Garmin Venu im Test: Die OLED-Uhr ist sportlich, aber nicht sehr smart
Produkttest

Garmin Venu im Test: Die OLED-Uhr ist sportlich, aber nicht sehr smart

Philipp Rüegg
24.10.2019

Garmin setzt erstmals auf einen OLED-Touch-Bildschirm bei einer Sportuhr. Das bringt sie näher an Smartwatches. Fitness steht aber nach wie vor an erster Stelle und das ist auch gut so.

Die Garmin Venu ist eine Sportuhr durch und durch. Das merkst du beim ersten Durchscrollen der Workouts. Von Krafttraining über Golfspielen bis Pilates findest du so ziemlich jede Aktivität im Programm. Dazu misst die Uhr deine Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Stresslevel, Schritte und und und. Natürlich kannst du mit der Venu auch Benachrichtigungen synchronisieren, Kurzantworten senden oder Musik hören. Das Ganze bietet Garmin nun mit einem OLED-Display, ohne dass der Akku wie bei normalen Smartwatches – wie der Apple Watch – bereits nach maximal zwei Tagen schlapp machen soll. Also alles perfekt? Ganz so rund wie das Display ist die Sache leider nicht.

Bedienung und Tragekomfort

Trotz OLED-Display ist die Uhr immer gut lesbar.
Trotz OLED-Display ist die Uhr immer gut lesbar.

Ich habe das schwarze Modell getestet. Das Design ist schlicht aber elegant und das Silikonbändchen trägt sich angenehm. Die Schlaufe für das Armband besitzt einen kleinen Noppen, damit das Band nicht rausrutscht, was mir bei der Fossil Sport ständig passiert ist.

Um die Venu richtig nutzen zu können, musst du sie mit deinem Smartphone verbinden. Dazu lädst du dir Garmin Connect runter. Die Garmin Connect IQ App benötigst du ebenfalls, wenn du dir später neue Watch Faces oder sonstige Apps auf die Uhr laden möchtest. Die Einrichtung ist fix und unkompliziert. Allerdings fordert dich die Uhr anschliessend regelmässig auf, noch diverse optionale Dinge wie Garmin Pay, Musikdienste oder Trainings zu konfigurieren. Am Ende dauert die Einrichtung dann doch etwas länger.

Die Connect-App ist nicht besonders übersichtlich.
Die Connect-App ist nicht besonders übersichtlich.

Noch länger dauert es, bis du mit der Bedienung vertraut bist. Die ist alles andere als intuitiv. Sowohl die App als auch die Uhr selbst sind vollgestopft mit Menüs und Untermenüs. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, bestimmte Einstellungen zu suchen. Und jeder, der das Maximum aus der Uhr rausholen will, muss sich zwangsläufig damit beschäftigen. Die Uhr bietet so viel Umfang, dass es einiges einzustellen gibt.

Die Bedieunung der Venu läuft über Touch sowie die beiden physischen Tasten. Letztere fand ich anfangs sehr umständlich zu drücken, weil sie relativ flach sind und etwas zu tief liegen. Allerdings drückst du sie so auch nie versehentlich, wenn du beispielsweise deinen Schlaf misst. Mit einem Klick auf die obere Taste gelangst du zur Workout-Übersicht und mit einem langen Klick in die Quick Settings, die sich individuell konfigurieren lassen.

Die Tasten drücken sich etwas umständlich.
Die Tasten drücken sich etwas umständlich.

Die untere Taste ist ein Zurück-Button und bringt dich gleichzeitig mit einem langen Klick zu den Einstellungen.

Die Touchbedienung ist auch nicht über alle Zweifel erhaben. Darüber kann auch das hübsche OLED-Display nicht hinwegtäuschen, das definitiv schöner anzusehen ist, als die transreflektiven MIP-Displays von Vivoactive oder Fenix. Zu oft werden Eingaben nicht oder falsch erkannt und du startest ein Workout, obwohl du nur durchscrollen wolltest. Auch wirkt die Eingabe etwas träge und das sage ich als jemand, der sich Wear-OS-Uhren gewöhnt ist. Alles in allem lässt sich aber gut genug damit arbeiten. Du kannst in alle Richtungen wischen und so verschiedene Menüpunkte anvisieren. Der Tausch des MIP-Displays gegen ein OLED hat der Leserlichkeit bei Sonnenlicht keinen entscheidenden Abbruch getan.

