Der Aufstieg eines Giganten: Geschichte des Computings, Teil 5
Ratgeber

Der Aufstieg eines Giganten: Geschichte des Computings, Teil 5

Kevin Hofer
12.4.2019

In ihren Anfängen waren digitale Computer riesig. Sie schürten nicht nur aufgrund der Dimensionen Ängste, sondern wurden auch als Bedrohung für Jobs angesehen. Ein Unternehmen war zentral für die Akzeptanz von Computern: IBM.

Anfang der 1950er Jahre stritten sich ein paar wenige Unternehmen um den noch sehr kleinen Computermarkt. Computer wurden damals vor allem für wissenschaftliche Zwecke gebraucht. Die Computerforschung wurde von einer zentralen Schrift beeinflusst: «Preliminary Discussion of the Logical Design of an Electronic Computing Instrument», die 1946 unter der Leitung des Mathematikers John von Neumann entstand.

In dieser Abhandlung wurde festgehalten, dass Computer Daten und Programme binär codiert auf einem Speicher ablegen sollen. Dieses Konzept ist die wichtigste Erfindung in der Geschichte der Computer. Denn dadurch kann ein Programm ein anderes Programm als Daten erachten.

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Die meisten Computer, die in den folgenden Jahren gebaut wurden, orientierten sich an diesem Konzept. Anfang der 1950er Jahre gab es einige wenige solcher Modelle.

Grossrechner für Spezialisten

Erst ab 1954 entwickelte sich ein Markt für Businesscomputer. Der Dezimalrechner IBM 650 richtete sich an Universitäten und Unternehmen. Der IBM 650 kostete 200 000 Dollar und war damit verhältnismässig günstig. Das mag nach viel klingen, ist verglichen mit dem wissenschaftlichen Computer IBM 701 aber wenig. Der kostete eine Million Dollar. Vom IBM 650 produzierte das Unternehmen über 2000 Einheiten. Das Modell war damit der erste in Massenproduktion gefertigte Computer. Universitäten, an denen Computerwissenschaft gelehrt wurde, gewährte IBM einen Discount von bis zu 60 Prozent. Deshalb etablierte sich das Gerät vor allem an Hochschulen.

Dennoch liess der grosse Durchbruch auf sich warten. Das lag einerseits daran, dass die Computer jener Zeit nur von Spezialisten bedient werden konnten. Und die Arbeit von Spezialisten war teuer. Die Geräte waren hochspezialisiert und konnten nur eine Rechenaufgabe aufs Mal verrichten. Um Geld zu sparen, wurde jede Arbeit, die von einem Wissenschaftler gemacht werden konnte, auch von einem Wissenschaftler ausgeführt.

In der Öffentlichkeit hatten Computer kein gutes Image. Sie schürten Ängste, dass sie Jobs vernichten. Das wurde auch in der Populärkultur verarbeitet, wie beispielsweise im Film «Eine Frau, die alles weiss» (im Englischen «Desk Set»). Als ein Computer im Unternehmen eingeführt wird, haben die Angestellten Angst um ihre Arbeitsstellen.

Die Computer jener Zeit konnten nicht viel mehr als Charles Babbage’s Analytical Engine der 1830er Jahr – das dafür um einiges schneller. Mit Text konnten sie nur sehr begrenzt umgehen. Kleinbuchstaben beispielsweise konnten sie nicht darstellen. Grossrechner waren sehr teuer und fanden nur wenig Abnehmer. Damit sie für mehr Personen zugänglich wurden, mussten spezifische Programme her, wie beispielsweise Textverarbeitung und Datenbanken. Diese Art von Programmen benötigen Programmiersprachen, um sie zu schreiben und ein Betriebssystem, um sie zu managen.

Übersetzungen für die Maschine

Programme für frühe Computer mussten in der Sprache der jeweiligen Maschine geschrieben werden. Das Vokabular und die Syntax der Maschinensprachen unterschieden sich deutlich von der mathematischen oder unserer Sprache. Es lag auf der Hand, dass die Übersetzung automatisiert werden musste. Das haben bereits Ada Lovelace und Charles Babbage in den 1830ern festgestellt.

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Dazu sollte ein Übersetzungsprogramm auf dem Computer laufen, das in Maschinensprache geschrieben wurde. Dieses führt dem Zielprogramm Daten in Maschinensprache zu. Frühe höhere Programmiersprachen wurden von Hand für die Maschine übersetzt, nicht durch den Computer. Herman Goldstine hat das mit Flowdiagrammen umgesetzt.

