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Hintergrund

Wellen à la carte im Wallis

Michael Restin
30.4.2021
Bilder: Thomas Kunz

2021 ist, wenn du in den Bergen besser surfen lernen kannst als am Meer. In Sion rollen die Wellen auf Knopfdruck und machen nicht nur die Schweizer Surfszene glücklich. Ein Selbstversuch in der Alaïa Bay.

Rund um die Attraktion wurde die logische Infrastruktur gezimmert: Ein Restaurant samt Aussichtsterrasse, ein Surfshop, die Surfschule und «La Factory», in der sich Shaper Carlos Lopez den Brettern widmet.

Der «Magic Room» ändert alles

Und trotzdem fehlt etwas. Strandgefühl lässt sich nicht in die Alpen verpflanzen, denke ich beim Rundgang, der mit einem Blick in den «Magic Room» endet. Wenn hier die richtigen Knöpfe gedrückt werden, gibt es, worüber bislang nur geredet wurde: Wellen. Wellen à la carte. Das Menü umfasst 20 speziell programmierte Arten, bis hin zur Tube.

Ganze zwei Monate wurde an den Einstellungen getüftelt, um Grösse, Form, Kraft und Frequenz aufeinander abzustimmen. Bislang ist das blosse Theorie. Sie fehlen, das Wasser ist still. Dabei geht es im Grunde nur um sie. Ohne Wellen gesehen zu haben, sollte ich mir kein Urteil über diesen Ort erlauben.

Die Gewalt des Wassers

Sobald leibhaftige Wellen durch den Pool rollen, verwandelt sich die Atmosphäre. Ich spüre es schon im Gebäude. Als das grosse Rauschen beginnt, drehen sich die Köpfe zum Fenster, der Pressepulk stolpert hastig die Treppe hinunter nach draussen. Augen zu, schon beamt mich das Kopfkino ans Meer. Die Gewalt des Wassers übertönt die Autobahn und spült alles, was ablenkt, aus dem Sinn. Nichts wirkt mehr steril, sobald die Show beginnt.

Zum Auftakt dürfen sich Pros und Promis hier austoben. Demonstrieren, was möglich ist, für spektakuläre Bilder sorgen. Und das tun sie. Pfiffe und Jubelschreie durchdringen die künstliche Brandung, gelungene Aereals werden gefeiert. Das Lächeln auf den Gesichtern ist echt, es kommt mit den Wellen, quasi auf Knopfdruck.

Surr... die Welle kommt

«Hi guys», grüsst ein Unbekannter mit spanischem Akzent in der Umkleide, wo ich mich in den Neoprenanzug schäle. Ein bisschen Small Talk und es stellt sich heraus, dass er für Wavegarden arbeitet. Die baskische Firma, deren Technik für die Wellen sorgt, in die er sich selbst gleich zum ersten Mal stürzen will. Jede Anlage sei anders, was nicht nur am Wellenmenü liege. Er schwärmt von der Alpenkulisse.

Ich werde sie vergessen, die Umgebung wird total egal sein, im Wasser gibt’s genug zu beachten. Und es wird intensiv. Wer durchzieht, erwischt in einer Session fünfmal so viele Wellen wie im Meer, heisst es. Sie brechen von der Aussenwand nach innen, dort führt ein Channel zurück ins Line-Up. Lange Pausen gibt es nicht, denn jede Welle ist perfekt. Soweit die Theorie. In der Praxis entsteht schnell ein Rhythmus.

Im Line-Up

Erst kommt die S-Bahn. Zumindest klingt es so, wenn die Module der Anlage zu arbeiten beginnen, sich und das Wasser in Bewegung versetzen. Ein leises Surren dringt aus dem Bauch der gewölbten Konstruktion neben mir, die an ein Gewächshaus erinnert. Dann schwillt der Wasserberg an, hebt und senkt mich in der Dünung, zieht vorüber. Es gibt keine Hektik, kein Gedränge, keine überraschend früh brechenden Wellen. Im Gegenteil, es gibt sogar Markierungen.

Ein paar Paddelschläge sind es bis auf Höhe der Nummer 9 an der Aussenwand, wo ein Coach mich in Position dirigiert. Alles ist orchestriert, hier wird die Welle brechen, nun kommt es auf mich an. Paddeln, paddeln, paddeln, Blick nach vorne, Oberkörper hoch – spätestens jetzt ist es egal, ob das hier Meer oder Pool ist, die Welle will gesurft werden. Take-off. Fokus. Tief bleiben. Geniessen. Oder stürzen.

Beides passiert, auf erste Erfolgserlebnisse folgen ein paar Nosedives. Egal, dann halt nochmal. Das Spiel mit den Elementen funktioniert schneller, wenn die Regeln menschengemacht sind. Da kommt die perfekte Welle. Da auch. Da auch. Es gibt keine Ausreden. Nur den Ehrgeiz, etwas zu lernen. Und viele Möglichkeiten, es besser zu machen. Im Laufe der Session werden die Wellen grösser, die Tipps konkreter und die Arme schwerer. Es ist anstrengend.

Trotzdem zieht es mich immer wieder zurück. Nach einer Stunde im Wasser bin ich müde, aber glücklich. Zum ersten Mal seit über einem Jahr ist das Wort «Welle» für mich heute positiv besetzt. Ganz klar: Alaïa Bay ist kein Ersatz für den Trip ans Meer, aber das Wellenmenü ist ein echter Leckerbissen für die Schweizer Surfszene. Wenn überhaupt etwas fehlt, dann eine Prise Salz.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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