Samsung Gear IconX 2016 – Die Wichtigkeit der Passform
Produkttest

Samsung Gear IconX 2016 – Die Wichtigkeit der Passform

Truly Wireless und truly grossartig? Der koreanische Elektronikhersteller Samsung macht im Moment Werbung für seine ersten kabellosen In-Ear Kopfhörer. Der Test aber zeigt: Die Samsung Gear IconX sind heikle Biester.

Die Kabellosen kommen. Jetzt ganz bestimmt. Waren die Geräte vor wenigen Monaten noch in der Obskurität der Tech-Nerds ein Gesprächsthema, sind sie heute prominent in Werbedisplays bei namhaften Elektronikvertrieben zu finden. Zum Anfassen. Anprobieren wird schwierig, da sie klein sind. Somit dürfte den meisten Läden die Diebstahlgefahr etwas zu hoch sein. Ausserdem müssen sie mit einem Gerät gepaart werden, was ohne Betriebsanleitung oft nahezu unmöglich ist.

Glücklicherweise existiert dieser Restriktion für euren Redaktor des Vertrauens nicht und ich bin in den vergangenen Tagen unter die Nutzer der neuesten Technologie aus dem Hause Samsung gegangen. Heute im Test: Die Gear IconX.

Schönes Design und saubere Passform

Für einmal sind meine Kopfhörer weiss. Sonst waren sie bisher immer schwarz. Zwar werden die Samsung Gear IconX auch in schwarz und blau ausgeliefert. Schnell wird klar, dass Samsung nicht nur auf Audio setzt, sondern auch auf Design. Mit einem auffälligen Bügel, der aus Gummi besteht, sehen die Samsung Gear IconX nicht wie die gängigen Modelle aus, die im Wesentlichen mit kabelgebundenen Kopfhörern identisch sind. Nur, dass sie halt noch ein User Interface verbaut haben. Dieses ist auf den IconX nicht ersichtlich, denn sie setzen auf eine Art berührungsempfindliches Interface. Dafür aber ist eine schwarze Fläche offensichtlich, die im Betrieb rotes Licht auf die dünne Haut des Ohrs strahlt – ganz wie es ein Fitbit oder ähnliche Fitness-Tracker tun.

Futuristische Riesenpille: Das Case der Gear IconX

Wie alle bisher getesteten In-Ear Stöpsel, die ganz auf Kabel verzichten, werden die Samsung Gear IconX in einem Charging Case geliefert. Das kleine Böxli ist ebenfalls weiss aber bis auf eine kleine Stellfläche rund. Das macht schon was her.

Die Form des Charging Cases erfordert etwas Sorgfalt in der Bedienung, denn wenn das Case mal kippt, dann rollt es mindestens 20cm weit. Das kann oft ausreichen, um vom Tisch oder vom Regal zu fallen. Das Case ist auch ineffizient gross, passt also nicht mehr so locker in jede Hosentasche wie das Case der Jabra Elite Sport. Eine Jackentasche muss es schon sein.

Leise und scheppernd

Die lustig aussehenden Bügel oben an den IconX-Hörern machen es dem Hörer praktisch unmöglich, aus dem Ohr zu fallen. Ferner sind sie sehr bequem, auch wenn ich mir gedacht habe, dass der Tracking-Einsatz mit dem Licht eventuell etwas Druck auf das Ohr ausüben könnte. Tut er aber nicht. Ob das bei dir auch der Fall sein wird, weiss ich nicht, denn jedes Ohr ist anders gebaut. Ohren sind in Punkto Identifikationsmerkmal wohl auf der selben Stufe wie Fingerabdrücke. Daher, wenn ich sage, dass die Gear IconX bequem sind, dann stimmt das für mich, nicht aber zwingend für dich.

Die Kopfhörer sitzen extrem gut, aber vergiss nicht, sie anzupassen

Was ich aber nicht bedacht habe, waren die Aufsätze für die Teile, die ins Ohr gehen. Denn nicht nur die Bügel, die das ganze Gerät im Ohr verankern, können ausgetauscht werden, sondern auch die Teile, die die Aussenwelt von der Klangwelt abtrennen. Da die Stöpsel so gut im Ohr halten, habe ich vergessen, dass ich diese auch noch auswechseln kann. Daher hat in der ersten Testphase alles so geklungen als ob ich mit den Kopfhörern der Walkman-Tapeplayern aus den 1980ern, die etwas von meinem Ohr weggehalten werden, Musik höre.

Doch auch nach der Anpassung war die Musikqualität nicht wirklich gut. Die Bässe wirken auch mit perfekter Passform flach und stellenweise blechern und die Hochtöne sind etwas matschig. So schlimm sich das jetzt auch liest, die Samsung Gear IconX sind keine Katastrophe. So alles in allem würde ich sie solide durchschnittlich nennen.

