Tastatur-Oldtimer: Spass am Nutzlosen
Hintergrund

Tastatur-Oldtimer: Spass am Nutzlosen

David Lee
7.6.2021

Ich habe drei antike Apple-Tastaturen aufgefrischt und auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft. Dabei habe ich jede Menge nutzloses Wissen über alte Switches, Entgilbungsmethoden und abstruse Tastaturlayouts erworben. Das alles macht wenig Sinn, aber viel Spass.

Mechanische Tastaturen gelten als das Nonplusultra des Schreibgefühls. Auch ich habe mich mittlerweile von der Begeisterung meiner Kollegen anstecken lassen und möchte nicht mehr zurück zu den Gummi-Tastaturen. Doch meine Logitech G915 ist nicht so langlebig wie mechanische Tastaturen normalerweise sind. Die Keycaps sind sehr fragil, und Logitech bietet keine Ersatzteile. Dies bei einem proprietären System.

Wenn ich über Langlebigkeit nachdenke, kommt mir in den Sinn, dass ich drei Apple-Tastaturen besitze, die über 30 Jahre alt sind. Waren früher nicht alle Keyboards mechanisch? Müsste es demnach nicht unfassbar cool sein, eine 80er-Jahre-Tastatur an einem neuen Computer zum Leben zu erwecken? Ich probiere das mit dem Adapter ADB2USB der kleinen Firma Drakware aus, mit dem ich bereits eine alte Maus getestet habe.

Alte Tastaturen machen süchtig

Die drei Tastaturen sind Überbleibsel von alten Macintosh-Rechnern. Ich habe solche Würfelmacs in meiner Kindheit und Jugend benutzt und später aus Nostalgiegründen auf Ricardo.ch wieder ersteigert. Zuerst schliesse ich die Tastatur an, die mir am besten gefällt: Ein «Apple Standard Keyboard» aus dem Jahr 1987. Ich habe es vor vielen Jahren blau angemalt, um die hässliche Vergilbung loszuwerden. Denn damals hatte ich keinen Plan, mit welchen Chemikalien ich den Farbstich rausbringen kann.

Die Tastatur ist schwer. Sie ist laut. Sie hat keine Füsschen, um den Neigungswinkel zu verstellen. Sie hat keine Funktionstasten. Und die Pfeiltasten sind gewöhnungsbedürftig angeordnet.

Doch das ist alles weniger schlimm, als es zuerst scheint. Da die allermeisten Mac-Tastaturen früher keine Funktionstasten hatten, gibt es bis heute keine fest im System verankerten Befehle für die F-Tasten. Will heissen: Es ist an einem heutigen Mac problemlos möglich, ohne sie zu arbeiten. Die fehlende Del-Taste lässt sich auf einem Mac durch Shift + Löschen simulieren. An die Pfeiltastenanordnung habe ich mich recht schnell gewöhnt, und ausserdem könnte auch der Nummernblock zur Pfeilnavigation verwendet werden. Option + Clear entspricht dem Num Lock einer Windows-Tastatur.

Es fühlt sich toll an, mit dieser Tastatur zu schreiben. Zwar tippe ich nicht so leicht wie mit der modernen Logitech-Tastatur. Aber gerade das gibt mir das Gefühl, auf einem Gerät zu arbeiten, das für die Ewigkeit gebaut wurde. Die Tastatur hat einen lauten, aber angenehmen Klang. Leider vertippe ich mich recht oft damit. Woran das liegt, kann ich nicht festmachen.

An diesem Punkt hätte ich mich entscheiden müssen: Ist das gut genug für mich zum täglichen Arbeiten, oder soll ich wieder zurück zur Logitech-Tastatur? Doch stattdessen versuche ich, die alten Tastaturen noch besser zu machen und so eskaliert die Sache.

Wie ich dem Restaurierungswahn verfalle

Die neueste der drei Tastaturen – das Apple Keyboard II von 1990 – sieht moderner aus und ich vermute, dass sie auch bequemer zum Tippen wäre. Nur: In diesem Zustand fasse ich das Ding gar nicht erst an. Also erst mal öffnen und reinigen.

