Hintergrund

«Wirklich? Ich hatte keine Ahnung». Der Designer der «Doom»-Sounds über sein unerwartetes Erbe

Wer sie kennt, hört sie überall. Soundeffekte aus den Egoshootern «Doom» 1 und 2. Was die wenigsten wissen: Die Sounds stammen gar nicht von id Softwares Kultgame. Kreiert hat sie Mike McDonough und zwar für zwei völlig andere Projekte.

«Wirklich? Ich hatte keine Ahnung.» Als ich Mike McDonough erzähle, dass sich diverse Internetforen um seine Soundeffekte ranken, staunt der renommierte Sound Designer nicht schlecht. «Ich habe gerade Doom Sound gegooglet. Es gibt da so ein Ding, das heisst Reddit. Da fragt tatsächlich jemand, ob es eine Doku oder sowas gäbe, wie die Doom Sounds entstanden sind. Ist das nicht witzig?»

Geräusche, die eine Generation geprägt haben

Sei es das Geräusch, wenn sich eine Tür öffnet, das markante Zischen oder die unheimlichen Monsterschreie. Soundeffekte der Kultgames «Doom» 1 und 2 aus den 90ern begleiten mich seit meiner Kindheit. Immer wieder höre ich die Sounds in Filmen, Serien oder in Musikstücken. Und jedes mal muss ich dabei an «Doom» denken. Es geht nicht nur mir so: Zahlreiche Reddit-Seiten, Steam-Foren und Youtubekanäle widmen sich den sogenannten «Doom»-Sounds, wo sie vorkommen und wer sie gemacht hat.

Bei mir änderte sich das, als ich vor ein paar Jahren John Romero, einer der legendären Entwickler von «Doom» traf. Er klärte mich darüber auf, dass sie diese Soundeffekte gar nicht selbst kreiert hätten. Stattdessen stammen sie von einer weit verbreiteten Soundeffekte-Sammlung. Das machte mich erst recht neugierig, wer denn nun wirklich diese Sounds erschaffen hat. Den Ursprung fand ich schliesslich bei einer Sammlung names «Sound Ideas 6000». Das gleichnamige kanadische Unternehmen ist heute noch aktiv und zählt beispielsweise den bekannten Wilhelm Scream zum Portfolio.

Raketen und Sattelschlepper: So entstanden die «Doom»-Sounds

Mike hat in seiner Laufbahn unzählige verschiedene Sounds aufgenommen.
Mike hat in seiner Laufbahn unzählige verschiedene Sounds aufgenommen.

Von Sound Ideas erhalte ich die Telefonnummer von Mike McDonough in Salt Lake City. Er soll der Mann sein, der die «Doom»-Sounds kreiert hat, die mich seit den 90ern nicht mehr loslassen. Um auf Nummer sicher zu gehen, spiele ich ihm gleich zu Beginn unseres Gesprächs ein paar der bekanntesten Geräusche ab. «Ja, das ist meine Türe». Obwohl es über 30 Jahre her ist, seit er den Soundeffekt produziert hat, erkennt er ihn sofort. Moment, «Doom» ist doch noch keine 30 Jahre alt? Richtig, der Soundeffekt ist deutlich älter. Mike hat ihn für seine Radiosendung «Bradbury 13» erschaffen. Eine Sci-Fi-Serie, die zwischen 1983 und 1984 ausgestrahlt wurde. «In einer Episode landet die Besatzung auf einem Planeten. Für den Ausstieg der Besatzung aus dem Raumschiff brauchte ich einen Soundeffekt für eine futuristische Laderampe.»

Er erinnert sich sogar noch genau daran, wie er dieses Türgeräusch gemacht hat. Mike arbeitete damals als Leiter des Sound Department an der Brigham Young Universität in Utah. «Im Keller stand ein alter Drehstromgenerator. Als ich eines Tages dran vorbeispazierte, startete die Maschine und machte dieses unglaubliche huiiii Geräusch.» Also schnappte er sich sein Aufnahmegerät und den Hausmeister, damit dieser für ihn den Generator ein- und ausschalten konnte.

Die Aufnahme liess er anschliessend rückwärts laufen. Das war das erste Element. «Für das andere habe ich eine Kugel von einem Luftgewehr in einen Luftballon gepackt und ihn aufgeblasen. Wenn du den Ballon dann schwingst, macht es so ein weee weee Geräusch.» Ein weiteres Puzzlestück war ein Motorengeräusch. «Wir hatten einen CD-Player, der ein ganz spezielles Geräusch machte, wenn die Schublade rauskam. Also schraubte ich das Teil auf und platzierte das Mikrofon so, dass es einige der Metallteile berührte. Damit verstärkte sich der Sound direkt ins Mikrofon.»

