Produkttest

Sony WH-1000XM4 Review: Was kann der beste Noise-Cancelling-Kopfhörer?

Livia Gamper
14.9.2020
Schnitt: Armin Tobler

Der Bestseller-Kopfhörer hat einen Nachfolger: Sony legt mit dem WH-1000XM4 fast überall eine Schippe drauf – nur beim Bluetooth macht der Hersteller einen Abstrich.

Weiche Ohrpolster, einklappbare Ohrmuscheln, gute Akkulaufzeit und eines der besten Noise Cancellings: Das hat sich beim neuen WH-1000XM4 im Vergleich zum Vorgänger nicht geändert. Auch äusserlich sieht der Neue aus wie der Alte. Zwei Jahre später hat Sony aber einige wichtige und gute Neuerungen draufgelegt.

Sony WH-1000XM4 (ANC, 30 h, Kabellos)
243,82 EUR

Sony WH-1000XM4

ANC, 30 h, Kabellos

Sony WH-1000XM4 (ANC, 30 h, Kabellos)
Kopfhörer
243,82 EUR

Sony WH-1000XM4

ANC, 30 h, Kabellos

Ich habe den WH-1000XM4 eine Woche im Alltag getestet: Im Büro, im Zug und zu Hause.

Endlich mit dabei: Auto-Pause

Mit Auto-Pause bringt Sony eine wichtige Neuerung. Dank dem Näherungssensor in der linken Ohrmuschel, stoppt die Musik automatisch, sobald du den Kopfhörer von den Ohren nimmst.

Das Feature, das dem Vorgänger fehlt, funktioniert wie es soll. Sobald du den Kopfhörer abnimmst, hält die Musik an. Wenn du nur eine Ohrmuschel abnimmst, läuft die Musik jedoch weiter. Wenn du die Kopfhörer um den Hals legst, stoppt die Musik ebenfalls und beginnt auch nicht plötzlich von alleine wieder. Setzt du nach der Pause den Kopfhörer wieder auf deine Ohren, spielt die Musik zuverlässig dort weiter, wo du aufgehört hast. Willst du das Feature nicht, kannst du es in der App deaktivieren.

Im spiegelnden Rechteck im Ohrhörer sitzt der kleine Sensor.
Im spiegelnden Rechteck im Ohrhörer sitzt der kleine Sensor.

Der WH-1000XM4 schaltet automatisch nach etwa zehn Minuten ab, wenn keine Musik gespielt wird. Der Akku sollte dir also nicht unbemerkt ausgehen.

Das Problem mit Multipoint

Der WH-1000XM4 beherrscht einfachen Multipoint. Das bedeutet, dass zwei Abspielgeräte mit dem Kopfhörer gleichzeitig verbunden werden können. Du kannst dein Handy und deinen Laptop mit dem Kopfhörer verbinden.

Hörst du mit dem Handy Musik und jemand ruft dich in Microsoft Teams auf dem Laptop an, stellen die Kopfhörer automatisch die Signalquelle um. Du musst die Verbindung also nicht umständlich wechseln. Voraussetzung dafür ist, dass beide Signalquellen aktiv sind. In vier von fünf Fällen klappt das bei mir. Im fünften Fall startet auf einmal die Musik, die ich zuvor auf dem Handy abgespielt habe, wieder. Zuerst höre ich Musik und Telefon gleichzeitig, dann nur noch Musik. Meine Gesprächspartnerin ist nicht mehr zu hören. Im Grossen und Ganzen funktioniert Multipoint aber gut.

Bei meinem HP-Laptop muss ich den Kopfhörer noch als Headset auswählen, um direkt wechseln zu können. In diesem Set-Up muss ich den WH-1000XM4 zuerst umstellen, damit ich Stereo-Sound kriege. Ansonsten kann ich normal zwei Verbindungen aufrecht erhalten, wovon dann jeweils eine aktiv ist und Musik abspielt.

So sieht das Multipoint in der App aus.
So sieht das Multipoint in der App aus.

In der App kannst du wählen, ob du Multipoint aktivieren willst. Sobald die Funktion aktiviert ist, hast du jedoch nur noch den SBC – Standard-Bluetooth-Codec. Das bessere LDAC funktioniert in dem Modus nicht mehr. Das ist suboptimal. Denn die aptX-Codecs sind im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr dabei.

Die Sache mit Bluetooth: LDAC und AAC – aptX-Codecs weg

Im Gegensatz zum Vorgängermodell sind aptX und aptX HD nicht mehr dabei. Sony setzt voll auf die Eigenentwicklung LDAC. Eigentlich kein Problem, da der Sony-Standard sowieso besser ist und bei jedem Android-Handy ab der Version 8.0 dabei ist. Leider funktioniert LDAC nur so lange Multipoint nicht aktiviert ist. Mit eingeschaltetem Multipoint hast du dann nur noch den SBC-Codec. SBC ist der niedrigste Standard. Und ganz ehrlich: Wer will auf seinen nigelnagelneuen Kopfhörern die schlechteste Soundqualität?

