
Vogelgrippe färbt Iris schwarz

Eine hochpathogene Variante des Vogelgrippevirus H5N1 frisst sich weltweit durch Vogelbestände. Überlebende kann man womöglich an verfärbten Augen erkennen.
Seit mindestens 2021 rast eine hoch ansteckende Form des Vogelgrippevirus H5N1 durch die Vogelbestände weltweit. Besonders betroffen sind Seevögel: Hunderttausende oder vielleicht sogar Millionen der Tiere sind allein 2022 gestorben; manche Arten daher mittlerweile im Bestand bedroht. In Europa erwischte es bislang vor allem Möwen, Seeschwalben und auch Basstölpel, die beispielsweise auf Helgoland nisten. Eine noch nicht veröffentlichte Studie von Jude Lane von der britischen Royal Society for the Protection of Birds und ihrem Team auf dem bioRxiv deutet an, wie Wissenschaftler zukünftig überlebende Basstölpel erkennen könnten: Die Iris der Vögel wurde womöglich als Folge der Infektion komplett schwarz, während sie bei nicht infizierten Exemplaren hell ist.
Entsprechende Vögel wurden in verschiedenen betroffenen Brutkolonien in Grossbritannien, Frankreich, Kanada und Deutschland beobachtet. Lane und Co untersuchten deshalb Gewebeproben von 18 Basstölpeln mit normaler oder schwarzer Irisfärbung, die sie auf Bass Rock gesammelt haben. Der Felsen beherbergt eine der weltweit grössten Ansammlungen an Basstölpeln.
Im Blut von acht Tieren fanden sich Antikörper gegen H5N1; die Tiere hatten also eine Infektion durchgemacht. Und sieben der acht Individuen wiesen die veränderte Iris auf, während sie bei den nicht infizierten Tieren normal gefärbt war. Unklar ist allerdings, ob diese Verfärbung von Dauer ist oder wieder zurückgeht. Das soll ebenso Ziel einer weiteren Studie sein wie die Frage, ob und wie lange die Antikörper in den Tieren bestehen bleiben. Damit liesse sich dann womöglich voraussagen, wie stark die Kolonien zukünftig von dieser H5N1-Variante getroffen werden und wie sich die Bestände erholen.
Die Überlebensrate der rund 150 000 Basstölpel auf Bass Rock vor der schottischen Ostküste lag zwischen 2021 und 2022 um über 40 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt. Bestimmte Raubmöwenarten wurden so stark getroffen, dass verschiedene Ornithologen fürchten, sie könnten inzwischen vom Aussterben bedroht sein. Seeschwalben wiederum gaben 2022 reihenweise ihre Gelege auf, weshalb die Brutsaison fast völlig ausfiel. Da Seevögel oft nur zum Brüten an Land kommen und einen grossen Teil ihres Lebens auf dem Meer verbringen, ist unklar, wie stark die Seuche die Gesamtbestände getroffen hat. Manche Zahlen können womöglich erst 2023 mit Beginn der Brutzeit erhoben werden.
In der Zwischenzeit hat sich die Pandemie bis nach Südamerika ausgeweitet, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die grossen Kolonien in antarktischen Gewässern erreicht werden. Betroffen sind aber nicht nur Seevögel, sondern auch andere Arten wie Kraniche oder Greifvögel. Letztere fressen Kadaver von toten Vögeln und infizieren sich darüber. In den USA starben zum Beispiel 20 der vom Aussterben bedrohten Kalifornischen Kondore an der Krankheit, die auch Säugetiere betreffen kann. In Peru verendeten hunderte Seelöwen, die wahrscheinlich ebenfalls tote oder geschwächte Seevögel gefressen hatten.
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