Automatisches Türschloss: Smart oder unnötig?
Produkttest

Automatisches Türschloss: Smart oder unnötig?

Martin Jud
23.6.2019

Wenn du dein Leben smarter gestalten möchtest, kannst du dir einen Chip implantieren. Oder du kaufst dir ein Produkt wie das Smart Lock 2.0 von Nuki. Es schließt deine Haustüre automatisch auf.

Wer braucht denn sowas? Ein Türschloss, das sich mittels Smartphone respektive Bluetooth und bei Bedarf gar übers Internet öffnen lässt. Hat es überhaupt eine Daseinsberechtigung?

Auch wenn ich die Idee faszinierend finde, gruselt mich das Teil auch ganz schön: Wird nun mein Türschloss getrackt? Erhalte ich bald automatisiert Werbemails, die nur dann eintrudeln, wenn ich mein Daheim betrete? Oder verschafft sich in naher Zukunft der Einbrecher mittels Hackertool Zugang zu meiner Wohnung?

Das angeblich smarte Schloss und seine Helfer

Nuki bietet dir nicht nur einen motorisierten Aufsatz für dein Türschloss an, sondern auch kleine Helfer, die das Produkt und deren Funktionen erweitern. Aber siehe selbst.

Das batteriebetriebene Smart Lock 2.0 passt auf beinahe sämtliche Schlösser respektive Zylinder. Es wird auf der Innenseite der Türe montiert und soll erkennen, wenn du dich mit dem Smartphone näherst und dir die Türe automatisch entriegeln. Bei Verlassen des Hauses übernimmt es bei Bedarf auch das Verriegeln. Außerdem kannst du über die Nuki-App wiederkehrenden oder beschränkten Zugang an Familie, Freunde und den Poolboy vergeben.

Folgende Daten sind ferner bekannt:

  • Für Europrofilzylinder, Schweizer Rundprofilzylinder, Knaufzylinder und Ovalzylinder
  • Steuerung über Smartphone-App oder mittels Funksteuerung (mit Nuki Wi-Fi Bridge auch übers Internet)
  • Smartphone-Betriebssystem-Kompatibilität: Android und iOS
  • Kompatibel zu Google Home/Assistant, Amazon Alexa, Apple HomeKit/Siri, IFTTT, ZigBee, Nuki
  • Bluetooth 5

Du solltest das Smart Lock optimalerweise nur bei einem Schloss verwenden, das beidseitig schließbar ist. Also eines, welches du trotz steckendem Schlüssel von außen mit einem Zweitschlüssel aufschließen kannst. Solche Zylinder werden mit dem Hinweis «mit Not- und Gefahrenfunktion» verkauft. Oder auch mit dem Zusatz «Prioritätsfunktion». Solltest du keinen Zylinder mit Not- und Gefahrenfunktion haben, kann dieser nach Absprache mit dem Vermieter mit relativ geringem Aufwand nachgerüstet werden.

Achtung: Bevor ich die Testprodukte erhielt, bin ich in eine Falle getappt. Auf der anderen Seite meiner Wohnungstür steckte der Schlüssel in senkrechter Position. Also im rechten Winkel zur Türfalle. In dieser Position konnte man mein Schloss mit einem Zweitschlüssel entriegeln, obschon es keine Not- und Gefahrenfunktion hat. Erst bei einem erneuten Test nach Erhalt der Produkte bemerkte ich dies. Also beim Testen bitte immer den Schlüssel in schräger oder waagerechter Position stecken lassen.

Ich könnte mein Schloss auch ohne Prioritätsfunktion mit dem Smart-Lock-Aufsatz automatisiert betreiben. Doch was, wenn die Mechanik eines Tages versagt? Oder was, wenn sich die Batterien schneller entladen, als vom Sensor des Produktes erkannt? Normalerweise warnt das Smart Lock, wenn nur noch 20 Prozent der Ladung übrig sind. Aber nein danke, ich habe keine Lust auf öde Geduldsspiele mit meiner Blase und dem Schlüsseldienst.

Schade wird das bei mir nichts. Das Schloss aufzurüsten, kommt auch vorerst nicht in Frage. Daher springt Kollege André Pereira de Almeida ein. Er testet das Smart Lock und die folgenden Produkte.

