Samsung und Google: Neues 3D-Audio soll Dolby Atmos vertreiben
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Samsung und Google: Neues 3D-Audio soll Dolby Atmos vertreiben

Luca Fontana
2.12.2023

Auf Dolby Vision verzichtet TV-Hersteller Samsung schon lange. Nun soll auch Dolby Atmos verdrängt werden: durch IAMF, ein neues, mit Google zusammen entwickeltes 3D-Audioformat. Wie stehen die Chancen?

Es ist nicht das erste 3D-Audioformat der Welt. Aber wenn Samsung und Google zusammenspannen, dann lässt das aufhorchen – buchstäblich. Was sie entwickelt haben, heisst «Immersive Audio Model and Formats», wird mit IAMF abgekürzt und soll, laut den Branchenriesen, verändern, wie wir künftig zu Hause Raumklang wiedergeben und wahrnehmen.

Das beste Open-Source-3D-Audioformat der Welt

Nicht, dass es nicht schon genug 3D-Audioformate gäbe. Das bekannteste und verbreitetste Format ist aber zweifelsohne Dolby Atmos, dicht gefolgt von DTS:X. Hast du Sony-Geräte, dürfte dir auch 360 Spatial Audio ein Begriff sein. Vielleicht sogar Auro 3D. Nun kommt also Samsungs und Googles IAMF dazu.

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Im Prinzip wollen alle 3D-Formate dasselbe: den perfekten Raumklang. Soll heissen: Wenn in «Star Wars» ein TIE-Fighter frontal auf die Kamera zufliegt und in einem halsbrecherischen Manöver an ihr vorbeischiesst, soll sich das für dich im Wohnzimmer genauso anhören, als ob gerade ein Raumschiff knapp an deiner Schulter vorbei gerauscht ist und nun hinter dir davon düst.

3D-Formate wie Dolby Atmos und DTS:X sind fortschrittliche Audio-Technologien, die eine immersive Klangwiedergabe bieten. Sie erweitern herkömmlichen Surround Sound, indem sie objektbasierten Sound verwenden. Statt Töne bereits bei der Abmischung auf spezifische Kanäle zu legen, werden sie einem Objekt zugeordnet und in einem dreidimensionalen Raum platziert. Ein Algorithmus berechnet dann, aus welchem Kanal – oder Lautsprecher – die Töne zu kommen haben, selbst wenn sie sich quer durch den virtuellen Raum bewegen. Anders als bei herkömmlichem Surround Sound berücksichtigt der Algorithmus zudem Deckenlautsprecher, um auch Klänge von oben zu erzeugen. So entsteht ein deutlich präziserer und realistischerer Raumklang, der von allen Seiten zu kommen scheint – 3D-Audio eben.

Samsungs und Googles IAMF schlägt in dieselbe Kerbe, will allerdings einiges besser machen als ihre Konkurrenz. Das kommunizierte Samsung erst kürzlich via Medienmitteilung.

Open-Source, Deep Learning und Benutzerfreundlichkeit

So soll IAMF Open Source sein und interessierten Partnern keine Lizenzgebühren kosten. Keine Überraschung. Das ist ein altbekanntes Schlachtross von Samsung, das sich beispielsweise partout weigert, das verbreitete Premium-HDR-Format «Dolby Vision» auf seine Fernseher zu implementieren – wohl genau wegen der dort anfallenden Lizenzgebühren. Offiziell bestätigt ist das nicht. Die Südkoreaner beharren darauf, «es einfach nicht zu brauchen», um ein gutes Bild zu erzeugen.

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Weiter soll IAMF das erste Open-Source-Audioformat sein, das eine horizontale Tonwiedergabe unterstützt – also «Sound von oben». Können Dolby Atmos und DTS:X zwar auch. Aber eben: nicht lizenzfrei.

Viel spannender klingt hingegen die Ankündigung, dass IAMF mit KI- und Deep-Learning-Technologien Szenen selbstständig analysieren kann. So soll bestimmt werden, welche Aspekte des Audios gerade wichtig sind und herausgehoben werden sollen – ohne manuelles Eingreifen bei der Abmischung des Tons. «Im Fernsehen und in Filmen gibt es bestimmte Szenen, in denen Filmmusik, Vorder- oder Hintergrundgeräusche gleichzeitig abgespielt werden», so ein Samsung-Sprecher in der Medienmitteilung, «IAMF wird den Ton in diesen Fällen selbstständig optimieren. Ebenso nimmt die Technologie eine Feinabstimmung des Tons vor, wenn ein Dialog zwischen den Figuren stattfindet, damit man sich besser auf das Gespräch konzentrieren kann.»

Das könnte was Gutes sein. Ausser, wenn die KI zu stark eingreift. Das könnte die ursprüngliche Absicht des Regisseurs oder des Tonmeisters kompromittieren. Ein Graus für Puristen. Wer allerdings bei Actionszenen Mühe hat, Dialoge in einer Kakophonie von Explosionen herauszuhören – gerade ältere Menschen oder Menschen mit Hörbeeinträchtigungen –, dürfte das herzlich egal sein.

Darüber hinaus sollen Zuhörerinnen und Zuhörer selbst in die Tonmischung eingreifen und den Klang frei nach ihren Vorlieben einstellen können, wenn sie das wollen. Das spricht meiner Meinung nach zwar etwas gegen den Deep-Learning-Gedanken der Technologie. Andererseits gibt sie uns so die Flexibilität, den Ton jedem Gehör ganz individuell anzupassen.

Wird IAMF die Konkurrenz vertreiben?

Einen ersten Vorgeschmack auf IAMF dürften wir vermutlich zur Technologiemesse CES im Januar 2024 in Las Vegas bekommen. Bis dahin lässt sich kaum abschätzen, ob IAMF das Zeug hat, Dolby Atmos oder DTS:X zu vertreiben.

Gemessen daran, wie Samsungs hauseigenes HDR-Format «HDR10+» bei den Leuten ankommt, stehen die Chancen schlecht. HDR10+ ist nämlich ein Format, das genau wie Dolby Vision auf dynamische Metadaten setzt und – you guess it – ohne Lizenzgebühren zu haben ist. Trotzdem sind HDR10+-Inhalte bislang Mangelware. Du findest welche auf Prime Video, die meisten anderen grossen Streamingdienste oder UHD-Blu-Ray-Vertreiber setzen aber konsequent auf Dolby Vision, Dolby Atmos, HDR10 und DTS. Dazu kommt, dass nicht alle TV-Hersteller HDR10+ unterstützen. Zum Beispiel LG und Sony.

Die Konsumentinnen und Konsumenten davon zu überzeugen, dass IAMF – zusammen mit HDR10+ – besser als Dolby- oder DTS-Formate sind, dürfte also schwierig werden. Selbst mit einem Branchenriesen wie Google an Samsungs Seite, dessen Rolle vor allem darin bestand, für die bestmögliche Kompatibilität mit Audiogeräten zu sorgen.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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