
Hintergrund
Dein Lieblings-Game könnte für immer verschwinden
von Rainer Etzweiler
«Hollow Knight» ist eines der erfolgreichsten Indie-Games aller Zeiten. Der Nachfolger ist das meistgewünschte Spiel auf Steam. Woher kommt der Hype um die Krabbler?
Über fünf Millionen Menschen haben «Hollow Knight: Silksong» auf der Steam-Wunschliste. Das ist mehr als jedes andere Spiel auf der Plattform. Der Nachfolger des Ausnahmehits von 2017 könnte das erfolgreichste Indie-Game aller Zeiten werden und selbst «Baldur’s Gate 3» in den Schatten stellen.
Das unscheinbare Metroidvania-Game um den ikonischen weissen Käfer findet bereits beim Launch eine grosse Anhängerschaft. Zum Ausnahmehit entwickelt es sich aber erst zwei Jahre später. Nach einer erfolgreichen Kickstarterkampagne 2014 erscheint «Hollow Knight» 2017 exklusiv für PC. Ein Jahr später portiert es das australische Zweimann-Studio Team Cherry auf die Switch. Nintendos Konsole mausert sich neben dem PC zur beliebtesten Plattform für Indie-Spiele.
In den ersten zwei Jahren verkauft sich «Hollow Knight» 2,8 Millionen Mal. Das ist eine beachtliche Zahl und zweifellos ein Erfolg für jedes Indie-Studio. Es ist aber erst der Anfang. 2019 kündigt Team Cherry den Nachfolger «Silksong» an. Was ursprünglich als Erweiterung geplant war, nimmt immer grössere Dimensionen an. Die beiden Gründer Ari Gibson und William Pellen entscheiden sich, daraus einen vollwertigen zweiten Teil zu machen.
Es ist der Startschuss für eine stetig wachsende Hypewelle. In den folgenden sechs Jahren steigen die Verkaufszahlen von «Hollow Knight» auf aberwitzige 15 Millionen an.
«Hollow Knights» Erfolg ist nicht an einem einzigen Ereignis festzumachen. Vielmehr ist es eine Reihe von Vorkommnissen, welche die Popularität bis heute vorantreiben. Dazu gehören bekannte Youtuber wie MatPat mit seinem Kanal «The Game Theorist». 2019 veröffentlicht er einen Deepdive rund um den Protagonisten, der im Spiel schlicht «The Knight» genannt wird. Das Video wird über sieben Millionen Mal angeklickt. Auch wenn Hardcore «Hollow Knight»-Fans wie mossbag wenig mit MatPats Video anfangen können, trägt es zur Popularität des Spiels bei. «Hollow Knights» kryptische Welt steckt voller Geheimnisse, die Fans bis heute beschäftigen.
Team Cherry versorgt das Spiel auch Jahre nach dem Release regelmässig mit umfangreichen Updates. Das generiert zusätzliche Aufmerksamkeit und treibt die Spielzeit weiter in die Höhe. Obwohl das Game in unter 30 Stunden durchgespielt werden kann, stecken viele Fans über 100 Stunden rein, um auch den letzten Stein umzudrehen.
Auch der gegenteilige Spielstil erfreut sich grosser Beliebtheit. Der Speedrun-Rekord liegt bei 30 Minuten und 49 Sekunden. An Events wie Games Done Quick ist der weisse Ritter ein regelmässiger Gast.
2020 folgt für die Welt ein unerfreuliches Ereignis, das der Game-Branche aber einen gigantischen Boost beschert: Covid-19. Während vieles stillsteht, erleben Games Hochkonjunktur. Dazu zählt auch Microsofts Game-Abo-Dienst Game Pass. Und genau dort landet im gleichen Jahr «Hollow Knight». Während das keinen Einfluss auf die Verkaufszahlen hat, expandiert die Fangemeinschaft damit weiter.