Das Hauptproblem ist aber nicht die Soundqualität sondern die Lautstärke. Die Gear IconX sind schlicht und ergreifend zu leise. Egal wie hoch ich die Lautstärke auf den Kopfhörern und in den Bluetooth-Einstellungen – die beiden sind unabhängig voneinander frei einstellbar – gesetzt habe, ich konnte die Aussenwelt nie komplett ausblenden. Das liegt aber nicht an der effektiven Lautstärke der Stöpsel, sondern daran, dass das Noise Cancelling – so wird die Ausblendung der Geräusche aus dem Umfeld neudeutsch genannt – entweder nur sehr schwach oder gar nicht vorhanden ist.

Batterie gibt auf, Bluetooth aber nicht

Interessant hingegen ist die Leistung der Stöpsel. Die Bluetooth-Verbindung kommt fast ohne Ausfälle aus. Fast. In meiner musikfreien Zone am Turbinenplatz fällt das Signal nur wenig und wenn dann nur für etwa eine Zehntelsekunde aus. Der Turbinenplatz ist dahingehend ein interessantes Testgebiet für Bluetooth-Kopfhörer, weil das Signal dort regelmässig ausfällt. Denn ohne Wände, von denen das Bluetooth-Signal abprallen und auf den Empfänger treffen kann, ist das Feld sehr schwach. Die Gear IconX meistern den Platz aber fast ausfallslos.

Die musikfreie Zone am Turbinenplatz

Hingegen schwach ist die Batterieleistung. Das sind die ersten Bluetooth-Kopfhörer, die mir den Dienst aus Batteriegründen versagt haben. Ich habe etwa eine Stunde lang Musik gehört und dann war fertig. Für gelegentliches Cardiotraining ist das okay, aber wenn du Marathonläufer bist oder eine lange Zugfahrt – von Zürich nach Bern, vielleicht – vor dir hast, dann wird es schon kritisch. Da du nicht gleichzeitig Musik hören und die Hörer laden kannst, ist dann einfach Schluss bis die Stöpsel wieder geladen sind.

Samsung, du Eigenbrötler

Im Fitnesscenter ist das dann doppelt schlimm. Ich weiss ja nicht, wie du es hast, aber wenn ich Cardio mache, dann habe ich keine Geduld für die Welt um mich herum. Mit Ausnahme eines Grossbrandes will ich während des Ausdauertraings alles ausgeblendet haben. Wenn ich da den Mann neben mir keuchen höre, dann ist mir das hochoffiziell zu blöd.

Ebenfalls zu blöd ist es Samsung anscheinend, auch nur Anstalten zu machen, sich an zur Verfügung gestellte Frameworks zu halten. Aber mittlerweile ist es doch einfach nur kindisch, wenn ich meine von Samsung gesammelten Daten nicht mit anderen Apps verbinden kann. Denn genau das ist das Problem von Android. Zu viele Köche, die den Brei verderben. Nein, nicht nur verderben sie den Brei, sondern speuzen auch noch in den Brei anderer Köche rein. Anders kann ich mir die depperte Nicht-Synchronisation zwischen Google Fit und S Health nicht erklären. Samsung denkt sich irgendwo mal «Die von Google sind doof», machen ihre eigene App, die genau das selbe macht wie die von Google schon und stellt dann sicher, dass die Apps nie miteinander kommunizieren werden.

Kommt schon, ihr seid beides Milliardenkonzerne. Tut es euch so dermassen weh, wenn eure Daten mit den anderen Daten reden? Vor allem auch, weil das meine Daten sind und ich gopferdamminomol gerne bestimmen möchte, wie meine Daten wohin fliessen. Ehrlich, ihr seid doch beide total daneben. Ich hoffe, eure Entscheidungsträger treten auf einen Lego-Stein.

So stelle ich mir die Engineers von Google und Samsung vor, wenn sie miteinander reden sollten

Ferner werden die Kopfhörer softwareseitig zum Nervfaktor, da zur Installation die separate Installation von zwei Apps notwendig wird. Statt Android Wear muss Samsung Gear auf mein Natel, statt Google Fit kommt S Health. S Health bietet zwar eine Unzahl mehr Sportarten an, die getrackt werden können, aber ich habe total keinen Bock, irgendwie zwei Apps einzurichten, meine Daten zweimal einzugeben und diese dann zweimal zu überprüfen. Echt nicht. Klar, das ist nicht viel Arbeit und faul, aber wenn Samsung und Google schon kindisch sein können, dann kann ich das auch.

Okay, natürlich habe ich das getestet, weil sonst würdet ihr Kommentatoren mich zurecht zerfetzen. Mein Urteil über das App-Wirrwarr ist aber nur ein Schulterzucken, weswegen ich auch nur zwei Sätze dazu schreibe.

So Durchschnitt, halt

Die Samsung Gear IconX haben eine tolle Form und sitzen nicht nur fest, sondern auch bequem. Das Design ist also ein Volltreffer. Die Mängel sind nicht nur softwareseitig zu finden, sondern auch in der Lautstärke und der mangelhaften Schallisolierung gegen aussen.

Ich bin mir sicher, dass Samsung das besser kann. Ich bin mir auch sicher, dass die Nachfolger der IconX das Potenzial haben, allen anderen truly wireless headphones den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber die aktuelle Generation schafft das nicht, auch wenn der Preis mehr als nur kampffähig ist.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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