
Kritik
Das «Silent Hill 2»-Remake ist ein überraschend gutes Horror-Abenteuer
von Domagoj Belancic
«Silent Hill f» schlägt einen neuen Weg für die Serie ein, indem es den Schauplatz ins ländliche Japan verlegt. Das Comeback nach vielen Jahren des Wartens ist gelungen. Für einen Platz an der Spitze der Spielreihe reicht es aber aufgrund des Kampfsystems nicht.
Die «Silent Hill»-Reihe hat mit dem zweiten und dritten Teil ihren Höhepunkt erreicht und seitdem viele Misserfolge eingefahren. Erst das Remake des zweiten Teils vom vergangenen Jahr wurde nach rund 20 Jahren zu einem wahren Lichtblick – insbesondere nach der gecancelten «Silent Hills»-Demo.
Trotz gelungenem Remake blieb die Frage: Kann der neue «Silent Hill»-Hauptteil ähnlich begeistern? Die Antwort darauf lautet: Ja. «Silent Hill f» ist ein gelungenes Survival-Horror-Spiel. Zum Meisterwerk reicht es aber leider nicht ganz.
Der Schauplatz der frühen «Silent Hill»-Spiele ist von US-amerikanischen Städten inspiriert. Das ländliche, fiktive Dörfchen Ebisugaoka aus «Silent Hill f» befindet sich hingegen in Japan – ein totaler Umschwung. Das heisst aber nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Ebisugaoka ist «Silent Hill» pur.
In «Silent Hill f» schlüpfe ich in die Rolle der Schülerin Hinako. Nachdem sie zuhause mal wieder von ihrem missbräuchlichen Vater angeschrien wird, flieht sie. Anschliessend sucht Hinako nach Ablenkung durch ihre Freundinnen Rinko und Sakuko sowie ihren besten Kumpel Shu.
Der Weg zu ihren Freunden ins verschlafene Dörfchen verläuft jedoch ungewohnt. Von den Dorfbewohnern fehlt jede Spur und da ist plötzlich überall dieser Nebel. Auch Hinakos Freundinnen verhalten sich merkwürdig. Die Ereignisse überschlagen sich und der Freundeskreis spaltet sich auf. Hinako ist auf sich allein gestellt. Als wäre das noch nicht genug, tauchen plötzlich Monster in Ebisugaoka auf.
Spätestens ab diesem Punkt bin ich beruhigt: Ja, das ist «Silent Hill» in Reinform.
Zu Beginn des Spiels bahne ich mir meinen Weg durch das Dorf, um meine Freunde zu finden. Auf dem Weg lerne ich die Kampf-Mechanik des Spiels, die deutlich ausgefeilter ist als bei den bisherigen Hauptteilen. Anders als James («Silent Hill 2»), Heather («Silent Hill 3») und Co. kann sich Hinako gegen die Monster richtig wehren.
Das ist ungewohnt für die Reihe, die sonst für «schwache» Spielfiguren bekannt ist, die eben nicht durch übermenschliche Fähigkeiten hervorstechen. Komisch. Gleichzeitig ist das überarbeitete Kampfsystem eine fast schon notwendige Modernisierung – aus heutiger Perspektive machen die Kämpfe in den alten Spielen keinen Spass.
Hinako ist ein kräftiges Mädchen und eine begabte Nahkämpferin. Ich sammle beispielsweise Stahlrohre oder Sicheln ein, die mir als improvisierte Waffen im Kampf gegen die Monster dienen. Dabei stehen mir ein leichter und ein schwerer Angriff zur Verfügung. Warte ich geduldig ab, zeigt mir das Spiel an, wenn ein Monster gerade besonders verwundbar ist.
Per Tastendruck aktiviere ich den sogenannten Fokusmodus, um den besonders verwundbaren Moment der Monster einfacher zu erkennen. Ausserdem fülle ich damit meine Fokusanzeige auf. Ist sie voll geladen, kann ich mit einem leichten Angriff mehr Schaden zufügen. Der Nachteil dabei: Im Fokusmodus verliere ich geistige Gesundheit – und sobald sich diese an ihrem Nullpunkt befindet, verliere ich Lebenspunkte.
Während der Kämpfe muss ich zusätzlich meine Ausdauerleiste im Auge behalten. Schläge kosten mich Ausdauer, genauso wie Ausweichen oder Rennen. Dadurch werden vor allem Konfrontationen gegen mehrere Monster richtig knifflig und unangenehm. In diesen Momenten fühlt sich «Silent Hill f» eher wie die Vorgänger an – ich möchte der offenen Konfrontation lieber aus dem Weg gehen.
