Produkttest

Der Alleskönner De'Longhi La Specialista im Review

Es tönt zu gut, um wahr zu sein: De'Longhi verbindet Mühle, Siebträger und Milchschäumer in einem Gerät für rund 800 Franken. Geht das überhaupt? Ja es geht, mit Tücken.

Der Name «La Specialista» ist eigentlich so nicht korrekt. Die Maschine ist keine Spezialistin, sondern eine Alleskönnerin. Der Klugscheisser an der Party, der über alles Bescheid weiss, aber bei keinem Thema tiefgreifendes Wissen hat. Das Gespräch mit ihm ist zwar gut, aber oberflächlich. So ist es mit der La Specialista. Sie hat mir in den letzten vier Wochen guten Kaffee geliefert und das ganz ohne Sauerei. Der Milchschaum war für meine bescheidenen Ansprüche auch gelungen. Sobald ich aber etwas mehr wollte, hat sie versagt.

Das Mahlwerk hat zum Beispiel nur sechs Stufen, wobei selbst die feinste Stufe zu wenig liefert. Der Milchschäumer braucht eine Ewigkeit, bis er in die Gänge kommt. Die Druckanzeige gibt es zwar, sie zeigt aber lediglich «Zonen» an und keine Bar. Dafür hat die La Specialista auch ein paar geniale Features wie den integrierten Tamper, der keine Sauerei hinterlässt.

Der Nicht-ganz-Siebträger-Halbautomat

Der Aufbau ist simpel: Links mahlen, rechts Kaffee beziehen. Ganz rechts Milchschaum. Mit Tasten wählst du dann aus, ob du eine oder zwei Tassen Espresso, Americano oder Kaffee machen willst. Du beginnst also ganz links und spannst den Siebträger ins Mahlwerk. Der Kaffee fällt direkt hinein und mit dem Plastikhebel links davon tamperst (oder presst) du den Kaffee. Das System ist genial und verhindert eine grosse Sauerei. Danach spannst du den Siebträger aus und weiter rechts wieder ein, um deinen gewünschten Kaffee zu beziehen. Ganz rechts kannst du mit der Dampflanze die Milch aufschäumen.

Dass die La Specialista in wenigen Sekunden aufgeheizt ist, lässt es schon erahnen: Sie arbeitet mit einem Thermoblock statt einem Boiler. Kaltes Wasser heizt in einem langen Rohr auf. Die Wassertemperatur ist bei diesem System weniger Konstant als bei einem mit Boiler. Das macht diese Maschinen zu Überraschungseiern. Damit trotzdem immer eine schöne Crema entsteht, setzt De’Longhi beim Siebträger auf Doppelwand-Siebe. Mit dieser Technik kommt noch etwas Luft unter den bezogenen Kaffee und es entsteht immer der Anschein einer Crema. Das ist keine richtige, feste Crema, sondern mehr ein Schümli, wie bei einem Vollautomaten. Könnte es sein, dass für eine richtige Crema zu wenig Druck in der Maschine entsteht? Überprüfen kann ich das paradoxerweise nicht, auch wenn ein riesiges Manometer die Front der La Specialista ziert. Die Druckanzeige ist lediglich in «Zonen» eingeteilt und zeigt den Druck nicht in Bar an.

Die De’Longhi La Specialista ist also keine richtige Siebträgermaschine. Sie gaukelt dir Siebträger vor, von der Technik (und vom Preis her) ist sie eher mit Vollautomaten zu vergleichen. Dort punktet sie meiner Meinung nach. Klar, ich habe mehr Aufwand, den Kolben mit Kaffeemehl zu füllen, zu tampern und dann in die Brühgruppe einzuspannen. Dafür habe ich mehr Kontrolle als beim gängigen Vollautomaten. Und die Maschine sieht viel geiler aus als sämtliche Vollautomaten in unserem Sortiment. Fakt.

Gutes Konzept, viel blabla

Sobald Firmen ihre Produkte mit englischem Nonsense wie «Sensor Grinding Technology» oder «Active Temperature Control» bewerben, bin ich skeptisch. Statt uns zu sagen, was die Maschine kann und nicht kann, versteckt sich De’Longhi hinter dem verbalen Marketing-Durchfall. Dabei finde ich das System mit dem sauberen Tampern… äh, sorry... das «Smart Tamping System» genial. Würde das Mahlwerk etwas mehr liefern und die Maschine genügend Druck für einen richtigen Siebträger aufbauen, hätte sie mein Ich-will-jetzt-endlich-Barista-werden-Herz.

So allerdings ist die Maschine der beste Vollautomat, den ich je getestet habe. Kaffee gelingt fast immer und schmeckt mir persönlich besser als bei normalen Vollautomaten. Milchschaum geht, wenn auch langsam. Bei dem Preis ist die La Specialista als «Vollautomat» nicht zu schlagen.
Suchst du aber einen Siebträger, dann lass die Finger von diesem Gerät und investiere lieber in eine Aufstellung mit separatem Mahlwerk und kleiner Siebträgermaschine. Diese Kombination kostet etwas mehr und ist etwas komplizierter in der Abstimmung. Dafür kriegst du echtes Barista-Feeling und noch besseren Kaffee.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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