Das letzte Element stammt von einem Sattelschlepper, den das Radio-Studio besass. «Wenn du die Bremse betätigst, gab es ein hydraulisches «pscht». Ich glaube, so habe ich dieses Türgeräusch gemacht.»

Der Soundeffekt, den ich noch häufiger in Filmen oder Serien höre als die Türe, ist das aus dem finalen Bosskampf in «Doom 2» bekannte Peitsche-Geräusch. Der offizielle Name in der Sound-Idea-Bibliothek lautet «Fire, Ball - Impact And Large Fire Burst, Rumble». Die Liste mit Auftritten in Filmen, Serien und Games ist lang. Einige Beispiele sind «Harry Potter und die Kammer des Schreckens», «Event Horizon», «Spongebob» oder «Donkey Kong 64». Produziert hat ihn Mike allerdings für den Disneytrickfilm «Taran und der Zauberkessel» («Black Cauldron») aus dem Jahr 1985. Also fast zehn Jahre vor dem berühmten Finale in «Doom 2».

Auch in Outkasts Musikvideo zu «ATLiens» kommt das Geräusch vor.

Für die Szene, in der sich der Boden auftut und der Zauberkessel erscheint, benötigte Mike ein Rumpeln und ein Wusch. Dafür griff er einmal mehr in die Trickkiste. «Ich hab mir ein paar Feuerwerksraketen gekauft und bin damit in die Wüste gefahren. Wenn du sie anzündest, machen sie so ein Wusch-Geräusch.» Weil es damals noch keine Computer gab, musste Mike alles von Hand machen. «Ich hatte zwei oder drei Rekorder mit variablen Aufnahmegeschwindigkeiten. Zusätzlich hatte ich einen 8-Spur-Kassettenspieler. Damit verlangsamte ich die Höhen, um einen langen, tiefen Sound zu schaffen. So habe ich dann immer mehr Schichten und Soundeffekte zusammengemischt bis ich etwas hatte, das mir gefiel.»

Für das Poltern, das nach dem Peitschengeräusch zu hören ist, hat Mike einen Tonwandler an einem Stück Blech befestigt und mit seinem Mischpult verbunden. Das Blech liess er an zwei Schnüren in der Luft baumeln. «Wenn ich das Metall nur leicht berührte oder schüttelte, gab es dieses tiefe Grollen. Dann filterte ich alle hohen Frequenzen raus, sodass ich nur noch die Tiefen hatte.» Zusammen mit den Feuerwerksraketen entstand so einer meiner Meinung nach der kultigsten Soundeffekte überhaupt.

«Sound Design ist wie Suppe kochen»

Mike in seinem Studio.
Mike in seinem Studio.

«Ich habe mich schon immer für Sound interessiert», erzählt Mike, der in Los Angeles aufgewachsen ist. Wie jedes Kind schaute auch der junge Mike gerne Fernsehen. Irgendwann fiel ihm auf, dass er immer wieder die gleichen Geräusche hörte. «Ich merkte, dass simple Geräusche wie das Schliessen einer Türe oder das Bellen eines Hundes gar nicht echt waren, sondern in einem Studio produziert und abgemischt wurden.» Bereits vor Mikes Zeit hatten Studios wie Universal oder Warner Brothers ihre eigenen Sound-Bibliotheken. «Ich kam zu einem Punkt, an dem ich anhand eines Geräusches sagen konnte, wer den Film gemacht hat.»

In den 80er-Jahren fingen die Studios an, Sound Effekte miteinander zu tauschen. Weil die Aufnahmen nicht in Stereo waren, brauchten sie neue Effekte. Mike arbeitete damals an der Universität als Soundverantwortlicher. Weil sie selbst keine Sound-Datenbank besassen, begann Mike, eigene Effekte zu kreieren. Als Vorlage dienten ihm anfangs bestehende Effekte renommierter Studios. «Das war der Zeitpunkt, als ich anfing, selber Sound zu produzieren und zu behalten.»

Für Mike hat Sound Design Parallelen mit Kochen. «Es ist ein bisschen wie Suppe machen. Ich fange mit einer Zutat an und füge dann ein bisschen davon und ein bisschen hiervon hinzu bis das Ganze stimmt.»

Die Nagra IV-S mit der Mike viele seiner Effekte aufgenommen hat.
Die Nagra IV-S mit der Mike viele seiner Effekte aufgenommen hat.