Mit jeder neuen Plattform, jedem neuen Update und jeder neuen Meldung zum Nachfolger «Silksong» gewinnt «Hollow Knight» an Aufmerksamkeit. Die Einstiegshürde ist dabei selbst ohne Game Pass und regelmässige Sales niedrig. Das Spiel kostet gerade mal 15 Franken/Euro. Und dank 96 Prozent positiven Reviews auf Steam und einer Durchschnittswertung von 90 auf Opencritic landet es regelmässig in den Bestenlisten von Gaming-Seiten. Irgendwann ist schliesslich die kritische Masse erreicht, dass «Hollow Knight», respektive «Silksong» nicht mehr aus dem Zeitgeist wegzudenken sind.
Aber die zahlreichen Fans werden auf eine harte Geduldsprobe gestellt.
Am 4. September 2025 um 16 Uhr, Schweizer Zeit, erscheint «Hollow Knight Silksong» für PC und Konsolen. Achteinhalb Jahre sind seit der Veröffentlichung des ersten Teils vergangen. Was nach einer turbulenten Entwicklungszeit klingt, ist in Wahrheit das komplette Gegenteil. «Es gab nie irgendwelche Verzögerungen. Es ging immer voran. Es ist nur so, dass wir ein kleines Team sind und Spiele viel Zeit in Anspruch nehmen. Es gab keine grossen kontroversen Momente», erklärt Ari Gibson von Team Cherry gegenüber dem US-Techmagazin Bloomberg.
Trotz Millionen verkaufter Einheiten hat das Studio kaum expandiert. Lediglich ein zusätzlicher Entwickler und ein Komponist sowie einige Freelancer sind dazugestossen. Auch sonst habe sich wenig verändert. Der Arbeitsstil und die Büroeinrichtung mit der undekorierten avocadogrünen Wand sind noch die gleichen wie bei «Hollow Knight».
Die entspannte Herangehensweise war möglich, weil die Verkäufe von «Hollow Knight» das kleine Team zu Millionären machten. Insbesondere bei Pellen mit seinen beiden Kindern – und einem Dritten unterwegs – sorgte das für Seelenfrieden. Bei Gibson wiederum habe sich wenig verändert. Er lebt in einer schlichten Zweizimmerwohnung. Die Zeiten, in denen ihm sein Vater gelegentlich 20 Dollar gesteckt hat und er sich dafür einen Kaffee gönnte, seien aber vorbei. Druck, möglichst bald ein neues Spiel veröffentlichen zu müssen, gab es somit nicht.
Anfangs veröffentlichte Team Cherry regelmässige Updates zum Status von «Silksong». Die werden immer spärlicher. Das letzte Lebenszeichen mit neuen Bildern ist für lange Zeit der Trailer am Xbox Showcase 2022 mit dem Versprechen, dass «Silksong» innert eines Jahres herauskommt. 2023 dann der Schock: Mit einem simplen Post auf X kündigt das Team an, dass das Spiel verschoben wird. Auf unbestimmte Zeit.
Von da an verkommt «Silksong» zum Meme. Fans spekulieren und hoffen bei jedem Showcase auf neue Infos. Team Cherry bleibt stumm. Bis sie Anfang 2025 endlich wieder ein Lebenszeichen von sich geben: Das Spiel soll in diesem Jahr erscheinen. Dieses Mal bestimmt: «Wir hatten das Gefühl, dass fortlaufende Updates die Leute nur verärgern würden. Denn alles, was wir wirklich sagen konnten, war: Wir arbeiten noch daran», sagt Gibson gegenüber Bloomberg.
Schliesslich kommt bei Team Cherry der Punkt, an dem sie in die Zielgerade einbiegen müssen. «Ich erinnere mich, dass ich irgendwann einfach aufhören musste zu skizzieren. Ich dachte mir: Alles, was ich hier zeichne, muss im Spiel landen. Da wird einem klar: Wenn ich nicht aufhöre zu zeichnen, werde ich 15 Jahre brauchen, um das fertigzustellen», so Gibson.
Am Ende brauchen sie nur halb so lange. Ob sich das Warten gelohnt hat, finden wir heute alle gemeinsam heraus. Review-Codes sind nämlich keine rausgegangen. Unter anderem, weil Team Cherry es gegenüber den Kickstarter-Unterstützern unfair findet, wenn andere «Silksong» vor ihnen spielen dürfen. Wer ein elf Jahre altes Versprechen hält, den muss man einfach sympathisch finden.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.