Im Trailer zum Spiel kannst du dir die Action ab Minute 01:20 selbst ansehen, wenn auch ohne die Leisten:
So viel Action erfordert den Einsatz von Ressourcen. Auf meiner Reise durch Ebisugaoka finde ich regelmässig Essen oder spirituelle Gegenstände, die meine Werte wiederherstellen. Auch meine Waffen stumpfen durch wiederholte Verwendung ab, bis sie zerbrechen. Ein Werkzeugkit verlangsamt diesen Prozess.
Das Ressourcenmanagement entspricht dem gewohnten Genre-Standard und erzeugt Spannung, weil meine Inventarplätze beschränkt sind. Um Platz zu sparen, kann ich meine Gegenstände alternativ an Schreinen als Opfer darbieten und Glauben erhalten. Den Glauben brauche ich, um hochzuleveln und stärker zu werden. Dadurch entsteht ein interessantes Dilemma: Hole ich mir die zusätzlichen Glaubenspunkte für Levelanstiege und extra Gesundheit oder will ich für den Notfall ein paar Heilitems mehr im Inventar haben?
Das Kampfsystem macht mir nur mässig Spass. Die Monster lassen sich zu viel Zeit, bis sie verwundbar sind. Während meine Geduld schwindet, fühlt es sich kaum belohnend an, wenn ich lebendig aus den Auseinandersetzungen entkomme. Dafür ist Hinako doch zu langsam mit zu wenig Ausdauer unterwegs.
Ich dulde die Kämpfe dennoch wie in den Vorgängern, weil mir der Rest umso mehr gefällt. Dazu gehören zum Beispiel die grotesken Monster-Designs. Wer die «Silent Hill»-Reihe kennt, weiss, dass diese nicht nur dem Schockfaktor dienen. Vielmehr verkörpern sie die inneren Dämonen der Spielfiguren. Besonders die Bossgegner sehen beeindruckend schrecklich aus.
Solltest du ebenfalls weniger Lust auf Action haben, kannst du zwischen den beiden Schwierigkeitsgraden «Geschichte» und «Schwer» wählen. Der «Geschichte»-Modus entspricht eher dem klassischen «Silent Hill»-Erlebnis – jedoch stören mich die Kämpfe auch hier.
Besonders in den letzten beiden Spielstunden nehmen die Konfrontationen mit Monstern ordentlich zu, was das Spiel mit langweiligem Füllmaterial unnötig in die Länge streckt. Bei einer Gesamtlänge von elf bis zwölf Stunden für einen Spieldurchlauf ist das enttäuschend.
«Silent Hill f» hat eine Menge Action. Das heisst zum Glück nicht, dass das Spiel auf die typischen Rätsel verzichtet. Das Nostalgiegefühl, das ich im Kampfsystem vermisse, holt mich hier komplett ein. Von kleineren Rätseln, die ich zum Entsperren einer Schatztruhe benötige, bis hin zu «Dungeons» ist wieder alles mit von der Partie.
Ich vergleiche die grösseren Gebiete der älteren «Silent Hill»-Spiele gerne mit der «The Legend of Zelda»-Reihe. Im Krankenhaus von «Silent Hill 2» muss ich mich wie durch einen «Zelda»-Dungeon schlagen, indem ich zahlreiche Rätsel löse, die mich immer mehr vom Krankenhaus erkunden lassen. Das erlebe ich auch wieder in «Silent Hill f» – solche Momente sind meine Highlights des Spiels.
Anders als in den Vorgängern erlebe ich abseits der grossen Dungeons auch immer wieder kürzere Rätselpassagen. Diese bestehen aus einem klaren Auftrag mit eindeutigem Aufbau.
So zum Beispiel beim Vogelscheuchenfeld, das Hinako mit einem vergangenen Trauma konfrontiert. Ich erhalte einen Hinweis und muss mehrfach aus einer Reihe von Vogelscheuchen die Richtige wählen, damit sie mir den Weg weist. Die Passage ist kurz, unheimlich und herausfordernd – ein leckerer Rätsel-Happen.
