Victorinox-Chef Elsener: «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!»
Hintergrund

Victorinox-Chef Elsener: «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!»

Carl Elsener ist Chef von Victorinox und hat schon mehrere Krisen durchgestanden. Corona setzt dem Traditionsunternehmen zu. Dank Erfahrung und finanziellem Polster ist Elsener aber zuversichtlich.

Für McGyver gehört es genauso zur Grundausstattung wie für NASA Astronauten. Das Schweizer Sackmesser hat es ins Museum of Modern Arts in New York und in die Englische Alltagssprache geschafft. Dabei beruht der Erfolg des Sackmessers auf Beständigkeit. Der Familienbetrieb Victorinox wird in vierter Generation von Carl Elsener geleitet.

Carl Elsener, Victorinox ist ein Schweizer Vorzeigeunternehmen und bekannt dafür, in guten Zeiten für schlechtere Zeiten zu sparen. Wie hat das Unternehmen das vergangene Jahr und die Coronakrise erlebt?

Victorinox war bereits in einem sehr frühen Stadium von der Coronakrise betroffen. Unsere Vertriebsbüros in China blieben wochenlang geschlossen, ebenso unsere Verkaufsgeschäfte in Shanghai und Hongkong. Durch die Ausbreitung des Virus bekamen wir dann die negativen Auswirkungen zeitlich versetzt weltweit zu spüren. Wir stellen uns noch für längere Zeit auf einen markanten Rückgang unserer Geschäftstätigkeit und Umsätze ein. Wir alle sind von der Corona-Krise überrascht worden. Um solches zu verhindern, benötigen Unternehmen ein besseres Risikomanagement. Ein weiterer entscheidender Faktor sind auch Reserven. Um eine Krise erfolgreich zu meistern, braucht es Reserven und eine hohe Liquidität. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Unsere Reserven aber auch die Möglichkeit, Kurzarbeit zu leisten, haben uns bisher sehr geholfen. In dieser für uns sehr herausfordernden Zeit, bemühen wir uns, die richtige Balance zu finden zwischen Sparmassnahmen und der Vorbereitung für den Aufschwung. Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, in die Zukunft zu investieren und langfristig zu denken.

Das Schweizer Sackmesser ist alleine vom Konzept her schon sehr nachhaltig: Alles an einem Ort und qualitativ hochwertig, hält ein Sackmesser ein Leben lang. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Victorinox ausserdem und hat sich das Verständnis für Nachhaltigkeit in den letzten Jahren geändert?

Der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen hatte für uns schon immer eine sehr hohe Priorität. Heute ist das Thema Nachhaltigkeit aus Industrie, Gesellschaft und Politik nicht mehr wegzudenken, wir setzten aber bereits vor 40 Jahren, als noch niemand darüber sprach, ein umweltfreundliches Heiz-System ein. Dieses erlaubt uns noch heute, unsere Firmengebäude und 120 Wohnungen mit der Abwärme aus der Produktion zu beheizen. Daneben haben wir für das Recyclen von jährlich rund 600 Tonnen Schleifschlamm ein eigenes Verfahren entwickelt, und die eingesetzten Fotovoltaikanlagen erlauben uns, jedes Jahr gegen 500 Tonnen CO2 zu kompensieren. Die meisten Nachhaltigkeitsprojekte verursachen anfänglich höhere Investitionen. Mittel- und langfristig zahlen sie sich aber auch finanziell aus.

Victorinox ist ein Familienunternehmen mit viel Tradition. Wie schwierig ist es da, neue Produkte auf den Markt zu bringen?

Die Welt verändert sich, das ständig und immer schneller. Unternehmen und Menschen müssen lernen, damit umzugehen und Schritt zu halten. Dabei ist Lernfähigkeit und Offenheit ein zentraler Aspekt. „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, besagt ein Chinesisches Sprichwort. Auch die Victorinox muss sich stets diesem Wandel stellen. Die kontinuierliche Pflege und Entwicklung der Marke Victorinox ist für uns eine entscheidende Basis für nachhaltigen Erfolg und die Sicherung der Unternehmenszukunft. Unsere Herkunft als Schweizer Traditionsmarke ist ein Garant für Qualität und Zuverlässigkeit – aber auch für Innovationskraft und Pioniergeist. Mit diesem Blick fürs Bewährte und fürs Neue werden wir unsere Kunden auch übermorgen mit neuen Produkten überraschen und begeistern.