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Auf Anfrage teilt mir Sony mit, dass sich das Unternehmen für den zertifizierten LDAC Hi-Res-Codec entschieden hat, um die Soundqualität zu optimieren.

Stellst du Multipoint ein, verbindet sich der Kopfhörer immer zuerst mit dem erst gewählten Gerät und etwa zwei Sekunden später mit dem zweiten. Die Kopfhörer-Stimme sagt dann in beruhigender Monotonie «Bluetooth device connected, Bluetooth second device connected». Konkurrenzhersteller, insbesondere Bose, haben Multipoint schon länger. Beim vor fast drei Jahren auf den Markt gebrachten und deutlich günstigeren QuietComfort 35 II zum Beispiel.

Von der Seite ist der XM4 schön schlicht
Von der Seite ist der XM4 schön schlicht

Anrufqualität – Urteile selbst

Bei mehreren Microsoft-Teams-Telefonaten, die ich mit dem WH-1000XM4 führe, wirde mir gesagt, dass ich nicht gut zu hören sei. Ich denke zuerst, dass es an der Verbindung liegt. Gemäss Sony soll die Telefonqualität verbessert worden sein. Ich selbst höre meine Gegenüber aber immer gut. Vor allem wenn ich Multipoint aktiviert habe – also das Handy nebenbei mit dem Kopfhörer verbunden ist – ist die Gesprächsqualität nicht gut. Ich höre zwar mein Gegenüber klar und deutlich, meine Gesprächspartner*innen mich aber nur sehr schlecht. Kollege Kevin findet während eines Gesprächs mit aktiviertem Multipoint, ich töne, als ob ich in eine Blechbüchse spreche. Ich deaktiviere Multipoint und nun hört er mich besser.

Damit du selber urteilen kannst, habe ich mich mit dem Kopfhörer-Mikrofon aufgenommen. Zuerst ohne Multipoint, dann mit.

Beim Telefonieren mit dem Smartphone ist die Qualität mit aktiviertem Multipoint auch nicht optimal, sie ist aber deutlich besser als im Video. Ohne Multipoint empfinde ich die Qualität als gut. Auch im Zug versteht mich meine Kollegin gut, obwohl es um mich herum ziemlich laut ist. Das von Sony versprochene Cancelling von Umgebungsgeräuschen funktioniert grundsätzlich.

Noise Cancelling: Wirklich gut

Vor meiner Wohnung hat es gerade eine Grossbaustelle – perfekt um das Noise Cancelling zu testen. Der Vorgänger des XM4 hat im objektiven Noise-Cancelling-Test der Akustik-Experten von Rocket Science am besten abgeschnitten: Sony lieferte messbar die stärkste Geräuschunterdrückung. Nur in der subjektiven Bewertung des Teams schnitten die Bose Headphones 700 besser ab.

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Jetzt hat Sony laut eigenen Angaben das Noise Cancelling nochmals um 15 Prozent verbessert – was auch immer das heissen mag. Vor allem die Störgeräusche in hohen Frequenzen will der japanische Hersteller besser reduzieren. Die hohen Frequenzen waren auch das, was das Team von Rocket Science beim XM3 bemängelt hatte.

Rocket Science wird auch die WH-1000XM4 vermessen und mit den anderen Kopfhörern vergleichen. Die Resultate werde ich in den nächsten Tagen in einem separaten Artikel veröffentlichen.

Ich habe den XM4 im Homeoffice auf, während vor meiner Wohnung mit Presslufthämmern die Strasse aufgerissen wird. Ich bin froh um die Kopfhörer. Ganz herausfiltern können die Hörer den Lärm zwar nicht – vor allem hohe Töne kamen noch durch. – bei mittlerer Lautstärke höre ich aber kaum noch etwas. Im Zug höre ich manchmal ein paar einzelne Gesprächsfetzen von Mitreisenden, ansonsten aber nur Musik. Sonys Cancelling tut definitiv seinen Job.

Ein Problem habe ich mit dem Cancelling dennoch: Die ersten paar Mal wird mir übel, als ich die Kopfhörer aufsetze. Das ist mir sonst noch nie bei einem Noise-Cancelling-Kopfhörer passiert. Die Übelkeit hatte ich aber wirklich nur die ersten paar Mal, bis ich mich an das starke Cancelling gewöhnt habe.

Der Kopfhörer ist von aussen unscheinbar.
Der Kopfhörer ist von aussen unscheinbar.

Wie ist der Sound?

Schon der Vorgänger des XM4 liefert grundsätzlich sehr guten Sound. Mich stört jedoch beim vorherigen Modell, dass er ziemlich viel Bass hat. Auch der Nachfolger hat eher viel Bass, ich habe aber das Gefühl, dass es etwas weniger geworden ist. Dafür sind die Mitten jetzt präsenter. Gitarrenstücke, Klavier und Gesang sind in meinen Ohren definiert und klar – so wie es sein soll.