Hey bisch eigentlich nöd ganz putzt?
Hey bisch eigentlich nöd ganz putzt?

Dabei stelle ich fest: Das ist gar keine mechanische Tastatur. Oder jedenfalls nicht so richtig. Zwar hat jede Taste ihren eigenen Switch; aber anstelle einer Metallfeder kommt eine Art Gummifeder zum Einsatz. Somit scheint es eine Mischung aus mechanischer Tastatur und Gummimembran-Tastatur zu sein.

Geputzt.
Geputzt.

Sind wenigstens die beiden älteren Modelle «richtige» mechanische Tastaturen? Und diese komische Mischung, ist das gut oder schlecht? Da ich die Sache vorsichtig angehe, schaue ich mir erstmal ein paar Youtube-Videos zum Thema an und merke schnell: Mechanische Tastaturen sind eine Wissenschaft, ein Universum für sich.

Irgendwann entdecke ich Chyrosran22, der über 160 Reviews von alten Keyboards gemacht hat und meine Fragen klärt. Das Apple Standard Keyboard ist eine klassische mechanische Tastatur mit Switches der Marke Alps. Das Apple Keyboard II ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich eben oft gar nicht sagen lässt, was mechanisch ist und was nicht. Denn es gibt so viele verschiedene Arten, wie Tastaturen aufgebaut sein können, dass jede Definition von «mechanisch» irgendwie unbefriedigend ist. Letztlich beschreibt der Ausdruck mehr ein Gefühl des Tippens als den inneren Aufbau – die Tastatur sollte sich nicht gummig anfühlen.

Aber egal, mit welcher Definition: Meine beiden Apple Standard Keyboards sind astrein mechanisch. Und ihre Switches gelten als sehr gut. Vielleicht wird das Schreibgefühl noch besser, wenn ich sie reinige? Optisch würde es sowieso gut tun – die Tasten sind sichtlich verschmutzt. Ich beschliesse, diese Tastaturen ebenfalls aufzufrischen.

Bemalt und entgilbt

Die Keycaps des Apple Standard Keyboards sind aus dem Kunststoff PBT. Dieser vergilbt nicht. Doch die Leertaste ist aus ABS-Kunststoff, und dieses Material vergilbt mit der Zeit. Somit hat die Leertaste eine leicht andere Farbe, was unschön ist. Das Gehäuse ist ebenfalls aus ABS, aber das habe ich ja bemalt. Eines meiner Standard Keyboards ist blau, das andere orange. In diesem Bild siehst du deutlich, dass die Leertaste im Gegensatz zu allen anderen Tasten vergilbt ist.

Beim Apple Keyboard II bestehen alle äusseren Teile aus ABS und sind entsprechend vergilbt.

In einem Anfall von Euphorie beschliesse ich, alle ABS-Tasten sowie das Gehäuse des Apple Keyboard II mit Wasserstoffperoxid zu entgilben und die beiden bemalten Gehäuse neu anzustreichen. Die Farbe ist da und dort etwas ab und das Orange gefällt mir sowieso nicht mehr. Das wird dunkelrot.

Nun ist das Entgilben wieder eine Wissenschaft für sich. Aber keine exakte Wissenschaft. Vielleicht auch nur Pseudowissenschaft oder Alchemie. Unter dem Stichwort Retrobright werden im Web die verschiedensten Mixturen und Methoden feil geboten. Kollege Philipp Rüegg hat es mal an einer alten Nintendo-Konsole ausprobiert – es klappte, war aber ein Riesenaufwand.

  • Ratgeber

    So «einfach» kannst du deine alte Konsole entgilben

    von Philipp Rüegg

Ich mache mir die Sache nicht unnötig kompliziert und bestelle beim Online-Händler meines Vertrauens ordentlich konzentriertes Wasserstoffperoxid, in das ich die abgelösten Keycaps einlege. An einem sonnigen Tag Ende Mai bekommen diese auf dem Südbalkon genug UV-Licht ab. Weitere Zutaten aus der Welt der Waschmittel, Haarbleiche und Lebensmittelindustrie spare ich mir.