Mit höheren Programmiersprachen wurde bereits in den frühen 1940ern experimentiert. Shortcode war die erste solche Sprache. William Schmitt hat sie 1950 in den UNIVAC integriert – einem der ersten Grossrechner. Shortcode arbeitete in mehreren Schritten. Zuerst konvertierte er alphabetische Eingaben in numerischen Code und diesen wiederum in Maschinensprache. Shortcode war ein Interpreter. Das heisst, dass das Programm die Eingaben der höheren Programmiersprache – eine nach der anderen – übersetzte. Das geschah sehr langsam.

Hier schafften Compiler Abhilfe. Eingaben der höheren Programmiersprache werden damit nicht mehr zuerst in nummerischen Code übersetzt. Die ganze höhere Programmiersprache wird in Maschinensprache übersetzt und für die spätere Verwendung gespeichert. Die erstmalige Übersetzung dauert zwar lange, dafür kann sie zu einem späteren Zeitpunkt schneller abgerufen werden.

Programmiersprachen

Im September 1952 hat Alick Glennie, ein Student an der Universität Manchester, den ersten Compiler geschaffen, der auch implementiert wurde. In den folgenden Jahren wurden diverse höhere Programmiersprachen mit entsprechenden Compilern entwickelt. Weil IBM im Computer-Business Fuss fassen wollte, veröffentlichte das Unternehmen 1957 Fortran. Die Programmiersprache machte Programmieren zugänglicher, weil es möglich war, in den Programmen Kommentare zu posten. Diese Anmerkungen wurden vom Compiler ignoriert. So konnten sie auch Nicht-Programmierer lesen und die Programme verstehen.

Erwähnenswert ist auch Cobol. Cobol orientierte sich an der natürlichen Sprache. Dadurch war sie verständlicher als Fortran, was zur besseren Akzeptanz von Computern ab der Veröffentlichung 1959 führte. Die Programmiersprache war fürs Business ausgelegt, wohingegen Fortran für Wissenschaftler gedacht war.

Damit Computer aber tatsächlich über die Wissenschaften hinaus nützlich wurden, benötigte es nebst den höheren Programmiersprachen ein Kontrollprogramm. Heute nennen wir das Betriebssystem. Ein System, das die anderen Applikationen orchestriert, die Dateiablage organisiert und die Peripherie verwaltet. Es war erneut die Firma IBM, welche die Notwendigkeit eines Betriebssystems erkannte. Mit dem IBM 360-Betriebssystem wird das Unternehmen den Computermarkt für Jahre dominieren.

IBMs Aufstieg

Mit dem IBM 650 stieg das Unternehmen bereits Mitte der 1950er ins Grossrechner-Business ein. Die Erfindung des Transistors führte dazu, dass IBM nach und nach von Vakuumröhren auf die elektronischen Halbleiter umstieg. Diese ersten Transistor-Computer läuteten die zweite Generation von Computern ein.

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IBM hatte zu dieser Zeit verschiedene spezifische Computer-Serien: für die Wissenschaft/Technik, für die Datenverarbeitung, für die Buchhaltung und Supercomputer. In den frühen 1960ern entschlossen sich die Verantwortlichen bei IBM, alles auf eine Karte zu setzen und all diese Anwendungszwecke in einer Architektur zu vereinen. Für geschätzte 5 Milliarden Dollar entwickelte das Unternehmen System/360.

IBM System/360 war mehr Architektur als eine einzelne Maschine. Zentral für die Architektur war das Betriebssystem, das auf allen 360-Modellen lief und in drei Varianten verfügbar war. Für Installationen ohne Festplatten, kleinere Installationen mit Festplatten und grössere Installationen mit Festplatten. Die ersten 360-Modelle von 1965 waren Computer-Hybriden aus Transistoren und integrierten Schaltkreisen. Diese werden heute als dritte Generation von Computern bezeichnet.

Das 360 Betriebssystem führte zu einer Verschiebung: Computer wurden künftig nach ihrem Betriebssystem bewertet und nicht nach der Hardware. Das finanzielle Risiko bei der Entwicklung zahlte sich für IBM aus. Bis in die 1970er Jahre war das Unternehmen aus Armonk, New York, unangefochtener Marktleader.

Das war’s mit dem fünften Teil der Geschichte des Computings. Nach einer längeren Auszeit nehme ich die Reihe wieder auf und gebe dir kurz und knackig Einblicke in die IT-Vergangenheit. Wenn du keinen Exkurs zur Geschichte des Computers mehr verpassen möchtest, dann folge mir mit einem Klick auf den «Autor folgen»-Button.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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