Du möchtest das Türschloss nicht nur mit deinem Smartphone öffnen, sondern auch übers Internet darauf zugreifen? Kein Problem, denn dank Nuki Wi-Fi Bridge kannst du nicht nur jederzeit sehen, ob die Tür geöffnet oder geschlossen ist und damit deine Familie überwachen, sondern auch – oh Wunder – die Tür aus der Ferne einem Handwerker, dem Weihnachtsmann oder den Zeugen Jehovas öffnen.

Das Nuki Fob 2 kann als elektronischer Schlüssel unabhängig vom Smartphone benutzt werden. Gut geeignet für Personen, die kein Smartphone haben. Geht es verloren, ist der Ersatz zwar nicht billig, doch müssen nicht gleich das Schloss und die Schlüssel ausgetauscht werden. Du sperrst den Fob-Schlüssel in der Nuki-App und gut ist.

Bist du Airbnb-Hoster oder möchtest einem Handwerker Zugang zu deinem Heim geben, kannst du zum Nuki Keypad greifen. Beim Einrichten des Keypads definierst du in der Nuki-App einen Code. Diesen gibst du weiter und hinterlegst das Pad vor der Haustüre.

Reicht dir eine smarte Haustüre nicht, kannst du sie mit einer Gegensprechanlage inkl. Videofunktion ergänzen. Installierst du dir die Ring Video Doorbell 2, kannst du dir den Handwerker ansehen, ehe du die Türe (übers Internet) entriegelst. Dieses Produkt kommt in diesem Test nicht weiter vor. Keine Ahnung, ob es was taugt. Aber nun richten wir den Blick sowieso zur Wohnungstüre von André.

Eine komplette Übersicht zu sämtlichen Nuki-Produkten inklusive Combo-Angeboten findest du hier.

Wie macht sich das Bluetooth-Türschloss in Realität?

Mit Freude erzählt mir André nach vier Wochen von seinen Erfahrungen mit den smarten Tools. Und davon, dass seine Freundin zu Beginn eher ablehnend gegenüber der Technologie war. Ganz allgemein habe er in seinem Umfeld die Erfahrung gemacht, dass Männer mehrheitlich mit Begeisterung auf Nuki reagieren. Frauen lassen sich weniger von der bloßen Idee oder dem Anblick des Gadgets blenden. Da benötige es die richtigen Argumente zum Nutzen oder eben einen Test über längere Zeit.

Installation und Ersteinrichtung

Genial an Nuki ist, dass sich das Smart Lock so einfach und schnell wie vom Hersteller beschrieben respektive auf Youtube gezeigt an ein Türschloss anbringen oder entfernen lässt.

Im Lieferumfang sind zwei Montageplatten enthalten. Weist dein Türschloss einen Überstand von drei Millimetern oder mehr auf, kannst du die Platte zum Schrauben benutzen. Bei einem Schloss ohne Überstand kommt die selbstklebende Platte zum Einsatz.

André schraubt die Platte ans Schloss, steckt den Schlüssel ein und das Smart Lock darüber. Und schon ist das Tool bereit für die Ersteinrichtung mittels Smartphone-App.

Danach installiert er die Nuki-App und folgt den Anweisungen: Erst den Knopf am Smart Lock für fünf Sekunden drücken, dann kurz warten und der App mitteilen, welcher Türgriff an der Außenseite der Tür angebracht ist.

Nun muss sichergestellt werden, dass die Tür geöffnet ist. Dann beginnt die Kalibrierung. Das Smart Lock testet, wie weit der Schlüssel gedreht werden kann und merkt sich die Stellungen. Dabei fällt André auf, dass der Motor im Vergleich zu einer Hoteltür recht laut ist. Doch halb so wild; André misst mit seinem Huawei P20 Pro 63 Dezibel, was ungefähr dem Lärm einer Nähmaschine entspricht.

Bei Bedarf kann jetzt auch noch ein Türsensor installiert werden. Dafür bringt André einen mitgelieferten kleinen Magneten an der Türe an und lässt wiederum die App den Rest erledigen. Diese Funktion ist noch im Beta-Stadium und es muss daher damit gerechnet werden, dass der Sensor nicht immer tadellos funktioniert. Ist die Funktion installiert, siehst du immer den aktuellen Status der Türe. Außerdem kannst du protokollieren lassen, wann die Türe offen, aufgesperrt oder zugesperrt ist. Sowie wer dafür verantwortlich ist.