Der WH-1000XM4 klingt in meinen Ohren allgemein etwas unaufgeregter als sein Vorgänger. Ich mag warmen, klaren und vollen Sound. Damit trifft der XM4 meinen Geschmack grösstenteils. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass gewisse Stücke etwas gepresst klingen. Dafür gefallen mir beim neuen Modell die Höhen besser – diese erscheinen mir klarer.

Mittels Equalizer und acht Presets in der Sony Headphones App passt du du den Sound deinen Vorstellungen an. Das ANC hat in meinen Ohren den Klang übrigens nicht negativ beeinflusst und es rauscht auch nicht, wenn du einen Podcast oder leise Musik hörst.

In der App kann ebenfalls eingestellt werden, dass der nervige Jingle beim Umstellen des ANC-Modus nicht jedes Mal die Musik unterbricht.

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Das Kühlschrankexperiment: bestanden

Wird’s kalt, kriegen gewisse elektronische Geräte Probleme. Dazu gehört auch der Vorgänger des XM4. Im Winter hat sich bei mehreren Usern die Touch-Steuerung verselbstständigt. Im Beitrag der Ankündigung wurde dazu eine Frage von User dimschlukas gestellt.

Weil die sommerlichen Aussentemperaturen einen Test nicht zulassen, habe ich den Kopfhörer 45 Minuten in den Kühlschrank gelegt. Mit kalten Ohren höre ich Musik, die Touch-Steuerung am rechten Ohrhörer tut was sie soll. Alles läuft normal, die Lautstärke ändert sich nicht und auch sonst macht die Steuerung nur das, was sie soll.

Auch in kühler Umgebung funktioniert die Touch-Steuerung nun wie sie soll.
Auch in kühler Umgebung funktioniert die Touch-Steuerung nun wie sie soll.

Zum Schluss: Akku und Tragekomfort

Wie der Vorgänger bietet der XM4 30 Stunden Akkulaufzeit – das ist im Vergleich zur Konkurrenz normal bis gut. Die 30 Stunden sind mit aktiviertem Noise Cancelling gemeint. Das kommt bei mir hin. Zudem hat der Kopfhörer eine Schnellladefunktion: Mit ein paar Minuten Laden kannst du schon wieder zwei bis drei Stunden Musik hören. Eine vollständige Akkuladung dauert etwa drei Stunden.

Leider ist der Akku laut Sony nicht austauschbar – dafür aber immerhin die Ohrpolster.

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Wo beim Vorgänger noch der NC/Ambient-Knopf an der linken Ohrmuschel war, hat Sony nun einen Custom-Knopf angebracht. Den kannst du in der App zuweisen: Entweder mit der ANC-Funktion, Google Assistant oder Alexa.

Willst du, dass deine Musik stoppt, ohne dass du den Kopfhörer berühren musst, kannst du die Speak-to-Chat-Funktion aktivieren. Da erkennt der Hörer deine Stimme und stoppt die Musik, sobald du anfängst zu sprechen. Weil ich es unhöflich finde, mit Kopfhörern auf den Ohren mit jemanden zu reden, probiere ich die Funktion nur einmal im Büro aus. Dort hält die Musik zum Teil an, wenn die Bürokollegen zu laut sprechen. Die Empfindlichkeit ist zwar einstellbar, bei mir hat das aber nicht viel geholfen. Zudem: Wenn du einen Song mitsingst, stoppt die Musik ebenfalls. Bei dieser Option muss Sony noch nachbessern.

Dafür ist der XM4 wie der Vorgänger sehr bequem. Die Ohrpolster sind sogar noch etwas weicher geworden. Ich kann den Hörer stundenlang tragen, obwohl ich eine heikle Kopfhörer-Trägerin bin – die Sennheiser Momentum-Modelle sind mir zum Beispiel alle zu hart und nach spätestens einer Stunde drücken sie mir auf den Schädel.

Zusammengeklappt ist der XM4 sehr handlich.
Zusammengeklappt ist der XM4 sehr handlich.

Zusammengefasst: Toller Kopfhörer, aber teuer

Der Sony WH-1000XM4 ist ein toller Kopfhörer. Fast alles kann er wirklich gut. Das Einzige, was mich stört, ist die Sache mit Multipoint, wo du Abstriche bei der Bluetooth-Konnektivität und bei der Telefonqualität hinnehmen musst.

Das ist aber Motzen auf hohem Niveau. Denn der ganze Rest hat der Kopfhörer im Griff: Wo Konkurrenzmodelle sich zum Verstauen nicht einklappen lassen, unbequem sind, ein schlechtes Noise Cancelling haben, oder die Steuerung nicht wie gewünscht funktioniert, trumpft der WH-1000XM4 auf – dafür kostet er sehr viel.

Ist der Kopfhörer den Aufpreis gegenüber dem Vorgänger wert ? Der WH-1000XM4 lohnt sich für Leute, die jetzt ein älteres Kopfhörer-Modell haben. Oder für solche, die den XM3 haben, aber jetzt unbedingt Multipoint wollen.

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Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival. 


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