Ich schreibe lieber von Hand als einen Drucker zu kaufen
Hintergrund

Ich schreibe lieber von Hand als einen Drucker zu kaufen

David Lee
18.10.2022

Wenn du wie ich kein Freund von Druckern bist, habe ich einen Geheimtipp: die sogenannten Kugelschreiber. Diese Technologie hat Potenzial.

Es gibt Geräte, die man nicht braucht, aber unbedingt haben will. Und dann gibt es Geräte, die man braucht, aber auf keinen Fall haben will. In meinem Fall sind das Drucker.

Ein Drucker ist ein unzuverlässiges, fehleranfälliges, hässliches Miststück, das Lärm macht, viel Platz braucht und Feinstaub oder Tintengeschmier im Zimmer verteilt. So was kommt mir nicht ins Haus.

Lange Zeit genügte mir ein Drucker im Geschäft. Doch seit ich vorwiegend im Home-Office arbeite, würde es manchmal zu lange dauern, bis ich das nächste Mal im Büro bin. Extra wegen eines Stücks Papier hinfahren mag ich auch nicht.

Die Lösung liegt direkt vor meiner Nase und nennt sich Kugelschreiber.

Handgeschriebener Brief an die Staatskanzlei

Ein bisschen sonderbar fühlt es sich schon an, als ich den altehrwürdigen Kugelschreiber von Caran d’Ache zücke und auf liniertem Papier meinen Brief an die Staatskanzlei beginne: «Sehr geehrte Damen und Herren …» Liebesbriefe mögen ja von Hand geschrieben noch stilvoll sein. Aber ein trockener Geschäftsbrief? Wie mache ich jetzt den Betreff fett? Ich versuche es mit unterstrichenen Grossbuchstaben. Es ist mir etwas peinlich, aber da muss ich jetzt durch.

Das Schreiben von Hand ist mittlerweile ungewohnt und daher mühsam, doch letztlich klappt es ganz gut. Gelernt ist gelernt. Am Ende des Briefes entschuldige ich mich trotzdem für mein Gekritzel.

Nur etwas kann ich nach all den Jahren nicht mehr: Zuerst denken, dann schreiben. Diese Fähigkeit ist mir durch die Annehmlichkeiten von Ctrl-Z und Löschtaste abhanden gekommen. Ich tippe also den Text zuerst im Computer ein – mit vielen Korrekturen – und schreibe ihn dann vom Bildschirm «ins Reine», wie in der Primarschule den korrigierten Aufsatz.

Entspannungskur inbegriffen

Ein Stift ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil eines Druckers. Er braucht kaum Platz, ist wartungsfrei, sieht schön aus und macht keinen Lärm – es ist ein unauffälliger Gegenstand, der nicht nervt. Und nach jahrzehntelanger Arbeit am PC finde ich es faszinierend, dass ich mit so einem simplen Gerät ganze Dokumente erzeugen kann.

Vor allem ist es aber das perfekte Werkzeug, wenn du dein Leben etwas ruhiger angehen und weniger Probleme haben willst:

  • kein Papierstau
  • keine Verbindungsprobleme
  • keine nicht funktionierenden Treiber
  • kein absurd unübersichtlicher Druckdialog
  • keine verschmutzte Bildtrommel
  • keine verkehrt herum bedruckten Seiten
  • keine Druckköpfe, die neu ausgerichtet werden müssen
  • keine verschmutzten Düsen
  • keine verschmierten Walzen
  • keine Angst vor einem Stromausfall
  • keine leere Kartusche (Goliath-Minen halten ewig)
  • wenn doch mal leer, dann günstig zu ersetzen

Es ist so entspannend. So simpel. So verlässlich. So in Ordnung. Wer von Hand schreibt statt druckt, muss nie in einen Meditationskurs.

Einziges Problem: mein Selbstbild

Das Schreiben geht leichter von der Hand als gedacht. Etwas anderes ist schwierig: Die Überwindung. Lässt es mein Stolz zu, dass ich ab sofort rückständiger als jeder E-Mail-Ausdrucker bin? Und das als Tech-Redaktor?

Das muss ich nicht nur mir selbst eingestehen, sondern auch dem Empfänger des Briefs. Der bekommt es schwarz auf weiss: Da hat einer die letzten 50 Jahre Technologie nicht mitgekriegt, sein Leben nicht im Griff oder sonst ein Problem.

Aber ich vermute, daran würde ich mich gewöhnen. Ich muss mich ja eh damit abfinden, dass mich immer mehr Leute als alten Sack einstufen – da ist das ein gutes Training.

Übrigens: Als Tech-Redaktor will ich trotzdem gegenüber modernen Technologien aufgeschlossen bleiben. Darum teste ich demnächst eine Schreibmaschine.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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