Bei seiner Arbeit hatte Mike auch Hilfe aus der Schweiz. Und zwar in Form einer Nagra IV-s: eines der ersten professionellen portablen Tonbandgeräte. Erfinder Stefan Kudelski erhielt dafür mehrere Technik-Oscars. Die analogen Nagras galten lange Zeit als Standard in der Film- und Fernsehbranche. Die Firma mit Sitz in Lausanne existiert noch heute, auch wenn sie mittlerweile eher für ihre Verschlüsselungssysteme wie sie Beispielsweise bei Sky im Einsatz sind, bekannt ist.

Leisten konnte sich der damals frisch verheiratete Mike die Nagra IV-s Anfang 80er eigentlich nicht. Der damalige Preis von 13 000 Dollar entspricht heute umgerechnet fast 40 000 Franken. Aber für den Audioliebhaber führte kein Weg dran vorbei. Er lieh sich das Geld und kaufte sich ein Stück Geschichte. «Es ist eine unglaublich genaue und leise Maschine. Sie ist wie eine Schweizer Uhr.»

«Zu meinen Lieblingssounds gehören Querschläger»

Die Liebe fürs Analoge setzt sich bei Mikes Arbeitsweise fort. Obwohl es heutzutage unzählige digitale Hilfsmittel gibt, bleibt Mike seinen Wurzeln treu. «Ich bin ein altmodischer Kerl. Ich habe keinen Synthesizer. Am liebsten nehme ich echte Geräusche auf und manipuliere sie.» Dabei wiederum kennt Mike keine Berührungsängste mit moderner Technologie. «Wir können heute Sachen machen, die früher unmöglich waren.»

Mike zusammen mit Ben Burtt (links) bei der Aufnahme von Geräuschen für «Indiana Jones».
Mike zusammen mit Ben Burtt (links) bei der Aufnahme von Geräuschen für «Indiana Jones».

Mike bevorzugt organische Effekte, weil sie einzigartig sind. Das macht sie speziell. «Wenn du mit dem Synthesizer ein Geräusch kreierst, ist es zwar sauber, aber es ist nicht interessant. Es fehlen die zufälligen kleinen Geräusche, die eine echte Aufnahme jedes mal anders klingen lassen.» Er erzählt, wie er einmal im Studio ein ganzes Streichholzheft angezündet hat. «Ich hielt es ganz nah an eines dieser grossen Mikrofone und es machte so ein Whoosch-Geräusch und ein leises Quietschen. Es ist ein wirklich cooler Soundeffekt, den ich heute noch häufig höre. Er entstand ganz zufällig und ich konnte ihn nie mehr reproduzieren. Ich hab’s versucht mit dem gleichen Mikrofon, aber es klang nie mehr gleich.» Darum liebe ich es, echte, kleine Dinge aufzunehmen.»

Mikes Sammlung von Querschläger-Geräuschen gehört zu seinen Highlights.
Mikes Sammlung von Querschläger-Geräuschen gehört zu seinen Highlights.

Zu Mikes Lieblingssounds gehören Querschläger von Schüssen. Auf den Geschmack gebracht hat ihn sein Freund Ben Burtt. Ein bekannter Sound Designer, der mehrere Oscars für seine Effekte in «Star Wars», «Star Trek» oder «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug» gewonnen hat. «Die Querschläger in Indiana Jones waren einzigartig. Ich hatte noch nie im Leben solche Geräusche gehört.» Er liess sich die Technik von Ben erklären und fuhr anschliessend mit jede Menger Waffen und Munition in die Wüste. «Ich habe vermutlich Tausende von Querschläger-Geräuschen aufgezeichnet, einfach, weil es Spass machte.» Die Sammlung gehöre zu seinen absoluten Favoriten.

Der Mythos wird bleiben

Von den Querschläger-Geräuschen hat es keines in «Doom» geschafft. Für die meisten von uns dürften aus Mikes Sammlung somit die Sounds aus id Softwares Egoshooter die bekanntesten sein.

Geräusche gibt es überall, man muss nur genau hinhören.
Geräusche gibt es überall, man muss nur genau hinhören.

Auch mein Artikel dürfte wenig daran ändern, dass der Grossteil des Internets weiterhin von «Doom Sounds» reden wird, überzeugt davon, dass sie mit dem Spiel entstanden sind. Wenigstens wissen jetzt ein paar mehr, dass sie eigentlich von einem unterschätzten Disneyfilm und einer Radiosendung stammen, die ausserhalb der USA wohl niemand kennt. Ich für meinen Teil freue mich, endlich den Ursprung eines Geräusches gefunden zu haben, das mich seit der ersten Begegnung vor fast 30 Jahren fasziniert.

Bilder: ZVG Mike McDonough

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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