Montblanc Summit 2: Gipfelstürmer fällt auf die Schnauze
Produkttest

Montblanc Summit 2: Gipfelstürmer fällt auf die Schnauze

Die Designer von Montblanc wollen mit der Summit 2 den Gipfel der Smartwatch-Welt erklimmen. Das Fazit nach einem Monat Test holt die Uhr aber auf den Boden der Tatsachen zurück.

Besseres Training, die Uhrzeit und Biomonitoring. Smartwatches versprechen viel und sind dabei meist hässlich. Montblanc, der deutsche Hersteller von schönen Dingen, will mit der Montblanc Summit 2 nicht nur all das liefern, sondern auch noch ein Designobjekt liefern. Zumindest beim Design gelingt den Deutschen das Smartwatch-Projekt, denn edel sieht das Teil aus.

Videoproduzentin Stephanie Tresch krallt sich die Uhr nur wenige Minuten nachdem die grosse Verpackung in edlem Schwarz auf dem Redaktionspult gelandet ist. Für sie beginnt eine Odyssee mit Softwarefrust und blauen Flecken am Handgelenk.

Blaue Flecken von schicker Hardware

Stephanie ist nicht besonders gross. Ihre Handgelenke sind entsprechend schmal. Aber: Sie trägt gerne grosse Uhren.

«Mit kleinen Uhren kann ich nichts anfangen. Wenn ich schon eine Uhr trage, möchte ich da auch ganz gerne die Zeit erkennen können», sagt sie und legt sich die Summit um. Die Grösse passt offensichtlich. «Warum sonst soll ich mir so ein Ding ums Handgelenk schnallen?»

Das Design der Summit 2 ist ein Volltreffer
Das Design der Summit 2 ist ein Volltreffer

Es vergehen fünf Minuten, in denen Stephanie sich bewegt, arbeitet und allgemein die Uhr einträgt. Das Urteil kommt schnell: Bequem ist die Uhr nicht. Einige Tage später hat sie sogar blaue Flecken am Handgelenk. «Ich weiss nicht, wie das überhaupt möglich ist, aber ich habe es geschafft, eine Uhr so zu tragen, dass ich mich mit ihr verletze.»

Die Krone an der Seite hat sie so beim Tragen gestört, dass sich dort blaue Flecken gebildet haben, wo die Haut auf das Rädchen trifft. Trotzdem: Die Videoproduzentin ist tough. Ein Test will schliesslich ausführlich sein.

Nichts falsch, aber nichts richtig

«Ich verstehe, warum eine Designschmiede wie Montblanc sich nicht mit der Programmierung einer Smartwatch auseinandersetzen will», sagt Stephanie beim Mittagessen mit einem Seufzen. Denn hübsch ist das Teil schon. Aber sonst ist das Teil eher schwierig im Umgang. Die Montblanc Summit 2 verlässt sich softwareseitig voll auf Googles WearOS. Die offene Software bietet Entwicklern und Herstellern alles, was sie für den Betrieb einer Smartwatch brauchen. User Interfaces, Softwareschnittstellen und Funktionalität.

Das Hauptproblem von WearOS ist genau das: Es soll eine Allzwecklösung für x Wearables sein, nicht nur für Smartwatches. Viele Funktionen, APIs und allerlei anderes muss sich den Platz teilen und soll auch nicht anderen Lösungen in die Quere kommen oder irgendwelchen anderen Produkten Funktionen versperren. Stephanie fasst das zusammen mit «Sie macht nichts ganz richtig, aber auch nichts ganz falsch.»

Die WearOS-App bringt keinerlei Datenanalyse, sondern nur Werbung
Die WearOS-App bringt keinerlei Datenanalyse, sondern nur Werbung

Für die App (Android und Apple iOS) hat sie nur einen Satz übrig: «So eine umständliche und bescheuerte App ist mir schon lange nicht mehr untergekommen.»

Sie kann mit der grottigen App leben, wenn diese denn anständige Daten ausspucken würde. Stephanie trainiert fünfmal die Woche, eine Mischung aus Kampfsport und Crossfit. Um Fortschritte zu erzielen will sie eigentlich die ganzen Daten vom Handgelenk – Puls, Dauer des Workouts und so weiter – gerne einsehen und analysieren können. Geht alles nicht. Zwar ist Wear OS mit Google Fit kompatibel, aber auch dort ist die Datenanalyse nur mit Dritt-Apps möglich, wie MyFitnessPal. WearOS bietet die technologische Schnittstelle, Fit zeichnet auf und dann kannst du die Basisdaten ansehen. Reports und Interpretation? Fehlanzeige.

Akku wie 2015

Jeden Abend hängt Stephanie ihre Uhr ans Ladegerät, reibt sich das Handgelenk wegen der blauen Flecken und wundert sich, warum bei dem 62 Gramm schweren Teil kein grösserer Akku verbaut wurde. Denn dieser hält knapp einen Tag durch. «Eher so plusminus 12 Stunden. Mein Fitbit von 2014 war da sogar noch besser.» Aber: Die Summit 2 zeigt dir die Uhrzeit auch dann noch an, wenn die smarten Funktionen aufgrund Akkumangels abgestellt werden. Andere Uhren schalten einfach aus und werden zum unnützen Accessoire.

Eine Funktion aber will die Frau nicht missen, die eigentlich immer unterwegs ist. «Da ist eine Find-My-Phone-Funktion», sagt sie. Ein paar Drücker auf der Uhr und das Handy am anderen Ende des Büros beginnt zu klingeln.

«Brilliant! Diese Funktion werde ich nach Abschluss des Tests vermissen!»

Das Branchenportal welt.de nennt die Montblanc Summit 2 eine «Uhr für die Entscheidungsträger von heute», also ein Statussymbol, nicht ein Werkzeug. Sie ist nichts für dich, wenn du wie ich ernsthaft Sport betreibst, mit Puls trainieren willst und deine Leistung beobachten willst. Auch wenn die Werbung dich etwas anderes glauben machen will.

Sie ist für jemanden, der nebst Geschäftsmails und WhatsApp lesen, gleich mit einer teuren Uhr seinen Zmittag bezahlen will. Dabei geht es um Status und Gemütlichkeit, nicht um Leistung und deren Analyse. So eine Smartwatch kostet halt und muss auch nach was aussehen. Eine kleine Video Producerin mit sportlichen Ambitionen ist da die falsche Zielgruppe.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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