den Stier: Sie sehen rot und drehen durch. Abgesehen vom Fakt, dass Stiere farbenblind sind und deshalb gar nicht rot sehen können, gehören meine Frau und ich nicht dazu.
Solange wir dabei sind, darf sich unsere sechsjährige Tochter durchaus was anschauen. Wir haben auch schon zusammen auf der Switch gespielt, und siehe da: Trotz etwas Bildschirmzeit zwischendurch ist das Abendland nicht untergegangen und Zoe spielt genauso draussen mit ihren Freundinnen oder ein analoges Karten- oder Brettspiel mit uns.
Seit ihrem ersten Jahr im Kindergarten gehört auch die Lern-App Edurino fürs Tablet oder Smartphone zu Zoes Bildschirmzeit. Du findest sie gratis bei Google Play und im Apple Store. Freilich bezahlst du am Ende trotzdem. Denn die Edurino-App funktioniert nur mit Zubehör. Und das – du ahnst es bereits – kostet:
Den Schlüssel zu den verschiedenen Edurino-Themenwelten bergen tierische Figuren, die das Kind auf die vorgegebene Stelle in der App hält. «Lesen & Schreiben» etwa ist Füchsin Mikas Revier – Zoes Favoritin bis heute, weil es ihr die Buchstaben schon früh angetan haben. Mit Waschbär Robin geht’s in die Welt der «Zahlen & Mengen», Katze Juki fördert die Bereiche «Kreativität & Malen», Pferd Alex widmet sich den Themen «Kalender & Jahreszeiten». Das sind nur ein paar Beispiele, es gibt noch weitere Figuren und Bereiche, und regelmässig kommen neue dazu.
Mit der App auf dem Tablet oder Smartphone und einer Figur ist dein Kind schon startklar. Nun fehlt aus Sicht der Edurino-Verantwortlichen nur noch der «ergonomische Eingabestift». Dieser wurde mit Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten entwickelt, damit Kinder die richtige Stifthaltung üben und ihre Feinmotorik stärken, wie es auf der Website heisst.
Edurino ist nach eigenen Angaben für Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren geeignet. Zoe war fünf, als sie ihre ersten Schritte damit machte. Sie war auf Anhieb hell begeistert und ist bis heute mit Eifer dabei. Das liegt sicher an den herzigen Tierfiguren, aber nicht nur. Die liebevoll gestaltete App führt kindgerecht durch die Spiele und Übungen.

Der niedrige Schwierigkeitsgrad verspricht schnelle Erfolge, birgt allerdings das Risiko, dass es dem Kind bald einmal langweilig werden könnte. Bei Zoe ist das (noch) nicht der Fall, auch wenn sie mittlerweile fast sieben und in der ersten Klasse ist. Dass das spielerische Lernen mit Edurino abwechslungsreich und dann doch nicht immer gleich leicht bleibt, dazu tragen die verschiedenen Figuren und Themenwelten bei.
Macht Zoe Lernfortschritte und schliesst Levels ab, schaltet sie neue Kleidungsstücke und Accessoires frei. Diese zieht sie dann ihrem Edurino-Avatar an. Das gehört zwar nicht direkt zum Spiel, macht ihr aber ebenfalls grossen Spass. Ich weiss auch warum, doch dazu gleich mehr.

Buchstaben nachzeichnen, reimen, erste Rechenaufgaben lösen oder Gefühle unterscheiden: Als Elternteil kann ich Zoes Begeisterung für die vielfältige Themenwelt von Edurino absolut nachvollziehen und teile sie auch. Sie lernt damit Dinge, obwohl es sich kein bisschen danach anfühlt. Zugegeben, wenn sie zum x-ten Mal den Buchstaben Z nachzeichnen oder Kabel auf Gabel reimen soll, hört und fühlt sich das für mich als Beobachter etwas repetitiv an. Gleichzeitig wissen wir doch alle aus eigener Erfahrung, dass eben genau die Wiederholung der Schlüssel zum Lernen ist.

Wie lange Zoe während einer Edurino-Session spielen darf, lege ich als Erwachsener in den Einstellungen fest – wir sind bei einer halben Stunde. Nähert sich die Spielzeit ihrem Ende, weist die App Zoe darauf hin und sagt ihr, dass sie jetzt noch eine Runde spielen könne. So kommt das Ende der Bildschirmzeit nicht so plötzlich, was ich besonders löblich finde.
Dennoch, um auf Nummer sicher zu gehen, stelle ich inzwischen parallel dazu einen Wecker. Zoe hat nämlich ein Schlupfloch entdeckt, um ihre Bildschirmzeit zu verlängern: Die Zeit, die sie damit verbringt, ihren Edurino-Avatar mit neuen Errungenschaften zu stylen, wird ihr nicht auf die Spielzeit angerechnet. Will heissen: Hätten wir kein Auge und Ohr darauf, könnte das kleine Schlitzohr mehr Zeit am Tablet verbringen als vorgesehen.
Als digitale Lern-App sammelt Edurino Daten. So kann ich als Erwachsener etwa jederzeit Zoes Lernfortschritte in den verschiedenen Themenwelten verfolgen. So weit, so gut. Allerdings sammelt Edurino laut einer Studie der Universität Basel mehr Daten als nötig:
Edurino selbst betont, dass die gesammelten Nutzungsdaten nur der Verbesserung des Lern- und Spielerlebnisses dienten und anonymisiert würden, um das System pädagogisch zu optimieren. Zudem sei nach dem einmaligen Herunterladen der App und ihrer Inhalte keine Internetverbindung mehr nötig. Klingt vernünftig und verantwortungsvoll, trotzdem bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack. Es zeigt einmal mehr, wie kritisch wir beim Thema «Daten sammeln» sein sollten und wie wichtig Transparenz und Nutzerkontrolle sind. Gerade im Kinderzimmer!
Edurino überzeugt nicht nur meine sechsjährige Tochter Zoe, sondern auch mich als Papi. Andere digitale Lern-Apps wie beispielsweise Anton – die auch an Schulen verwendet werden – sind pädagogisch vielleicht noch einen Ticken wertvoller. Doch was das spielerische Lernen angeht, sucht Edurino in meinen Augen seinesgleichen. Nicht umsonst kommt sie auch in Kindergärten zum Einsatz. Die farbenfrohe und verspielte Lern-App richtet sich in erster Linie an Kinder im Vorschulalter, obwohl neue Figuren weitere Themenwelten erschliessen, die auch ältere Kinder ansprechen sollen.
Der ergonomische Eingabestift ist tatsächlich eine gute Übung, um den Schreibstift dereinst korrekt zu halten. Das funktioniert allerdings nur, wenn du als Elternteil wie ein Flitzebogen darauf achtest und die Stifthaltung ständig kontrollierst. Vielleicht ist es auch einfach wichtiger, dass sich das Kind möglichst gut und selbstständig in der Welt von Edurino zurechtfindet, und das funktioniert auch nur mit den Fingern.
Ja, die Spielfiguren haben ihren Preis. Dein Kind braucht aber längst nicht alle, schon gar nicht zu Beginn, da reicht eine nämlich völlig. Weitere Figuren kann sich dein Kind dann ja vom Götti, Grosi oder von der Tante schenken lassen. Oder ihr schaut mal in der Bibliothek vorbei, dort leihen wir neue Edurino-Figuren für Zoe einfach aus.
Pro
Contra
Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen.
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