Victorinox ist vor allem für die Sackmesser bekannt, macht aber auch Taschen, Uhren oder Parfum. Gab es auch schon Produkte, die sich überhaupt nicht bewährt haben und die wieder vom Markt verschwunden sind?

Die schweren Folgen des Anschlags vom 11. September 2001 haben uns schmerzlich gezeigt, wie gefährlich eine einseitige Abhängigkeit sein kann. Der Umsatz der Taschenmesser sank damals um über 30% und auch heute sind die Nachwirkungen noch spürbar. Über die Ausweitung unserer Marke in andere Produktkategorien haben wir diese Abhängigkeit reduziert. Die Ausstrahlung und Sichtbarkeit unserer Marke hat deutlich zugenommen. Nicht alles war jedoch von nachhaltigem Erfolg geprägt. So mussten wir uns beispielsweise vom Bekleidungssektor trennen. Diese Branche mit der rasch wechselnden Mode passte nicht zu uns. Vor einigen Jahren haben wir auch ein Taschenmesser mit integriertem MP3 Player auf den Markt gebracht. Wir haben aber erkannt, dass wir in der digitalen Produkt-Welt nur schwer mithalten können – und eigentlich auch gar nicht mithalten müssen. Das Taschenmesser ist ein analoges Produkt und wird auch in Zukunft die mechanische Komponente in unserem Leben zu unterstützen.

Wer entscheidet über neue Produkte?

Neue Produkte sind wichtige Bausteine für den Erfolg von morgen. Wir müssen unsere Produkte ständig weiterentwickeln und sicherstellen, dass sie auch in Zukunft im Leben von unseren Kunden relevant bleiben. Durch Nähe zum Markt versuchen wir neue Kundenwünsche frühzeitig zu erkennen und diese kreativ in nützliche Produkte umzusetzen. So gesehen entscheiden die Kunden über unsere neuen Produkte.

Bei der Entwicklung unserer Produkte bin ich nahe dabei. Vor allem bei den Taschenmessern, die stark mit Emotionen verbunden sind. Die nahezu unbegrenzten Verwendungsmöglichkeiten des kleinen roten Taschenmessers haben Millionen von Menschen auf der ganzen Welt entdeckt und lieben gelernt. Es ist kompakt, zuverlässig und passt in jede Hosentasche – ein Begleiter fürs Leben. Ein amerikanischer Journalist nannte es «a friend, not just a knife» und eine Touristin antwortete in einem Interview spontan: «A little bit of Switzerland with you forever». All das bereitet Freude und spornt uns an, unsere Kunden auch in Zukunft mit inovativen Produkten zu überraschen und zu begeistern.

Was muss ein Produkt Ihrer Meinung nach bringen, damit es zu Victorinox passt?

Wenn wir im Weltmarkt erfolgreich sein wollen, müssen wir unsere Produkte und Serviceleistungen an den Kunden ausrichten. Diesen bieten wir Produkte, die ihnen etwas bedeuten, und Leistungen, die sie überzeugen. Dies erreichen wir durch eine kluge Kombination unserer Kernwerte Qualität, Funktionalität, Innovation und ikonisches Design. Diese Eigenschaften machen Victorinox-Produkte aus. Sie ermöglichen unseren Kunden für ihre Abenteuer im täglichen Leben „gerüstet“ zu sein und erfüllen damit unser Markenversprechen.

Sind Sie eher Patron alter Schule oder eher CEO?

Die Victorinox ist heute ein globales Unternehmen das weltweit 2100 Mitarbeitende beschäftigt. Als CEO leite ich seit 2007 unser Schweizer Traditionsunternehmen in der vierten Generation. Mein Vater, mit dem ich mehr als 30 Jahre zusammengearbeitet habe, war ein echter Patron und Pionier. Victorinox war sein Leben, das kleine rote Sackmesser seine Leidenschaft. Für meine Geschwister und mich war er immer ein grosses Vorbild. Für unsere Familie und mich ist es eine verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe, das was die Victorinox Pioniere mit viel Herzblut aufgebaut haben, in ihrem Sinn und Geist fortzuführen und weiter zu entwickeln.

Das Interview wurde schriftlich geführt

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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