Schweizerhochdeutsch für Anfänger (Deutsche): Warum wir so komisch schreiben
Hintergrund

Schweizerhochdeutsch für Anfänger (Deutsche): Warum wir so komisch schreiben

David Lee
29.1.2019

Wir Schweizer sprechen prinzipiell Dialekt, und zwar so, dass man nichts versteht. Was wir schreiben, nennen wir zwar Hochdeutsch, kommt euch da im hohen Norden aber immer noch Spanisch vor.

Der Klassiker unter den Missverständnissen zwischen Deutschen und Schweizern läuft so ab: Der Schweizer fragt den Deutschen, ob er Schweizerdeutsch verstünde. Dieser findet: Jaja, er verstehe das. Also fängt der Schweizer an, in seinem Dialekt zu reden. Worauf der Deutsche überhaupt nichts mehr versteht. Denn das, was er für Schweizerdeutsch gehalten hat, war das Hochdeutsch des Schweizers.

Das Missverständnis hat mehrere Ursachen. Eine davon ist, dass viele Schweizer einen so üblen Akzent haben, dass es sich ohnehin immer wie Mundart anhört (vgl. Video oben). Ein anderer Grund: Die Schweiz hat ihr eigenes Hochdeutsch, das sich von der bundesdeutschen Standardsprache unterscheidet. Das bedeutet: Selbst im extrem unwahrscheinlichen Falle, dass ein Schweizer die Aussprache des Hochdeutschen perfekt beherrscht, tönt es für Deutsche immer noch fremd. Das merkst du wahrscheinlich, wenn du unsere Texte liest. Denn viele von ihnen stammen aus der Schweiz. Unter anderem dieser hier, auch wenn da oben bei meinem Namen jetzt gerade «Hamburg» steht.

Warum gibt es überhaupt Schweizerhochdeutsch?

Es gibt ein Duden-Nachschlagewerk, das Schweizerhochdeutsch in Deutschhochdeutsch übersetzt. Das hört sich absurd an, denn es ist ja der Sinn einer Hochsprache, Einheitlichkeit zu schaffen. Nur: Die Schweiz als eigenes Land kann sich eigene Regeln geben. Und das tut sie auch, denn in der Schweiz hat die Hochsprache einen etwas anderen Zweck als in Deutschland. Sie dient auch dazu, dass uns Landsleute mit französischer oder italienischer Muttersprache besser verstehen.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass das Schweizerhochdeutsche viele Wörter französischen Ursprungs verwendet: Velo statt Fahrrad, Trottoir statt Bürgersteig, Dessert statt Nachtisch, Billett statt Fahrkarte. Als knorrige, widerborstige Bergler nehmen wir uns aber auch das Recht heraus, einfach nur aus Trotz andere Wörter zu verwenden: Morgenessen statt Frühstück, parkieren statt parken, kehren statt wenden. Und übrigens: Es heisst «Zürcher», nicht «Züricher», verdammt noch mal!

50 Franken Busse

Jedes Mal, wenn ich von einer «Busse» schreibe, werde ich in Leserkommentaren belehrt, dass das «Buße» heisst, denn sonst seien das ja Autobusse. Doch die Schweiz kennt den Buchstaben ß nicht. Will ihn gar nicht kennen. Dementsprechend gibt es auch keine Taste dafür, ich muss dieses Sonderzeichen mit auf dem Ziffernblock durch den Code Alt+0223 erzeugen.

Unsere Fehler sind keine Fehler, sondern Alleinstellungsmerkmale.

Die historische Ursache dafür kenne ich nicht, aber es könnte wiederum damit zu tun haben, dass wir mit den französisch- und italienischsprechenden Schweizern verbunden sein wollen. Dort gibt es auch kein ß. Auch die von mir verwendeten typografischen «Anführungszeichen» sind in Frankreich korrekt, in Deutschland aber falsch. Kein Wunder, haben sie einen französischen Namen: Guillemets.

Die Schweizer Tastaturbelegung

Die Tastaturbelegung der Deutschschweiz unterscheidet sich nicht nur darin, dass sie kein ß hat. Die Umlaute werden bei gedrückter Umschalttaste zu à, é und è statt zu Ä, Ö und Ü. Um Umlaute gross zu schreiben, müssen wir die Feststelltaste benützen oder ¨ und A/E/U nacheinander schreiben. Das ist zwar unpraktisch, aber dafür sind wir den Schweizern der französischen und italienischen Sprachregion ein bisschen näher. Die haben genau dieselbe Tastaturbelegung wie wir, ausser dass bei ihnen à, é, und è ohne Umschalttaste erscheint, dagegen ä, ö und ü mit Umschalttaste.

Deutsche Tastaturbelegung
Deutsche Tastaturbelegung
Schweizerdeutsche Tastaturbelegung
Schweizerdeutsche Tastaturbelegung
Tastaturbelegung für die französischsprachige Schweiz
Tastaturbelegung für die französischsprachige Schweiz
Tastaturbelegung für die italiensichsprachige Schweiz
Tastaturbelegung für die italiensichsprachige Schweiz

Auf galaxus.de verkaufen wir natürlich überwiegend Tastaturen mit deutsch-deutschem Layout. Es gibt aber einige, die amerikanisch beschriftet sind und vereinzelt auch solche mit Deutschschweizer Belegung. Mit unseren Filterfunktionen auf der Produktübersicht kannst du die Tastaturen nach Layout selektieren.

HyperX Alloy FPS (DE, Kabelgebunden)

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Unterschiedliche Produktbezeichnungen

Helvetismen, also hochdeutsche Ausdrücke, die nur Schweizer benutzen, gibt es vor allem in der Verwaltung und Politik sowie natürlich beim Essen. «Das Parlament tritt auf die Vorlage ein», hört sich für einen Deutschen wohl nach einem Wutanfall an. Es heisst aber nichts anderes, als dass das Parlament die Sache nun behandelt.

Produkte aus dem IT- und Elektronikbereich heissen zum Glück in der Schweiz fast immer gleich wie in Deutschland. Der einzige besondere Schweizer Ausdruck, der mir einfällt, heisst «Natel», ein völlig veraltetes Synonym für Mobiltelefon, das sich aber hartnäckig hält. Wahrscheinlich, weil niemand weiss, dass es die Abkürzung für «nationales Autotelefon» ist. Tja, in den 80er-Jahren waren Mobiltelefone halt so gross, dass sie nur in Autos transportiert werden könnten.

Gibt es eine Entsprechung für «Natel» in Deutschland? Ich tippe mal auf BuFeKoKfzAp (Bundesweit nutzbarer Fernsprechkompaktkraftfahrzeugapparat), was sich infolge Unaussprechbarkeit dann nicht durchgesetzt hat. Wobei, im Land der Sättigungsbeilagen und Personenkraftwagen-Energieverbrauchskennzeichenverordnungen, da kann man sich nie sicher sein, ob sich ein Wortgeschwür nicht doch durchsetzt.

Im Ernst: Für die Produktsuche im Galaxus-Shop können wir Synonyme hinterlegen. Darum findet die Suche das iPhone auf jeden Fall, egal ob du dort Mobiltelefon, Handy oder Natel eingibst. Falls wir ein Synomym einführen müssen, weil das Wort nur in Deutschland gebräuchlich ist, lass es uns bitte wissen!

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensier 


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