12 Zentimeter weibliches Vergnügen: Kennst du diese Fakten über die Klitoris?
Hintergrund

12 Zentimeter weibliches Vergnügen: Kennst du diese Fakten über die Klitoris?

Wer glaubt, Röhren seien nur zum Stopfen da, hält wohl auch die Klitoris für vernachlässigbar – und ist damit in guter Gesellschaft. In der Tat wurde sie Jahrtausende lang als bedeutungsloses Organ in der Anatomie des weiblichen Körpers ignoriert. Damit machen wir nun Schluss: Dürfen wir vorstellen: Die Klitoris in sieben Fakten.

Die Vulva: Sie ist das «Tor ins Leben» und sorgt zugleich für so viele Fragen. Seit 2000 Jahren sezieren wir Frauenkörper, um hinter die Mechanismen weiblicher Lust zu blicken. Im Vergleich: Von der ersten Rakete im Weltall bis zum ersten Mann auf dem Mond vergingen knapp zwölf Jahre. Überspitzt formuliert, könnte man daraus schlussfolgern: Der Weg zur Emanzipation der Frau und zu ihrem Orgasmus fällt uns wohl schwerer als die Mondlandung.

Beleg gefällig? Bis heute können die wenigsten Menschen zwischen Vulva und Vagina unterscheiden. Das gilt durchaus nicht nur für Männer: Weniger als 30 Prozent aller Frauen wissen, was mit Vulva überhaupt gemeint ist. Das sagt die bislang größte Vulva-Studie weltweit, die am Luzerner Kantonsspital durchgeführt wurde. Kein Wunder, werden doch die weiblichen Geschlechtsorgane noch immer unter dem unglücklich gewählten Begriff des «Schambereichs» zusammengefasst, was uns suggeriert: Wir sollten besser nicht genauer hinsehen, sondern uns dafür schämen.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Vulva ist außen – sie umfasst den äußeren Geschlechtsbereich der Frau mit Schamhügel, großen und kleinen Schamlippen (oder sprachsensibel ausgedrückt: Vulvalippen) plus Klitoris. Die Vagina liegt innen – und ist ein flexibler, rund zehn bis zwölf Zentimeter langer Muskelschlauch, der quasi wie ein Akkordeon beschaffen ist, also faltig und dehnbar.

Und wenn wir schon dabei sind: Nein, das Jungfernhäutchen (Hymen) ist kein Siegel, das sich beim ersten Sex oder dem ersten Tampon durchstoßen lässt wie eine Membran. Im Gegenteil, es ist eine elastische und dünne Schleimhautfalte, ein Vaginalkranz. Vergleichen ließe sich das Hymen mit einem Rollkragen – schlauchartig und eng anliegend. Fest verschlossen durch das Hymen ist der Eingang zur Vagina hingegen fast nie, nur in 1 von 5000 Fällen kommt das vor.

Du hast von all dem noch nie gehört? Dann werden diese sieben weiteren Fakten über die Klitoris dein Bild der Vulva endgültig auf den Kopf stellen.

1. Die Klitoris ist ein Eisberg

90 Prozent der Klitoris liegen im inneren des Körpers. Sichtbar ist nur die Spitze, die sogenannte Klitoriseichel. Auf ihr befinden sich rund 8000 Nervenenden, also ungefähr zwei- bis dreimal so viele wie auf der Peniseichel. Weil von blossem Auge nur die Klitoriseichel zu sehen ist, verglich sie der griechische Arzt und Anatom Claudius Galenus vor fast 2000 Jahren mit «Maulwurfsaugen»: verkümmert und nutzlos. Wenn der gewusst hätte!

2. Die Klitoris: Keine Entdeckung des 21. Jahrhunderts

Erste erstaunlich akkurate Illustrationen des Organs stammen bereits aus dem Jahr 1672 vom niederländischen Anatom Reinier de Graaf und später (1844) vom deutschen Anatom Georg Kobelt. Ihre Zeichnungen basieren auf einer Entdeckung des italienischen Chirurgen Realdo Colombo. Im 16. Jahrhundert entdeckt er ein neues Organ: die «Amor Veneris» – Liebe der Venus. Er beschreibt seine Entdeckung als «vollendetes Organ weiblichen Vergnügens.»

