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Hintergrund

Einheitsbrei in der Mainstream-Musik, Teil 4: Die Gründe

David Lee
15.11.2019

Wir wissen jetzt: Dass die Charts immer langweiliger werden, ist nicht nur ein Gefühl, sondern durch Studien belegt. Doch die grosse Frage bleibt: Warum? Ein Erklärungsversuch.

Wir haben also den Sündenbock gefunden. Bloss: So einfach ist es nicht. Dass alles nach dem gleichen Rezept gebraut wird, liegt nicht an Max Martin. Als Produzent tut er lediglich, was getan werden muss, um erfolgreich zu sein. Wenn er es nicht täte, würde es ein anderer tun.

Die Gründe für die zunehmende Eintönigkeit in der Mainstream-Musik sind komplex und lassen sich nicht auf eine Einzelperson reduzieren. Wenn es eine grosse Hauptursache gibt, dann ist es der Kampf um Aufmerksamkeit, der durch den technischen Fortschritt immer härter wird.

Alles ist jederzeit hörbereit

Streaming ist der vorläufig letzte Schritt einer Entwicklung, die schon lange anhält: Es wird immer einfacher, an Musik zu kommen. Schon die MP3-Tauschbörsen machten mehr Musik verfügbar, als ich hätte hören können. Davor gab es immerhin schon selbstgebrannte CDs, MTV und unzählige Radiosender. Alles Dinge, die mein Vater in seiner Jugendzeit nicht hatte.

Andere Gatekeeper als früher

Musiker werden im Internetzeitalter auf andere Art bekannt. Früher drehte sich alles um Plattenverträge. Die grossen Labels entschieden, wem sie eine Chance geben wollten und wem nicht. Dort fand bereits eine Vorselektion statt.

Heute können Künstler ihre Musik theoretisch von A bis Z selbst produzieren. Das ganze Studio-Equipment ist viel billiger und leistungsfähiger geworden. Veröffentlichen ist sowieso kein Problem mehr, das kann heute jeder selbst.

Dies sollte eigentlich zu mehr Vielfalt führen, nicht weniger. Wer früher vom Musikproduzenten aus dem Studio geworfen wurde, weil er gerade nicht dem Zeitgeschmack entsprach, kann heute auf eigene Faust werkeln. Vermutlich nimmt die Vielfalt über den ganzen Musikbereich gesehen tatsächlich zu. Aber es ist eine Vielfalt, die nicht bis in die Charts vordringt. Ohne die Unterstützung eines Labels bleibt innovative bis experimentelle Musik meist in einer Nische.

Für die Labels lohnt es sich nicht mehr, experimentierfreudige Musiker zu unterstützen. Das war früher anders: Es bestand immer die Möglichkeit eines Überraschungserfolgs mit riesigen Einnahmen. Diese Einnahmen waren so gross, dass sie alle vergeblichen Investitionen wett machten.

Die Folge davon ist, dass die Labels kein Risiko mehr eingehen. Es wird nur noch das gemacht, was mit allergrösster Wahrscheinlichkeit Erfolg hat. Und das heisst eben: Alles läuft nach Schema f.

Algorithmen statt Menschen entscheiden

Theoretisch kann jeder auf eigene Faust gross rauskommen, aber die Chancen dafür sind extrem klein. Auf den Streaming-Plattformen ist zwar jeder Song auffindbar, doch nicht jeder ist gleich gut sichtbar. Deshalb gibt es auch heute eine Vorselektion. Nur, dass sie nicht mehr von Menschen, sondern von Algorithmen vorgenommen wird. Was dir auf Spotify und Youtube vorgeschlagen und empfohlen wird, welche Suchtreffer zuoberst erscheinen, das ist das Ergebnis von Algorithmen.

Diese Empfehlungen sind einerseits deinen Hörgewohnheiten angepasst, andererseits gibt es aber auch Musik, die generell häufiger empfohlen wird. Wer mit einem Stück häufig empfohlen wird, erhält mehr Aufmerksamkeit, wird in der Folge mehr gespielt und landet in irgendwelchen Charts – erhält also noch mehr Aufmerksamkeit, und plötzlich geht ein Stück durch die Decke.

Analysen, was zieht und was nicht

Also versuchen Künstler und ihre Musiklabels, herauszufinden, wie die Algorithmen funktionieren. Einiges ist allgemein bekannt. Bei Spotify zum Beispiel ist es laut Pitchfork so, dass ein Song mindestens 30 Sekunden laufen muss, um als «gehört» zu zählen.

Folglich strukturieren Hitproduzenten ihre Songs so, dass sie die ersten 30 Sekunden interessant sind. Was danach kommt, ist nicht mehr so wichtig. Insbesondere die «Hookline», also der eingängigste Teil eines Songs, muss schon in den ersten 30 Sekunden kommen.

Der aktuelle Hit «Memories» von Maroon 5 ist ein gutes Beispiel. Er beginnt mit einer eingängigen Melodie, die in den ersten 30 Sekunden bereits drei Mal wiederholt wird. Danach kommt nichts Neues mehr. Immer nur die 10-Sekunden-Melodie, gelegentlich etwas abgewandelt, um so etwas wie einen Refrain anzudeuten.

Das liegt nicht an der Band, das liegt an der Zeit. Die ersten Hits von Maroon 5 aus dem Jahr 2002 sind anders aufgebaut. «She will be loved» hat einen richtigen Refrain (im Video ab 0:59), eine Bridge (2:45) und ein Outro (3:55). In den ersten 30 Sekunden passiert nicht viel – das, was den Song zum Hit macht, ist der Refrain. Im Spotify-Zeitalter würde ein solches Stück einfach übersprungen.

Vergiss die Charts

Viele haben es schon in den Kommentaren der ersten drei Teile angemerkt: Es gibt eine riesige Vielfalt, wenn du dir die Mühe machst, aktiv zu suchen. Charts und Radio bieten keine Inspiration mehr, aber Empfehlungen von Freunden, Kuratoren, Zufallsentdeckungen im Internet – die Zeiten für Musikliebhaber waren nie so gut wie heute. Es ist nur etwas schwieriger geworden, in der riesigen Menge das zu finden, was dir wirklich gefällt.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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