Aktivitäten, Trainings und Genauigkeit

Über 20 Workouts sind vorinstalliert und über die Uhr oder die App kannst du eigene erstellen. Einige Workouts wie Yoga zeigen dir kleine Animationen der Übungen an. Wenn ich also nicht weiss, wie die Gebets-Mudra geht (keinen Schimmer), dann reicht ein Blick aufs Display und ich sehe, was ich machen muss. Allerdings verbrauchen die Animationen deutlich mehr Akku als die normale Anzeige.

Viele der vorinstallierten Aktivitäten besitzen animierte Trainingsanleitungen.
Viele der vorinstallierten Aktivitäten besitzen animierte Trainingsanleitungen.

Garmin-typisch kannst du in jeder Aktivität zusätzliche Einstellungen vornehmen. Die angezeigten Datenfelder lassen sich genauso anpassen wie die Trainingsbedingungen. Je nachdem, wie du die Venu einstellst, siehst du Rundenzeiten, Puls, Hear-Rate-Zone, Kalorien, Höhenfelder und weiss der Teufel noch was alles. Über die Funknetzstandards ANT+ oder Bluetooth könntest du auch zusätzliche Sportsensoren wie Brustgurte und dergleichen verwenden.

Das GPS-Modul arbeitet sehr genau, wie ich das von meinen Routen beurteilen kann. Das Signal wurde selbst bei bewölktem Himmel (was ohnehin keinen Einfluss haben sollte) spätestens nach 15 Sekunden gefunden. Ich habe auf die Einstellung GPS und Glonass gesetzt. Damit hast du die meisten Satelliten zur Auswahl, die Uhr verbraucht aber auch etwa zehn Prozent mehr Akku als nur mit GPS. GPS und Galileo stehen sonst noch zur Auswahl. Den Pulsmesser habe ich mit dem in meinem Crosstrainer verglichen und kam auf etwa die gleichen Werte.

Jedes Workout kann separat konfiguriert werden.
Jedes Workout kann separat konfiguriert werden.

Nach dem Workout bekommst du ein kurze Trainingsauswertung direkt auf der Uhr, ausführlicher siehst du es in der App. Dort wird dir sogar die Schweissmenge angezeigt, die du verloren hast. Die Genauigkeit habe ich allerdings nicht überprüft. Sie basiert auf verschiedenen Faktoren wie Gewicht, Aktivitätslevel, Temperatur und Puls. Dazu musst du die Uhr aber erst kurz mit dem Smartphone synchronisieren.

Die App zeigt dir ausführlichere Ergebnisse als die Uhr selbst an.
Die App zeigt dir ausführlichere Ergebnisse als die Uhr selbst an.

Auch abseits der Workouts trackt die Venu zahlreiche Daten über dich. Einsehen kannst du sie beispielsweise über die entsprechenden Widgets, zu denen du mit einem Wisch nach oben oder unten gelangst. Es wird die Sauerstoffsättigung gemessen, der Kalorienverbrauch und für Frauen gibt es einen Menstruationstracker. Da mir dieser als Mann nur beschränkt von Nutzen ist, wollte ich das entsprechende Widget deaktivieren. Nach dem entsprechenden Menüpunkt googlen, wäre die schnellere Variante gewesen. Ich spar dir diesen Schritt. Du kannst bei jedem Widget lange auf den unteren Knopf drücken, um Einstellungen vorzunehmen. Sonst ist die Option unter Einstellungen/Widgets zu finden.

Stress, Kalorien oder Schritte. So ziemlich alles kann getrackt werden.
Stress, Kalorien oder Schritte. So ziemlich alles kann getrackt werden.

Sogar dein Energie- und Stresslevel misst die Venu. Letzteren kannst du senken, in dem du Atemübungen machst. Die findest du unter Workouts. Es gibt verschiedene Variationen, die aus erstaunlich vielen Schritten bestehen, die du mal eben 25 Mal wiederholen sollst. Gut, gibt es auch Kurzversionen. Passend dazu kennt die Uhr auch deine Atemrate

Welche Widgets angezeigt werden sollen, bestimmst du.
Welche Widgets angezeigt werden sollen, bestimmst du.

Über die Garmin-App kannst du dein Konto mit Strava, myfitnesspal und aus irgendeinem Grund mit Office365 verknüpfen. Die Auswahl ist etwas mager. Ich hätte mir beispielsweise noch Google Fit gewünscht.