Ein Durchbruch in der Forschung, der eine neue Ära der Klitoris hätte einleiten können. Leider ging das Wissen um die Klitoris mit dem generellen Zeitgeist des 20. Jahrhunderts verloren. Bilder der Klitoris und bisheriges Wissen darüber wurden verboten, um herrschende Rollenbilder wissenschaftlich zu legitimieren. Frauen waren in diesem Gesellschaftsbild das schwächere Geschlecht, Bilder der Klitoris als das durchschnittlich größere, potentere Sexualorgan hatten darin keinen Platz.

3. Die Klitoris ist bis zu zwölf Zentimeter groß

Fast jede U-Bahn-Station der Welt ist mit Penissen verziert. Wie eine Klitoris aussieht, wissen dagegen die wenigsten. Das ist kein Wunder, denn nicht einmal unsere Schul- und Sachbücher klären auf: Sie bezeichnen die Klitoris nach wie vor als erbsengroß und punktförmig – eine veraltete Information aus dem frühen 20. Jahrhundert. Tatsächlich erreicht die Klitoris eine Größe von bis zu zwölf Zentimetern. Dass sie damit sogar größer ist, als der durchschnittliche Penis, beobachtete – natürlich – eine Frau: Helen O’Connell, Urologin aus Australien. Ende der 1990er Jahre erweckt sie die Klitoris von ihrem Rufmord zurück zum Leben. Beim Sezieren einer Frauenleiche entdeckt sie, dass die Klitoris mit ihren 12 Zentimetern rund zehnmal so groß ist, wie in den Schul- und Sachbüchern dargestellt.

Könntest du eine Klitoris ohne Vorlage einigermassen korrekt zeichnen? Wäre dieses Organ dabei rausgekommen? Denn das ist sie: die Klitoris.
Könntest du eine Klitoris ohne Vorlage einigermassen korrekt zeichnen? Wäre dieses Organ dabei rausgekommen? Denn das ist sie: die Klitoris.
Quelle: shutterstock

Falls du also demnächst auch mal eine Klitoris an die Wand einer U-Bahn-Station malen möchtest: Sie besteht aus der Klitoriseichel mit Vorhaut, den einzigen von außen sichtbaren Teilen, die in den Klitoriswinkel übergehen. Links und rechts davon verlaufen die Klitorisschenkel, die bei Erregung steif werden. Darunter findest du die beiden Vorhofbulben, die je nach Erregung an- und abschwellen und die Vagina umschließen. Seit 2022 bilden übrigens drei deutsche große Schulbuchverlage die Klitoris in voller, korrekter Pracht ab – dafür hat wieder eine Frau gesorgt, die damalige Studentin und heutige Lehrerin Sina Krüger aus Berlin. Und die Salzburgerin Stefanie Grübl fertigt für Unterrichtszwecke Genitalmodelle an, darunter eine Klitoris in Übergröße.

4. Am Anfang sind wir alle weiblich

Die Theorie, der Mann sei das stärkere Geschlecht, zieht sich schon länger durch die Menschheitsgeschichte. Schon große Denker der Antike gingen davon aus, dass jeder Mensch einen Penis hat. Nur bei manchen – dem vermeintlich schwächeren Geschlecht – habe er es einfach nicht nach draußen geschafft. Noch bevor Realdo Colombo sie als neues Organ entdeckte, galt die Klitoris lange Zeit als verkümmerter Penis. Nun ja.