Ein nebliges Dorf, groteske Monster mit symbolischer Bedeutung, actiongeladene Kämpfe, spannende Rätsel und ich habe immer noch nicht über das Alleinstellungsmerkmal der «Silent Hill»-Spiele im neuesten Ableger gesprochen: der Wechsel zwischen den «Normal»- und «Albtraum»-Welten.
Die Vorgänger von «Silent Hill f» werden häufig für den plötzlichen Wechsel in eine albtraumhafte Version des aktuellen Ortes gelobt. Die sogenannte «Albtraumwelt» existiert auch wieder in diesem Teil – nur ist die Spielwelt dieses Mal nicht von verrostetem Metall gefüllt, sondern von Geschwüren und blutroten Blumen. Irgendwie schön.
Diese blutrote Albtraumwelt taucht immer wieder in Ebisugaoka, den Dungeons und während Fluchtsequenzen auf. Hinako wird davon verfolgt.
Das ist aber nicht die einzige Version der Albtraumwelt. Sobald Hinako einschläft oder das Bewusstsein verliert, findet sie sich an einem Ort wieder, der nichts mit Ebisugaoka zu tun zu haben scheint. Die Welt wirkt mystisch und traumhaft und es ist an mir als Spielerin zu interpretieren, wo ich mich gerade befinde.
Die Ereignisse in der «Traumwelt» geschehen parallel zu denen in der realen Welt. Hinako sieht dort immer wieder ihre Freunde, ohne zu wissen, ob es sich wirklich um sie handelt. Immerhin ist sie nicht allein. Ein mysteriöser Mann mit Fuchsmaske begleitet sie in der Traumwelt und führt sie auf den richtigen Weg. Oder so scheint es zumindest.
In der Traumwelt wird Hinako in Wahrheit noch stärker mit ihren inneren Dämonen konfrontiert. Die Gegner tauchen in grösseren Massen auf und haben extremere Designs. Hinako stellt sich ihrem Freundeskreis auf eine Art und Weise, wie sie es im echten Leben nie könnte. Das ist feinster psychologischer Horror, wie ich ihn mir von der «Silent Hill»-Reihe gewohnt bin.
Toll ist auch, dass mich im Finale von «Silent Hill f» mehrere Enden erwarten. Sobald der Abspann das erste Mal über meinen Bildschirm flimmert, schalte ich das «New Game+» frei. Während ich grundlegende Dinge wie Statusaufwertungen, Sammelgegenstände und Co. behalte, kann ich im nächsten Spieldurchlauf Änderungen in der Geschichte erleben. Das ermöglicht mir das Freispielen der zusätzlichen Enden.
Gepaart mit der starken Symbolik des Spiels bietet das eine Menge Gesprächsstoff für die Spielerschaft. Ebenso wie die Musik, die zum Teil von Serien-Legende Akira Yamaoka komponiert wurde. Die japanischen Klänge des nebligen Ebisugaoka entstammen seiner Feder, während Komponisten-Kollege Kensuke Inage («Dynasty Warriors») für die musikalische Untermalung der Albtraumwelt zuständig ist.
«Silent Hill f» erscheint am 25. September 2025 für PS5, Xbox Series X/S und PC. Die Steam-Version wurde mir von Konami zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Nach dem Durchspielen von «Silent Hill f» kann ich beruhigt verkünden, dass der neue Hauptteil endlich mal wieder ein richtiger Erfolg ist. Der japanische Schauplatz mit der Schülerin Hinako als Protagonistin eignet sich perfekt für eine symbolisch aufgeladene Geschichte voller psychologischem Horror.
Auch die Rätsel entsprechen dem hohen Standard der Reihe. Mehrere Schwierigkeitsgrade individualisieren das Erlebnis. Leider nimmt das Kampfsystem selbst auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe zu viel Platz im Gameplay-Mix ein. Einerseits ist das eine verständliche Modernisierung, aber andererseits passen die Auseinandersetzungen inklusive mehrerer Gesundheitsleisten nicht zum ansonsten atmosphärischen Horror-Spiel. Weniger ist manchmal mehr.
Mein Gesamterlebnis mit «Silent Hill f» wird von diesen Kritikpunkten aber nicht nachhaltig getrübt. Ich hoffe, dass die Reihe eine ähnlich erfolgreiche Rückkehr wie «Resident Evil» vor einigen Jahren erreicht. Mit einem gelungenen, aber nicht perfekten Teil, hat «Silent Hill f» den Weg für ein nachhaltiges Comeback zumindest schon einmal geebnet.
Pro
Contra
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.
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