Benachrichtigungen, Always On und Akkulaufzeit

Die Garmin Venu ist nicht nur eine Multisportuhr, sondern auch eine Smartwatch. Nachdem sie mit deinem Android- oder iOS-Gerät gekoppelt ist, kannst du einstellen, welche Benachrichtigungen du erhalten möchtest. E-Mail, Termine oder Whatsapp kannst du anschliessend direkt vom Handgelenk lesen. Android-User können auch Kurzantworten schicken. Sprachbefehle oder Telefonfunktion gibt es hingegen nicht. Etwas störend finde ich zudem, dass ich nicht wie bei Wear OS einstellen kann, dass mein Smartphone nicht vibrieren soll, wenn die Uhr verbunden ist. So vibriert im Abstand von ein paar Sekunden erst das Smartphone und dann die Uhr. Das nervt. Besonders, weil die Venu einen sehr penetraten Vibrationsmotor besitzt.

Als Zahlungsmethode steht dir ausschliesslich Garmin Pay zur Verfügung. Welche Kreditkarte damit kompatibel ist, siehst du hier. Ebenfalls etwas eingeschränkt sieht es mit Musik-Apps aus. Spotify, Amazon Music, Deezer oder iHeartRadio sind vorhanden. Dafür keine Spur von Google Music, Youtube Music oder Apple Music. Um Musik-Apps, die auf dem Smartphone laufen, mit der Uhr zu steuern, musst du in das entsprechende Widget navigieren, dort ins Menü und dort wiederum bei Musikanbieter «Telefon» wählen. Dort kannst du auch Musik auswählen, die du direkt auf der Uhr gespeichert hast. Dafür stehen dir 3.5 GB interner Speicher zur Verfügung.

Abgesehen davon bietet die Venu wenig Smartes. Von den Apps, die du über Garmin Connect IQ installieren kannst, erscheint mir kaum eine sinnvoll. Und Apps wie Komoot, Google Maps oder die Einkaufsliste Bring! suchst du vergebens.

Im Connect-IQ-Store kannst du zusätzliche Apps runterladen.
Im Connect-IQ-Store kannst du zusätzliche Apps runterladen.

Das Display der Venu schaltet sich bei Nichtgebrauch automatisch aus. Die Ausschaltzeit kannst du manuell einstellen oder das Display immer aktiviert lassen. Die Uhrzeit bleibt dann immer sichtbar. Das funktioniert allerdings nur bei den vorinstallierten Watch Faces und nicht bei denen, die ich heruntergeladen habe. Damit wird der Akku deutlich stärker beansprucht. Ich hab es aber selbst dann noch auf gut drei Tage gebracht. Ohne Always-On-Display hielt mir die Uhr sogar etwas länger als die von Garmin versprochenen fünf Tage. Ich hab ausserdem den «Do Not Disturb» so programmiert, dass sich das Display in der Nacht abschaltet.

Specs

  • Display: 1.2-Zoll AMOLED
  • Auflösung: 390 × 390 Pixel

*Armband: 20 mm mit Schnellverschluss

  • Sensoren: GPS, Barometer, Pulsmesser, Kompass, Thermometer, Gyroskop, Beschleunigungsmesser
  • Verbindung: Bluetooth, Wifi, Ant+
  • Speicher: 3.5 GB

Funktional, aber zu wenig verspielt

Die Garmin Venu ist eine äusserst vielseitige Sportuhr. Ich nenne sie bewusst Sportuhr, denn da liegt eindeutig ihre Stärke. Die unzähligen vorinstallierten Workouts decken alle wichtigen Sportarten ab und du kannst eigene Trainings erstellen. Du kannst den Trainingsablauf anpassen genauso wie die angezeigten Trainingsinfos. Alle wichtigen Sensoren sind ebenfalls verbaut. Für ambitionierte Sportler bietet die Uhr definitiv mehr als genug Funktionsumfang. Profis dürfte die Daten- und Analysetiefe wohl nicht ganz ausreichen.

Auf der anderen Seite steht der Smartwatch-Aspekt. Du kannst zwar damit Musik hören, mit Garmin-Pay bezahlen und Benachrichtigungen lesen, aber mit dedizierten Smartwatches kann sie nicht mithalten. Dafür ist die App-Auswahl zu dürftig und eingeschränkt. Sprachsteuerung oder gar Telefonie gibt es auch nicht. Ausserdem hatte ich immer mal wieder Verbindungsabbrüche mit der Connect-App.

Enttäuschender fand ich aber das Benutzererlebnis der Venu. Vom etwas trägen Touchdisplay über die verschachtelten Menüs und dem uninspirierten Interface-Design bis hin zur völlig überladenen Connect-App macht die Bedienung nicht wirklich Freude. Die Venu ist zweckorientiert und nicht verspielt. Sie ist äusserst sportlich, aber nicht die smarteste.

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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