Zeit, endlich damit aufzuräumen: Tatsächlich verhält es sich sogar genau umgekehrt: Wir alle sind im Mutterleib erst einmal weiblich! Sheila de Liz, Autorin und Gynäkologin erklärt es in ihrem Buch «Unverschämt» so: «Jeder Fötus ist die ersten Wochen im Mutterleib mit der gleichen Wölbung zwischen den Beinen ausgestattet. […] Beginnt um die fünfte Schwangerschaftswoche die Differenzierung, läuft sie erst einmal automatisch in Richtung Frau! Erst durch den Einfluss von Testosteron entwickelt sich aus dem Genitalhöcker ein Penis statt der Klitoris.» Die männliche Harnröhre entsteht außerdem aus demselben Gewebe wie die Schamlippen der Frau. Dieses Bild macht es schön deutlich.

Weil sie aus derselben Schwellkörperanlage entsteht wie der Penis, ist die Klitoris das primäre Sexualorgan der Frau. Und nicht die Vagina oder Vulva! Die Klitoris ist das einzige Organ des menschlichen Körpers, das alleine der Lust dient. Kleiner Tipp: Auflegevibratoren liebt sie besonders.

5. Jeder Orgasmus ist (auch) klitoral

Nicht einmal ein Viertel aller Frauen kann durch vaginale Penetration alleine zum Höhepunkt kommen, konkret sind das weniger als 18 Prozent – weltweit. Studien, wie eine Publikation im Journal of Sex and Marital Therapy, legen sogar nahe: So etwas wie den vaginalen Orgasmus gibt es eigentlich gar nicht. Denn: Bei der vaginalen Penetration wird immer auch die Klitoris durch die Vaginalwände stimuliert. Warum wir davon nichts wissen, liegt wohl an der Schmutzkampagne gegen die Klitoris, angeführt von keinem Geringeren als Dr. Freud selig.

6. Der «vaginale Orgasmus»: Eine Erfindung von Sigmund Freud

Der Vater der Psychoanalyse war bestimmt vieles, aber Frauenversteher war er keiner. In der Zensur des frühen 20. Jahrhunderts behauptet Sigmund Freud, die Klitoris sei ein «infantiles Organ», das nur für kleine Mädchen zum Spielen gut sei. Als Arzt hätte er eigentlich bestens über die Statur und Funktion der Klitoris Bescheid wissen müssen, trotzdem behauptet er, eine erwachsene Frau solle nur vaginal und – wie der Mann – ohne Stimulation von außen zum Höhepunkt kommen. Damit trifft er natürlich den prüden Nerv seiner Zeit und verfehlt im gleichen Atemzug den Nerv der Frau. Heute wissen wir: Wer beim Sex mit einer Frau ins Schwarze treffen will, sollte unbedingt mit der Klitoris spielen.

7. Der G-Punkt liegt an der Rückseite deiner Klitoris

Das bringt uns zum nächsten erstaunlichen Fakt: Wenn jeder weibliche Orgasmus eigentlich auch klitoral ist, bedeutet das, der G-Punkt liegt nicht etwa an der Rückwand der Vagina, sondern auf der Unterseite der Klitoris. Vagina und Klitoris sind grundsätzlich stark miteinander verwachsen, weshalb die bereits erwähnte Urologin O’Connell den Begriff «klitoraler Komplex» zur Beschreibung weiblicher Sexualorgane vorschlug. Die Vagina bildet dabei den zehn bis zwölf Zentimeter langen Muskelschlauch. In den seitlichen Vaginalwänden befinden sich unzählige Blutgefäße, die bei Erregung anschwellen. Das nennt man den vaginalen Plexus. Dieses Venengeflecht spielt – gemeinsam mit der nahe verwachsenen Klitoris samt ihren Klitorisschenkeln – eine wichtige Rolle bei der Produktion der vaginalen Gleitflüssigkeit.

Nach diesem Exkurs durch die weiblichen Reproduktionsorgane sollte klar sein: Penetration alleine reicht nicht aus, um Frauen in ferne Galaxien zu katapultieren. Zur Sicherheit: In diesem Youtube-Video der Gynäkologin Dr. Sheila de Liz gibt es eine Wegbeschreibung zum G-Punkt.

Egal, wie wir uns also im Bett drehen und wenden: Die Klitoris ist und bleibt der sicherste Weg zu spektakulären Orgasmen. Und der schnellste Weg zum Mond.

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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