Mit der Nuki WiFi Bridge bringst du dein Smart Lock ins Internet.
Mit der Nuki WiFi Bridge bringst du dein Smart Lock ins Internet.

Damit André auch übers Internet Zugang zum motorisierten Schloss bekommt, steckt er die Nuki Wi-Fi Bridge in der Nähe des Schlosses in eine Steckdose. Per App verbindet sich die Bridge über Bluetooth mit dem Smart Lock. Danach gibst du deine Wi-Fi-Zugangsdaten ein und schon kannst du loslegen. Nun können Benutzer hinzugefügt, Berechtigungen erteilt und Protokolle eingesehen werden. Das Smartphone ist jetzt weltweit in der Lage, jederzeit jemandem die Türe zu öffnen.

André deckt auf: Was geht und wo muss Nuki nachbessern?

Grundsätzlich ist André überaus zufrieden mit Nuki. Sämtliche Funktionen der Produkte können genutzt werden. Allerdings läuft nicht immer alles reibungslos. Wenn er die Türe mit dem Nuki Fob 2 oder Keypad entsperrt, reagiert das automatische Schloss auf Anhieb. Doch scheint Nuki das Geofencing noch nicht wirklich im Griff zu haben.

Geofencing bezeichnet das automatisierte Auslösen einer Aktion, sobald eine festgelegte Begrenzung auf der Erdoberfläche überschritten wird. Kurz: Dank Geofencing soll das Smart Lock erkennen, wenn dein Smartphone in der Nähe ist und die Tür dann automatisch aufsperren. Nur tut sich das smarte System schwer, hier wirklich Folge zu leisten. Mit einem iPhone 7 funktioniert das Entsperren zwar automatisch, doch steht André oft bis zu 15 Sekunden vor der Türe, ehe sich was tut. Schlimmer ist es mit einem Huawei P20 Pro, welches das Schloss teilweise erst nach einer Minute erkennt und dann auch eine Wischgeste zum Öffnen des Schlosses fordert.

Auf Anfrage beim Hersteller gelobt dieser Besserung. Entsprechende App-Updates sollen bald kommen. Unklar ist, ob das Smart Lock grundsätzlich Mühe mit Bluetooth von Android-Smartphones hat. Doch egal, woran das liegen mag; das vorliegende Verhalten ist ein absoluter Murks und würde mich als Kunden extrem stressen. Da schließe ich meine Türe lieber mit dem Schlüssel auf, auch wenn ich dazu meine Einkaufstüten erst auf den Boden stellen muss.

Sonstige gröbere Mängel sind bei den Produkten von Nuki nicht auszumachen. Um dir einen allfälligen Kaufentscheid zu erleichtern, hat dir André eine Pro-Contra-Liste zusammengestellt.

Pro:

  • Einfache Installation
  • Von Haus aus gut vorkonfiguriert
  • Viele Einstellungsmöglichkeiten
  • Berechtigungsvergabe ist sehr simpel
  • Türe schließt bei Bedarf beim Verlassen des Hauses automatisch
  • Gute Möglichkeiten zur Einbindung in bestehende Smart Home Systeme
  • Einfache Demontage

Contra:

  • Geofencing (automatisches Entriegeln per Smartphone) kann mit Android Probleme machen und funktioniert auch mit iPhone nicht immer verzögerungsfrei
  • Motor des Smart Lock ist nicht leise (63 Dezibel laut Messung mit dem Smartphone)
  • Will man einen Prio-Zylinder nachrüsten, muss dieser erst bezahlt werden

Trotz der Nachteile sind André und seine Freundin nach dem Testen der Produkte angetan. Ist halt schon irgendwie spaßig, die Zukunft bereits heute zu leben. Vor allem für Airbnb-Anbieter dürften die Produkte optimal sein. Oder wenn die Großfamilie nicht für jedes Kind einen eigenen Schlüssel bereitstellen möchte. Zudem kann sichergestellt werden, dass die Putzfrau, der Gärtner sowie Klempner wirklich nur dann reinkommen, wenn sie auch bei dir zuhause arbeiten sollen.

Dieser Artikel gefällt noch niemandem.


User Avatar
User Avatar

Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar