Kennst du noch: «Syndicate»
Hintergrund

Kennst du noch: «Syndicate»

Im Jahr 2096 gibt es keine Nationen mehr. Die ganze Welt gehört Grosskonzernen. Du kontrollierst einen davon und versuchst, mit einem Team von Cyborgs die Weltherrschaft an dich zu reissen. «Syndicate» bot 1993 einen düsteren Blick in die Zukunft und revolutionäres Gameplay.

Es war die krasse Schachtel, die mich als 11-Jähriger zum Kauf von «Syndicate» bewogen hat. Darauf zu sehen: Ein mysteriöser Agent mit weissen Augen und einer schusssicheren Weste vor einem Grossstadthintergrund. Dass ich dabei einen schon fast wegweisenden Klassiker gekauft habe, konnte ich nicht ahnen. Dabei geht die Geschichte von «Syndicate» einher mit der Geschichte von «EA».

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An die Wand gefahren

Damals gehörte «Electronic Arts» noch zu den Guten. Die Firma war primär Publisher und veröffentlichte Games von eigenständigen Studios, unter anderem von Bullfrog. Das Studio von Peter Molyneux hatte mit «Populus» das Genre der Göttersimulation erfunden und sollte später mit der Vergnügungsparksimulation «Theme Park» und dem 3D Game «Magic Carpet» für zwei weitere, grosse Titel sorgen, ehe es von EA aufgekauft wurde. Auch nach der Übernahme durch den heutigen Unterhaltungsriesen hatten Molyneux und Bullfrog noch ein paar gute Spiele am Start wie beispielsweise «Dungeon Keeper», welches das Rollenspiel-Konzept auf den Kopf stellte. Es sollte das letzte Spiel von Molyneux bei «EA» sein.

Die Firma verbannte ihn gar aus den Büros aus Angst, er würde weitere Mitarbeiter für neue Projekte anheuern, wie das Magazin «Retrogamer» in einem Artikel über den Klassiker schrieb. Vier Jahre später war trotzdem Schluss: 2001 wurde «Bullfrog» ins Studio «EA UK» integriert. Das sollte ein Vorbote dafür sein, was «EA» heute ist: Ein Multinationaler, Börsenkotierter Grosskonzern, dem es vor allem um Gewinne geht. Womit ich den Bogen zu «Syndicate» wieder geschlagen habe, denn für einen solchen Konzern arbeitest du in diesem Spiel…

Neues Hirn gefällig?
Neues Hirn gefällig?

Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann

Du darfst zunächst deinen Konzern benennen und mit einem netten Logo ausstatten, dann geht es direkt los: Vier Agenten rüstest du mit Waffen und Körpererweiterungen aus. Wenn du etwa die Beine verstärkst, läuft dein Agent schneller, verstärkst du die Arme deiner Agentin, kann sie mehr Waffen und Ausrüstung tragen und ein paar neue Augen ermöglichen genaueres Zielen. Die Erweiterungen lassen sich übrigens dank Forschung und Entwicklung noch verbessern. Dabei musst du dich entscheiden, ob du Waffen oder Erweiterungen entwickeln willst. Beides zusammen geht nicht.

Hast du deine Agenten ausgerüstet, geht es in die Mission. Auf einer isometrischen Karte musst du in Städten die anderen Firmen sabotieren, andere Agenten ermorden oder Forscher durch Gedankenkontrolle zu uns holen. Die Agenten steuerst du mit der Maus. Brauchst du extra Power, lassen sich deine Agenten mit Drogen vollpumpen. Dann rennen die Damen und Herren schneller oder zielen besser. Aber Achtung: Sie entwickeln mit der Zeit eine Toleranz gegen die Drogen. Sogar Autos kannst du fahren. Damit war «Syndicate» sowas wie ein Vorbote für «GTA», das vier Jahre später erschien. Nach erfolgreicher Mission gehört das eroberte Land deiner Firma. Du darfst dann Steuern erheben und so neue Forschung und neue Waffen finanzieren. Sind die Steuern zu hoch, rebellieren die Einwohner und du musst eine erneute Mission im Land spielen, was wiederum Geld kostet.

Gott des Gemetzels

«Syndicate» war ausgesprochen blutig. Während du mit versteckter Waffe kaum Aufsehen erregst, kannst du mit deinem Arsenal an Waffen ein grausames Blutbad anrichten. Autos und sogar Züge explodieren, Zivilisten liegen in Blutlachen am Boden. Auch in Punkto Gewalt hat «Syndicate» der «GTA»-Serie einiges vorgemacht. Es sind kleine Details, die begeistern: Der dynamische Soundtrack, der immer hektischer wird, je näher du deinem Ziel kommst. Oder die lebendigen Städte mit Fussgängerüberführungen, Parks und Bahnhöfen.

Auftragsmord
Auftragsmord

Das Game hat mich damals wie heute wahnsinnig gepackt. Die Story wird zwar «nur» durch Missionsbeschreibungen erzählt, die Zwischensequenzen sind immer dieselben und die Missionen ähneln sich auch. Die Steuerung ist teilweise etwas eigenartig und deine Agenten bleiben gerne mal an einer Hausecke hängen. Klar. Das Spiel hat ja schon einige Jahre auf dem Buckel. Es wird aber nie alt, mit deinem «Überzeugungsstrahler» eine ganze Armee an Zivilisten, Polizisten und sogar feindliche Agenten auf deine Seite zu locken und wie Jesus mit seinen Jüngern durch Cyberpunk-Nazareth zu laufen. Auch wenn der Nachfolger «Syndicate Wars» das Spiel in die 3D Ära hob und es in gewissen Punkten verbesserte, mag ich das Original irgendwie mehr, weil ich dort meine Firma aus dem Nichts zur Weltherrschaft führen kann.

Es gab übrigens den Versuch, die «Syndicate» Franchise wieder zu beleben. 2012 erschien ein Game mit demselben Namen, allerdings mit einem komplett anderen Konzept. Es war ein Shooter. Das verärgerte einen der ursprünglichen Programmierer so fest, dass er einen spirituellen Nachfolger auf Kickstarter erfolgreich finanzieren konnte. «Satellite Reign» ist 2015 erschienen und spielt sich ganz anständig.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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