Das Gehäuse ist zu gross, um eingelegt zu werden. Also pinsle ich das Wasserstoffperoxid einfach drauf und wiederhole den Vorgang einige Male. Auch das funktioniert erstaunlich gut. Gehäuse und Tasten haben etwa dieselbe Farbe. Der Gelbstich ist nicht komplett raus, aber verglichen mit dem Ursprungszustand der Tastatur gefällt mir alles viel besser.

Der Teil mit dem Bemalen ist schwieriger. Ich muss mehrere Anstriche machen. Der dicke Farbauftrag versteift die Tastatur, wodurch sie sich nicht mehr gut zusammensetzen lässt. Zudem muss die Leertaste unbedingt vor dem Zusammenbau aufgesetzt werden, sonst bringst du sie nicht mehr zusammen. Weil aber die Leertaste entgilbt werden muss, mache ich das falsch und muss den Murks des Zusammensetzens zweimal machen.

Das Ergebnis

Apple Keyboard II: Die Gummi-Switches fühlen sich beim Tippen auch gummig an. Das Feeling einer mechanischen Tastatur ist eindeutig nicht gegeben. Eigentlich wäre die Tastatur sehr leise, aber die Leertaste scheppert laut. Mit dieser Tastatur werde ich sicher nicht arbeiten.

Blaues Apple Standard Keyboard: Die Switches sind vom Typ Alps SKCM Orange. Diese haben einen sehr guten Ruf, dennoch tippe ich auf dieser Tastatur nicht besonders leicht. Daran ändert sich auch nach der Reinigung nichts. Die 6 auf dem Ziffernblock funktioniert zuerst nicht, doch nach einigem Herumrütteln und Herumdrücken tut sie wieder.

Ehemals oranges, jetzt rotes Apple Standard Keyboard: Hier gehen gleich drei Tasten zuerst nicht, doch auch hier renkt sich das alles nach einiger Zeit wieder ein. Die rote Tastatur unterscheidet sich in mehreren Punkten von der blauen. Zum Beispiel die Switches: Hier kommen Alps SKCM Salmon zum Einsatz. Also lachsfarbene. Ich merke keinen allzu grossen Unterschied zu den orangenen. Mit dieser Tastatur tippe ich ein wenig lieber als mit der blauen.

Doch leider hat die rote gegenüber der blauen Tastatur auch Nachteile. Offensichtlich ist es eine US-amerikanische Version, für die zur Verschweizerung die Tasten mit den Sonderzeichen überklebt wurden. Erstaunlich, dass diese Kleber Jahrzehnte später, selbst nach meiner Reinigung, noch halten. Einige Sondertasten wurden aber nicht überklebt und sind nun für mich als Schweizer falsch beschriftet. Selbst für US-Amerikaner ist diese Tastatur extrem gewöhnungsbedürftig, denn viele Tasten sind, um es mal nett auszudrücken, originell angeordnet. Die Pfeiltasten liegen alle in einer Reihe, Caps Lock und Ctrl sind vertauscht, und neben der Leertaste liegen statt einer zweiten Befehls- oder Alt-Taste irgendwelche Sonderzeichen, für die es sonst nirgends Platz hatte. Die Shift-Tasten sind extrem gross, die Leertaste extrem klein. Wenigstens ist die Esc-Taste am gewohnten Ort, nicht wie beim Apple Keyboard II, wo sie neben den Pfeiltasten liegt.

Drakware bietet ein Tool an, um die Tasten umzuprogrammieren. Vielleicht würde ich eine für mich sinnvolle Tastaturbelegung finden. Aber ehrlich gesagt: Für den täglichen Gebrauch sind mir alle drei Tastaturen zu wenig angenehm. Ich werde sie weiterhin als das verwenden, was sie sind: Oldtimer. War damit die ganze Arbeit für die Katz? Nein – mir machen die gepflegten Oldtimer Freude.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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